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Terrorfinanzier der Hisbollah in Brasilien verhaftet

Von Stefan Frank

Assad Ahmad Barakat, der als einer der weltweit wichtigsten Geldbeschaffer der libanesischen Hisbollah gilt, ist von der brasilianischen Polizei verhaftet worden. Das melden brasilianische Zeitungen und die britische BBC. Die Festnahme erfolgte demnach am Freitag in den frühen Morgenstunden in der Großstadt Foz do Iguaçu (allgemein Foz genannt), die an der Grenze zu Paraguay liegt. Die Region rund um das Dreiländereck, wo Brasilien, Argentinien und Paraguay aneinander grenzen (Tri-border area, TBA) gilt seit langem als Hochburg der Hisbollah und Zentrum ihrer kriminellen Aktivitäten in Lateinamerika. Im 19. Jahrhundert wanderten dort die ersten Libanesen ein, viele weitere kamen in den 1980er Jahren im Zuge des libanesischen Bürgerkriegs; heute leben über 50.000 Libanesen in dem Gebiet, davon rund 5.000 in Foz, einem Ort, der wegen seiner Wasserfälle auch bei Touristen beliebt ist.

Barakat wird von den brasilianischen Behörden beschuldigt, für die Hisbollah Gelder aus dem Waffen- und Drogenschmuggel gewaschen zu haben. Das US-Finanzministerium hatte Barakat im Juni 2004 zum „islamischen Extremisten“ und seine Firmen – Casa Apollo und Barakat Import Export – zu Unterstützern der Hisbollah erklärt und Sanktionen gegen sie verhängt. In der Mitteilung der US-Behörde wird Barakat als „einer der prominentesten und einflussreichsten Mitglieder der Terrororganisation Hisbollah“ bezeichnet. Er habe „enge Beziehungen zur Hisbollahführung“ und arbeite „eng mit zahlreichen islamischen Extremisten und mutmaßlichen Partnern der Hisbollah in Südamerikas Drei-Ländereck (TBA) zusammen“. Der für die Bekämpfung von Terrorfinanzierung zuständige Mitarbeiter des US-Finanzministeriums, Juan Zarate, nannte Barakat damals einen „Schlüsselfinanzier des Terrorismus, der jedes erdenkliche Finanzverbrechen“ benutzt habe, um Gelder für die Hisbollah zu generieren. „Von der Falschgeldherstellung bis zur Erpressung hat dieser Sympathisant der Hisbollah Finanzverbrechen begangen und Tarnfirmen benutzt, um den Terror zu sponsern.“

Terrorfinanzier der Hisbollah in Brasilien verhaftetIm Juni 2002 wurde Barakat schon einmal – auf Ersuchen Paraguays – in Brasilien festgenommen und in Paraguay wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande und Steuerhinterziehung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Es gab damals zudem die Vermutung, dass Barakat an dem Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum (AMIA) in Buenos Aires beteiligt  gewesen sein könnte, bei dem 1994 87 Menschen getötet und über hundert weitere verletzt wurden; dies konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden.

Die starke Präsenz der Hisbollah in dem Drei-Ländereck war bereits Anfang des letzten Jahrzehnts allgemein bekannt und Gegenstand etlicher Reportagen. Der amerikanische Publizist Jeffrey Goldberg reiste 2002 in die TBA und berichtete über offenen Waffenhandel, einen Fluss, der zum Drogenschmuggel benutzt wird, von der Hisbollah veranstaltete Wochenendtrainingslager, ideologische Schulungen für Kinder und eine Industrie, die dazu da ist, Geld für die Hisbollah zu generieren, etwa durch die Herstellung von Raubkopien. Das alles geschah offenbar unter den Augen der Behörden, die das Treiben tolerierten.

Eine Trendwende kam mit dem Amtsantritt von Argentiniens konservativem Präsidenten Mauricio Macri Ende 2015. Seine Vorgängerin Christina Fernández Kirchner hatte enge Beziehungen zum iranischen Regime gepflegt; gegen sie wurde mittlerweile Anklage erhoben, weil sie die Ermittlungen über die Rolle des Iran bei den Anschlägen auf das AMIA behindert haben soll. Sie hatte sogar mit dem Iran einen Vertrag unterzeichnet, der vorsah, dass die Ermittlungen zu dem Anschlag gemeinsam mit dem Iran geführt würden. Im Januar 2015 wurde der für die Ermittlungen zuständige argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman erschossen. Kurz vor seinem Tod hatte Nisman Präsidentin Kirchner öffentlich bezichtigt, die Rolle des Irans zu vertuschen. Am 18. Januar wurde er tot aufgefunden – neben ihm sein Revolver – wenige Stunden bevor er Beweise gegen Kirchner hatte vorlegen wollen. Die Behörden sprachen von Selbstmord. Im Dezember 2017 urteilte ein Richter, dass Nisman ermordet wurde.

Den Vertrag über gemeinsame Ermittlungen mit dem Iran aufzukündigen, war eine der ersten Amtshandlungen Macris. Er traf Familienangehörige Nismans und sagte, Nismans Tod und den Anschlag auf das AMIA aufzuklären, habe für ihn höchste Priorität. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bedankte sich dafür im September 2017 bei seinem Staatsbesuch in Argentinien bei Macri.

Terrorfinanzier der Hisbollah in Brasilien verhaftet
Quell: Casa Rosada (Argentina Presidency of the Nation), CC BY 2.5

Im Februar 2018 besuchte der damalige US-Außenminister Rex Tillerson Buenos Aires und unterzeichnete mit Macri ein Abkommen über den gemeinsamen Kampf gegen die Hisbollah in Südamerika. Dann ging es Schlag auf Schlag. Im Juli 2018 fror die argentinische Staatsanwaltschaft erstmals Vermögen der Barakat-Gang ein. Berichten zufolge hatten Barakat und 13 weitere Personen, die allesamt entweder in Paraguay oder Brasilien wohnen und auch keine Geschäfte in Argentinien betreiben, in den letzten Jahren Hunderte Male von Brasilien aus zu Fuß die Ponte Tancredo Neves überquert, die den Grenzfluss Iguazú überspannt, hatten auf argentinischer Seite in der Stadt Puerto Iguazú das Casino Iguazú besucht und hatten große Geldsummen in Chips getauscht sowie anschließend, nachdem sie einige kleinere Einsätze gemacht hatten, wieder zurück in Bargeld. Weder darüber, mit wie viel Geld sie gekommen noch mit wie viel sie gegangen waren, machten sie irgendwelche Angaben. Ein Clanmitglied, Assads Cousin Hassan Ali Barakat, soll auf diese Weise 620-mal Geld über die Grenze und zurück gebracht haben. Im August durchsuchte die argentinische Polizei zahlreiche Casinos und Hotels in dem Ort – eine Aktion, von der auch die obersten Geldwäschebekämpfer in Washington Kenntnis hatten.

Bei der elften von der US-Regierung veranstalteten Las Vegas-Antigeldwäschekonferenz, die am 14. August stattfand, kam Kenneth A. Blanco der Direktor des Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) – der im US-Finanzministerium für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständigen Abteilung – auch auf diese Razzien und den Fall Barakat zu sprechen. Er lobte den Informationsaustausch zwischen der amerikanischen Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) und ihrem argentinischen Gegenpart. Da eines der Vehikel, die die Hisbollah zur Geldwäsche genutzt habe, ein Casino im Drei-Ländereck gewesen sei, so Blanco, „ist es klar, dass Casinos ganz an vorderster Front stehen, wenn es um wertvolle Informationen geht, die FIUs für ihre strategische und operationelle Arbeit benötigen“. Das könnte bedeuten, dass der entscheidende Hinweis womöglich vom Casino selbst kam.

In welchem Land Barakat vor Gericht gestellt werden wird, ist noch nicht klar. Wie die brasilianische Website von El Pais berichtet, hat Paraguay im August 2017 einen Haftbefehl wegen des Besitzes gefälschter Ausweispapiere gegen ihn ausgestellt.

Terrorfinanzier der Hisbollah in Brasilien verhaftetDie weitergehende Bedeutung des Falles liegt darin, dass ein Schlag gegen die Finanzierung der Hisbollah geglückt ist. Der Terrororganisation wurde signalisiert, dass in dem Drei-Ländereck nun ein anderer Wind weht. Seit 2006, als sie das letzte Mal entschieden gegen die Terrorfinanzierung vorgegangen seien, hätten die USA die TBA-Region, die ein „Knotenpunkt des Finanzierungsnetzwerks der Hisbollah in Lateinamerika“ sei, vernachlässigt, schrieb Emanuele Ottolenghi, ein Experte für Bekämpfung der Terrorfinanzierung beim Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center, kürzlich in einem Aufsatz. Das bedeute, dass die „Abschreckungskraft der US-Sanktionen“ im Lauf der Zeit „erodiert“ sei. Die Hisbollah-Finanziers seien ihren Aktivitäten „weitgehend ungestört nachgegangen“ und die örtlichen Behörden hätten nur noch wenig unternommen, als klar geworden sei, dass die USA das Interesse an der TBA verloren hätten.

Dieser Zustand müsse nun korrigiert werden, um den Druck auf die Hisbollahnetzwerke in der TBA zu erhöhen, so Ottolenghi. „Washington muss diesen Druck aufrechterhalten, um zu signalisieren, dass die Hilfe für Argentinien beim Einfrieren der (Hisbollah-)Vermögen kein einmaliges Ereignis ist, sondern der Beginn kontinuierlicher Bemühungen im Kampf gegen die TBA-Infrastruktur der Hisbollah“, so der Experte.

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