Terroranschlag, oder, wie man in Bayern sagt: »Kneipenschießerei«

Eines der Terroropfer von Tel Aviv wird zu Grabe getragen
Eines der Terroropfer von Tel Aviv wird zu Grabe getragen (© Imago Images / Xinhua)

Drei Menschen wurden am Donnerstagabend in Tel Aviv bei einem Terroranschlag ermordet. Der Bayerische Rundfunk nannte das »Kneipenschießerei«.

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Terroranschlag, oder, wie man in Bayern sagt: »Kneipenschießerei«

Ich weiß ja, dass gutes Personal schwierig zu finden ist und manche Praktikanten nach ein paar Monaten sogar Geld für ihre Arbeit wollen. Aber man muss wirklich nicht jeden Absolventen der Tik-Tok-Universität, der jetzt irgendwas mit Buchstaben machen möchte, die Schlagzeilen machen lassen.

Andererseits, da war doch was mit öffentlich-rechtlichem Bildungsauftrag. Handelt es sich also etwa um eine ausgeklügelte Medienstrategie, politische und historische Ereignisse mittels flapsiger Sprache zu vermitteln, um ein Publikum, das sich durch so furchterregende Worte wie »Terror« vielleicht verletzt fühlen könnte, nicht schon in der Überschrift zu traumatisieren?

Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. »Flugschüler fliegen in New Yorker Hochhäuser« verschreckt nicht schon auf den ersten Blick. Da klickt sich’s irgendwie leichter. Und »Explosive Stimmung im Bierzelt« klingt weit weniger geschäftsschädigend als »Oktoberfest-Attentat«. Oans, zwoa, gsuffa. Überhaupt, München. Der »Zusammenstoß zwischen Palästinensern und Israelis« bei den Olympischen Spielen 1972 ist zwar übel ausgegangen, aber deswegen muss man ja wirklich nicht gleich von einem Attentat sprechen. The Games must schließlich go on.

In Deutschland werden immer wieder Juden von Antisemiten verprügelt? »Juden immer öfter in Schlägereien verwickelt« liest sich viel geschmeidiger und nimmt nicht von vornherein Partei. Es gab ein islamistisches Attentat auf ein homosexuelles Paar in Dresden? Mag sein, könnte man aber auch einmal aus anderer Perspektive zeigen: »Schwule verletzen religiöse Gefühle. Ein Toter.« Ein Mann schneidet seiner 17-jährigen Ehefrau im Iran den Kopf ab? So drastisch wollen wir das nicht lesen. »Frau unterliegt bei Messerstecherei« ist weniger brutal, und wer weiß denn schon, wer angefangen hat.

So ließe sich auch Geschichte viel harmonischer vermitteln. Ein »Massaker« kann eine zarte Seele schnell verstören, »Zoff mit Bosniaken in Srebrenica« wäre deutlich leichtfüßiger formuliert. »Völkermord« klingt sowieso immer irgendwie grauslich, man könnte ja auch vom »Gerangel in Ruanda« schreiben. Und muss man bei Auschwitz immer von »Vernichtung« oder »Vergasung« reden, wo doch »Jüdische Einwohner von Auschwitz an Atemnot gestorben« eine viel neutralere Formulierung wäre?

Terroranschlag, oder, wie man in Bayern sagt: »Kneipenschießerei«

Neutral ist wichtig. Ein ordentlicher Journalist macht sich nun mal mit keiner Sache gemein, selbst wenn es eine gute ist. Mustergültig in dieser Hinsicht sind eure Kollegen von der Tagesschau. Die wahren immer die nötige Distanz. Zumindest, wenn es um Israel geht.

»Nach Polizeiangaben hat ›ein Terrorist‹ das Feuer eröffnet«, berichtet der Sender auf seiner Webseite und setzt dabei »ein Terrorist« unter Anführungszeichen. Vorbildlich. Damit erkennt der geneigte Leser sofort, dass zwar die israelische Polizei den Mörder einen Terroristen nennt, die Tagesschau sich da aber nicht so sicher ist. Zu Recht, welcher Deutsche, der etwas auf sich hält, traut schon israelischen Polizeiangaben?

Und ja, es geht ausschließlich ums Distanzieren, nicht ums Zitieren. Denn zur Kennzeichnung eines Zitats hätte das Wort keines Anführungszeichens bedurft. Man schreibt ja auch nicht: »Nach Angaben der Feuerwehr ist ›der Brand‹ gelöscht«. Es sei denn, man wollte damit zum Ausdruck bringen, dass man entweder nicht sicher ist, ob es wirklich gebrannt hat, oder mit ›Brand‹ der Durst nach einem Besäufnis gemeint sein könnte.

Also, liebe »Journalist:innen« vom Bayerischen Rundfunk: Ihr seht, da ist noch jede Menge Luft nach oben bei der Wahl origineller Formulierungen. Dass Ihr die Überschrift nach wütenden Protesten – unter anderem der israelischen Botschaft in Berlin – geändert habt, ist hoffentlich kein Zeichen dafür, dass Ihr euch von eurem kreativen Weg abbringen lässt. Wäre schade, macht weiter so. Die Leute wollen schließlich für ihre Gebühren was geboten bekommen. Darauf einen Jägermeister!

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