Terror gegen Israel: Doppelte Standards

Von Alex Feuerherdt

Nach wie vor kommt es in Israel täglich zu Angriffen von Palästinensern mit Messern, Autos, Molotow-Cocktails und Schusswaffen. Besonders blutig verlief der vergangene Donnerstag, als erst in Tel Aviv zwei Juden beim Gebet erstochen und wenig später im Westjordanland ein Israeli, ein Palästinenser und ein amerikanischer Tourist aus einem fahrenden Auto heraus erschossen wurden. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), eine Institution zur Unterstützung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, veröffentlichte daraufhin eine Erklärung, die einmal mehr zeigt, wie anders in Europa die Maßstäbe in Bezug auf den Terror sind, wenn er sich gegen den jüdischen Staat und seine Bürger richtet.

Die Anschläge erinnerten „auf furchtbare und schmerzhafte Weise daran, wie unbeständig und gewalttätig die Realität ist“; es seien „zu viele unschuldige Menschen während der gegenwärtigen Welle der Gewalt gestorben“, verliert sich die Stellungnahme des EAD im Allgemeinen und Unpräzisen. Das knappe Statement endet mit den Worten: „Die heutigen Attacken zeigen nur noch einmal die Notwendigkeit für alle Seiten auf, weitere Gewalt mit aller Kraft zu verhindern und alle nötigen Schritte zu unternehmen, um der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts wieder eine politische Perspektive zu geben.“

Wie absurd diese salbungsvolle Schlussfolgerung ist und wie sehr sie Täter und Opfer vermischt, wird besonders deutlich, wenn man sie auf andere Beispiele überträgt. Würde man etwa nach einer Serie von Vergewaltigungen und Morden an Frauen „alle Seiten“ dazu aufrufen, „weitere Gewalt mit aller Kraft zu verhindern“? Oder appelliert man nach Paris, „alle nötigen Schritte zu unternehmen“, um der „Lösung des Konflikts“ zwischen dem „Islamischen Staat“ und Frankreich „wieder eine politische Perspektive zu geben“?

Vermischung von Tätern und Opfern

Das wäre fraglos abwegig – und doch können die Franzosen „froh sein, keine Israelis zu sein“, wie der Journalist Jan-Philipp Hein in einem Kommentar treffend feststellt: „Ganz schnell hätten sie sich sonst anhören müssen, mit ihren Ermittlungs- und Präventionsmaßnahmen die Täter zu weiteren Terrorakten zu animieren. Von ‚Verzweiflungstaten‘ wäre die Rede, dass man versuchen müsse, zu verstehen, was junge Männer dazu treibe, ihr Leben wegzuwerfen. Es würde geleitartikelt werden, dass Hollande vom selben Schlage wie IS-Führer al-Baghdadi sei. Die Vernichtungsrhetorik der Islamisten würde als Sprücheklopferei verniedlicht. … Irgendwer würde ‚Gewaltspirale‘ sagen, ein anderer von Radikalen auf beiden Seiten sprechen. Polizei und Militär, da wäre der Restkontinent mit sich selbst ganz im Reinen, würden als denkbar ungeeignet betrachtet, den Terror zu besiegen.“

Bezeichnend ist auch, welche Schlagzeilen regelmäßig formuliert werden, wenn palästinensische Attentäter, wie am vergangenen Wochenende, ihre Taten nicht überleben: „Drei Palästinenser nach Messerattacken getötet“, titelte Zeit Online, „Vier Tote bei Angriffen im Westjordanland“, hieß es in der Neuen Zürcher Zeitung, „1 Israeli and 3 Palestinians Killed in Attacks in West Bank“, lautete die Überschrift in der New York Times. Wer hier die Täter sind, wird nicht nur unterschlagen, man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass die beteiligten Palästinenser selbst zu den Opfern zählen. Wäre jemand auf die Idee gekommen, die Attacken von Paris mit den Worten „Sieben Muslime sterben nach Anschlägen“ zusammenzufassen, man hätte ihn zu Recht einer unerträglichen Realitätsverzerrung geziehen. Bei Terrorakten gegen Juden in Israel dagegen sind solche Headlines völlig normal.

Antisemitische Propaganda

Und auch in Bezug auf die Hintergründe für die antijüdischen Angriffe scheinen etliche Medien um keinen Preis von ihren gewohnten Erklärungen abrücken zu wollen, mit denen sie den Terror rationalisieren und dadurch verharmlosen. „Als ein Auslöser der Gewaltwelle gilt ein Streit um Besuchs- und Gebetsrechte auf dem Tempelberg in Jerusalem, der Muslimen und Juden heilig ist“, behauptete beispielsweise Spiegel Online, während Zeit Online schrieb: „Hintergrund ist ein Streit um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Diese gehört zu den heiligsten Glaubensstätten der Muslime, befindet sich aber auf dem Gelände des Tempelbergs, welcher den Juden heilig ist. Das Gelände in der Altstadt Jerusalems steht unter israelischer Kontrolle. Palästinenser kritisieren, dass die Israelis ihnen den Zugang verweigern, und fordern mehr Rechte zur Nutzung.“

Was da als simpler „Streit“ firmiert, stellt sich in Wirklichkeit ganz anders dar. Die Behauptung, die Juden wollten den Tempelberg besetzen und die Aksa-Moschee zerstören, wird in der arabisch-muslimischen Welt schon seit 90 Jahren verbreitet. Dabei handelt es sich um nichts anderes als antisemitische Propaganda. Die Kontrolle über den Tempelberg wird nicht von Israel ausgeübt, sondern von der Waqf-Behörde, die dem in Ramallah ansässigen Ministerium für religiöse Angelegenheiten unterstellt ist, und die israelische Regierung hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie keinerlei Interesse hat, an diesem Status quo etwas zu ändern. Juden dürfen den Tempelberg, wie der Publizist Stefan Frank in einem Beitrag verdeutlicht, nur „unter strengen Auflagen als Touristen betreten – und selbst das nur zu bestimmten Zeiten. Beten dürfen sie nicht, und wenn sie auftauchen, werden sie beschimpft, mit ‚Allahu akbar!‘-Rufen attackiert, oft auch bespuckt, manchmal mit Steinen beworfen.“

Das ZDF strahlte unlängst in seiner Kindersendung „Logo!“ einen Beitrag aus, in dem die mörderischen Anschläge von Paris damit erklärt wurden, dass radikale Muslime in Frankreich arbeitslos und deshalb wütend seien und sich außerdem daran erinnerten, „w
as die Franzosen früher in ihren Kolonien, also ihren Heimatländern, Schreckliches gemacht haben“. Eine derartige Verharmlosung des Terrors ging vielen Zuschauern dann doch zu weit. Es kam zu Protesten, woraufhin der Sender das Stück aus seiner Mediathek entfernte. Ähnlich abstruse Beiträge über Israel dagegen zählen zum ganz normalen Repertoire der Medien und bleiben in aller Regel unbeanstandet. So sehen doppelte Standards aus.

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