Terror: Die Israelisierung der Welt

von Amotz Asa-El

Zwischen Orlando und Tel Aviv liegen ganze Weltmeere, und doch sind sich diese beiden flachen, feuchtwarmen Zentren der blühenden Kultur und Lebensfreude, die einst zwischen weiten Orangenhainen entstanden, gerade ein Stück nähergekommen, als sie innerhalb von drei Tagen Opfer zweier nicht miteinander in Zusammenhang stehender Terroranschläge wurden.

Auch in Tel Aviv werden, wenn auch weniger spektakulär als in Disneyworld oder Cape Canaveral, das Leben und das Abenteuer gefeiert. Besonders in Sarona, wo erst kürzlich zwei Reihen mit kastenförmigen Häusern zu einem eleganten, grünen Viertel mit gehobener Gastronomie, angesagten Boutiquen und hippen Cafés umgestaltet wurden. Diese werden von den imposanten Wolkenkratzern entlang der Ajalon-Schnellstrasse, der Hauptverkehrsader Tel Avivs, überragt.

Jeder Terroranschlag ist anders und das gilt auch für diese beiden, die letzte Woche in Sarona und Orlando stattfanden. Bei dem Anschlag in Orlando brachte ein Mann fünfzig Menschen in einem Nachtclub um, der in Sarona wurde von zwei Männern in einem Café verübt, forderte vier Todesopfer und war nicht von Homophobie geprägt wie der Angriff in den USA.

Dennoch stehen beide Anschläge für dasselbe Übel, weil die Täter von demselben Islamismus getrieben wurden, der zur grössten Bedrohung für die weltweite Stabilität geworden ist.

Aus der Perspektive des israelischen Überlebenskampfes ist dieser globale Kontext relativ neu.

Zwar war der arabisch-israelische Konflikt oft Bestandteil des Kalten Krieges und überschritt somit die Grenzen seines eigentlichen Schauplatzes, doch die Gewalt, der sich die Israelis ausgesetzt sahen, war im Grossen und Ganzen ihre ganz eigene, unvergleichliche Erfahrung, sowohl aus ihrer Sicht als auch aus Sicht der Anderen.

Israel war das einzige westliche Land, das in der Nachkriegszeit konventionelle Militärangriffe auf eigenem Boden erfuhr. Doch dann erfolgte ein Wandel in zwei Stufen: Erst waren die Angriffe auf Israel nicht mehr konventioneller Art, und dann wurden die unkonventionellen Angriffe allmählich Teil eines globalen Krieges.

Der letzte Krieg, in dem sich israelische Truppen Panzerdivisionen, Kampfflugzeugen und Artillerieeinheiten gegenübersahen, fand 1982 statt, als die IDF und die syrische Armee im Libanon gegeneinander kämpften. Heute herrscht entweder Frieden zwischen Israel und den umgebenden konventionellen Armeen oder diese sind tief in Bürgerkriege verstrickt.

Anstelle von Kampfflugzeugen und Panzern sieht sich Israel nun einer terroristischen Bedrohung ausgesetzt, die, obwohl sie bis auf das Jahr 1929 zurückgeht, im vergangenen Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichte, als die Palästinenser Selbstmordattentäter als strategische Waffe einsetzten.

In den Neunzigerjahren schien dies noch vorrangig das Los Israels zu sein, doch ab 2001 wurde es immer stärker als Problem der ganzen Welt erkannt. Was mit den Attentaten vom 11. September in New York begann, breitete sich später bis nach London, Madrid, Brüssel, Moskau, Kairo, Mumbai, Nairobi, Bangkok, Bali, Sydney, Ottawa und sonst wohin aus – bis klar war, dass in Bezug auf den islamistischen Terror die Situation Israels nur ein Detail eines Problems ist, das weite Teile der Welt umspannt.

Angesichts der Millionen Menschen, die nun weltweit an Flughäfen, und zunehmend auch in Kinos, Museen und grossen Geschäften, abgetastet, gefilmt und durchleuchtet werden, haben die Israelis das Gefühl, dass die Kultur des Leugnens, die sich in Barack Obamas Weigerung äussert, den Islamismus als Ursache hierfür zu nennen, zum Anachronismus geworden ist.

Der normale Mensch, der beim Vorzeigen der Bordkarte aufgefordert wird, seine Schuhe auszuziehen, kennt die Wahrheit – nämlich, dass ihm dies widerfährt, weil Islamisten wie jene, mit denen Israel seit Jahrzehnten zu tun hat, es jetzt auch auf den Rest der Menschheit abgesehen haben.

Aus eben diesem Grund klingt auch die Verurteilung des Attentats in Sarona durch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) als Ereignis „in einem regionalen sicherheitspolitischen Umfeld, das durch das Wiederaufflammen der Gewalt geprägt ist“ für die israelische Bevölkerung so ausweichend, tendenziös und fern jedes Bezugs zu der dem Islamismus innewohnenden Weigerung, den Grundsatz der Religionsgleichheit und das Ideal des politischen Kompromisses anzuerkennen.

Ein Alleinstellungsmerkmal Israels in diesem Zusammenhang ist seine Erfahrung im Umgang mit dem Terror auf all seinen Ebenen: Geheimdienste, präventive Kriegsführung, Veranstaltungssicherheit, Umgang mit Menschenmengen und Opferversorgung.

So entsteht aus diesem angesammelten Wissen gerade, zu Israels eigener Verwunderung, eine neue Einkommensquelle, da Dutzende Länder ihre Experten in den jüdischen Staat schicken, damit sie dort Taktiken erlernen und Technologien zur Terrorbekämpfung erwerben.

Es ist ein Trend, der auf das Jahr 2001 zurückgeht, als die Stadt New York nach dem Zusammenbruch des Notrufsystems bei den Anschlägen vom 11. September den israelischen Hersteller von Automatisierungskomponenten M-system mit der Modernisierung der Strukturen im Big Apple beauftragte.

Weiter östlich begann Indien nach seinen eigenen islamistischen Anschlägen, in solchem Umfang Technologie aus Israel einzukaufen, dass es zum grössten Kunden der israelischen Verteidigungsindustrie wurde. Noch weiter östlich bekundete Südkorea Interesse am Erwerb des Raketenabwehrsystems Iron Dome, da man es gegen die Artillerie der Hamas in Aktion erlebt hatte und ähnliche Angriffe auf Seoul von Nordkorea aus befürchtete.

Israel ist durch seinen Kampf gegen den Terror gleichzeitig zu einem der grössten Entwickler und Lieferanten von Überwachungstechnik zur Stimmerkennung, Video-Entschlüsselung, Drohnenaktivierung und Bombenerkennung sowie zum Experten für die Ausbildung und den Einsatz ziviler Sicherheitskräfte geworden.

Einige der alten jüdischen Weisen sagten, dass die Sorgen vieler – im Gegensatz zu den Sorgen einiger weniger – ein halber Trost sind, während andere meinten, die Sorgen vieler seien ein Trost für Narren.

Was den Terror anbelangt, so scheint der Wandel von den riesigen Opferzahlen konventioneller Kriege hin zu punktuellen Attacken wie dem Anschlag in Sarona ein halber Trost zu sein, während der Wandel vom örtlich begrenzten Krieg der Wenigen zum globalen Krieg der Vielen – ein Trost für Narren ist.

Amotz Asa-El, ehemals Chefredakteur der Jerusalem Post, ist leitender Berichterstatter der Jerusalem Post und Referent für Nahost- und jüdische Angelegenheiten. Quelle: Audiatur-Online.ch

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