Von Alex Feuerherdt
Die neuerlichen Ausschreitungen am Tempelberg sind keine Folge israelischer Repressalien gegen Muslime, sondern das Resultat antisemitischer Propaganda. Sie richten sich nicht gegen Metalldetektoren oder Überwachungskameras, sondern gegen die Existenz des jüdischen Staates. Nicht wenige Medien billigen den Gewalttaten jedoch einen rationalen Kern zu.
Es mag müßig sein, die Nahostberichterstattung immer wieder einer Kritik zu unterziehen, doch sie widerspruchslos hinzunehmen, wäre nachgerade töricht. Die Geschehnisse des vergangenen Wochenendes in Jerusalem firmieren beispielsweise bei der öffentlich-rechtlichen deutschen Tagesschau als „Tempelberg-Streit“, die FAZ rubriziert sie unter „Krise am Tempelberg“, und Spiegel Online schreibt vom „Brennpunkt Tempelberg“. Streit, Krise, Brennpunkt – das sind äquidistante Begrifflichkeiten, mit denen folglich zum Ausdruck gebracht wird, dass an der neuerlichen Eskalation beide Seiten gleichermaßen schuld sein sollen, Israelis wie Palästinenser. Ausgewogen soll sich das anhören und damit irgendwie fair und gerecht. Es spiegelt aber nicht die Realität wider – obwohl es genau darum doch eigentlich zu gehen hätte –, sondern vernebelt sie vielmehr.
In Wirklichkeit wurden eine Woche zuvor zwei israelische Polizisten in der Nähe des Tempelbergs erschossen, von drei muslimischen Männern nämlich, die ihre Waffen zuvor auf eben diesem Tempelberg deponiert hatten. Jeder Staat würde nach einem solchen Ereignis selbstverständlich geeignete Maßnahmen ergreifen, um möglichst zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert. Metalldetektoren sind eine solche geeignete Maßnahme. In Israel gehören sie ohnehin zum Alltag, sie stehen beispielsweise am Flughafen, an Bahnhöfen, in Behörden, in Einkaufszentren. Und auch an den Zugängen zur Klagemauer in Jerusalem, also an der heiligsten Stätte des Judentums. Der Islam kennt solche Gerätschaften ebenfalls, etwa in Mekka. Niemand protestiert dagegen, niemand fühlt sich durch sie benachteiligt.
Am Tempelberg aber reagieren die Palästinenser auf die Metalldetektoren mit Ausschreitungen, die Tote und Verletzte zur Folge haben. Und das finden manche großen deutschen Medien nicht etwa absurd, sondern im Gegenteil durchaus nachvollziehbar: „Die Palästinenser fürchten, dass Israel durch die veränderten Sicherheitskontrollen Muslimen den Zugang zur Al-Aqsa-Moschee erschwert und dadurch immer mehr Kontrolle über das Plateau erlangt“, schreibt zum Beispiel die FAZ. In der Süddeutschen Zeitung heißt es: „Es mag nach einer kruden These klingen, dass Israel versucht, den Tempelberg Schritt für Schritt unter seine Kontrolle zu bringen, bis es allein entscheidet, wer wann hierher darf. Die Vorstellung aber passt perfekt in die Erfahrungswelt vieler Palästinenser.“
Antisemitische Propaganda mit mörderischen Folgen
Vorbereitet und begleitet werden solche Attacken stets mit antisemitischer Propaganda: vonseiten des jeweils amtierenden Großmuftis von Jerusalem, vonseiten der Hamas, vonseiten der Autonomiebehörde und ihres Präsidenten Mahmud Abbas, der, um nur ein Beispiel zu nennen, vor knapp zwei Jahren im offiziellen Fernsehsender der PA sagte: „Die Al-Aksa-Moschee gehört uns, die Grabeskirche gehört uns. Sie [die Juden] haben kein Recht, sie mit ihren dreckigen Füßen zu beschmutzen. Wir werden ihnen das nicht erlauben, und wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um Jerusalem zu beschützen. […] Wir segnen jeden Tropfen Blut, der für Jerusalem vergossen wurde. Es ist sauberes und reines Blut, Blut, das für Allah vergossen wurde, so Allah es will. Jeder Märtyrer wird das Paradies erreichen, und jeder Verwundete wird von Allah belohnt werden.“
Angesichts dieser omnipräsenten Hetze ist es keine Überraschung, wenn ein 19-jähriger Palästinenser im Westjordanland eine jüdische Familie in deren eigener Wohnung beim Sabbatmahl abschlachtet, nachdem er zuvor auf Facebook angekündigt hat, für die Al-Aksa-Moschee töten und selbst sterben zu wollen. Die Mutter des Täters ist übrigens stolz auf ihren Sohn, wie sie selbst sagt, und verteilt Süßigkeiten an Gäste, die das Attentat lobpreisen. Den Vater lässt die Tagesschau erst einfühlsam seine Tränen aus dem Gesicht wischen und dann die antisemitischen Lügen wiederholen, die der Sohn zur Rechtfertigung seiner Morde angeführt hat. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass die Hamas in Person ihres Anführers Ismail Haniya den Eltern zur Bluttat ihres Sprösslings gratuliert hat.
Israel soll immer der Aggressor sein
Gerade die Raserei des Mobs aus nichtigstem Anlass macht deutlich, wie sehr Hass gegen Juden der Antrieb ist und wie wenig es braucht, um den Mob zum Rasen zu bringen. Inzwischen sind die Metalldetektoren wieder abgebaut worden, stattdessen soll eine andere Technologie zum Einsatz kommen, um den Schmuggel von Waffen auf den Tempelberg zu verhindern; gedacht ist etwa an hochauflösende Kameras. Dennoch rufen muslimische Führer dazu auf, den Boykott des Tempelbergs und die Proteste fortzusetzen – ja zu intensivieren. Das heißt: Es sind schlicht keine Sicherheitsmaßnahmen des jüdischen Staates denkbar, die nicht als israelischer Versuch, den Tempelberg zu erobern, gewertet werden würden. Israel kann sich in dieser Logik gar nicht verteidigen, es ist immer der Aggressor, egal, was seine Regierung unternimmt.
Diese Haltung nicht eindeutig als antisemitisch zu benennen, sondern stattdessen eine „Erfahrungswelt“ geltend zu machen, der „Furcht“ der Palästinenser rationale Motive zuzubilligen oder dem jüdischen Staat gar, wie auf Zeit Online geschehen, die Hauptverantwortung für die „Eskalation“ zuzuschreiben, ist eine Verdrehung von Ursache und Wirkung sowie von Tätern und Opfern. Man stelle sich vor, jemand schriebe mit Blick auf das Jahr 1933: „Es mag nach einer kruden These klingen, dass die Juden versucht haben, die Welt Schritt für Schritt unter ihre Kontrolle zu bringen, bis sie allein entscheiden, was auf ihr geschieht. Die Vorstellung aber passte perfekt in die Erfahrungswelt vieler Deutscher.“ Eine solche Aussage würde man zu Recht mindestens eine Verharmlosung des Antisemitismus nennen, eher noch eine Kumpanei mit ihm. Geht es aber um Israel und die Palästinenser, sind derartige Sätze keine Seltenheit.
Judenmord zahlt sich aus
Dazu passt auch, dass die PA für das Jahr 2017 das Budget für Zahlungen an verurteilte Terroristen und an die Familien von als „Märtyrer“ gepriesenen getöteten Terroristen noch einmal massiv erhöht hat. Insgesamt beläuft sich die Entlohnung von antisemitischen Terrorakten allein in diesem Jahr auf über 350 Millionen Dollar. Diese Gelder können nur dank der großzügigen internationalen Zuwendungen an die Autonomiebehörde fließen, die nicht zuletzt aus Europa kommen. Darauf angesprochen, argumentiert die deutsche Bundesregierung allen Ernstes, die Zahlungen hätten lediglich den „Charakter einer Sozialhilfe“. Honni soit qui mal y pense.