Tempelberg-Besuch: Israels UN-Botschafter spottet über UNO-Sicherheitsrat

Gilad Erdan: Über Nacht muss Weltfrieden ausgebrochen sein
Gilad Erdan: Über Nacht muss Weltfrieden ausgebrochen sein (© Imago Images / Sipa USA)

Die Entscheidung des UNO-Sicherheitsrats, eine Dringlichkeitssitzung abzuhalten, führte beim israelischen UN-Botschafter Gilad Erdan zu einer sarkastischen Replik.

Mike Wagenheim

Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen sagte, er sei »überglücklich« gewesen, als er hörte, dass der UN-Sicherheitsrat am Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung wegen des »ruhigen, geordneten, ereignislosen« Besuchs eines israelischen Regierungsministers auf dem Jerusalemer Tempelberg abhalten würde. »Ich dachte mir, wenn dieses wichtige Gremium zusammentritt, um eine so triviale Angelegenheit zu besprechen, dann haben wir offensichtlich über Nacht den Weltfrieden erreicht«, meinte Gilad Erdan.

Während Erdan über die Entscheidung des Rates spottets, der Forderung der Palästinenser nach einer Diskussion über diese Angelegenheit nachzugeben, überrascht es nicht, dass ein Großteil der übrigen Ratsmitglieder Erdans Standpunkt zum Besuch des israelischen Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, an der heiligsten Stätte des Judentums, die aufgrund der dortigen Al-Aqsa-Moschee als Brennpunkt des Konflikts mit den Palästinensern gilt, nicht teilte.

Der US-Diplomat Robert Wood sagte vor dem Sicherheitsrat: »Wir sind besorgt über alle einseitigen Handlungen, die die Spannungen verschärfen oder die Durchführbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung untergraben.« Er fügte hinzu, die USA unterstützten entschieden »die Bewahrung des historischen Status quo in Bezug auf die heiligen Stätten in Jerusalem, insbesondere auf dem Tempelberg Haram al-Sharif«, wobei der jüdischen und muslimischen Namen für den Ort anführte. »In diesem Sinne lehnen wir alle einseitigen Handlungen ab, die vom historischen Status quo abweichen und damit inakzeptabel sind«, sagte Wood und erklärte, Washington erwarte von der neuen israelischen Regierung, sich an Netanjahus Zusage zum Status quo zu halten.

Gilad Erdan wiederum wies darauf hin, Ben-Gvir habe den Tempelberg während eines für die Besuche von Nichtmuslimen freigegebenen Zeitraums über den einzigen Eingang betreten, über den Juden Zutritt haben. Außerdem sei er mit Ausnahme seiner Security allein gewesen und habe keinen Versuch unternommen, zu beten – habe sich also in voller Übereinstimmung mit dem Status quo befunden. 

Provokanter Besuch?

Erdan machte weitere Ausführungen über den Tempelberg und dessen Status quo und sagte, Israel habe nicht nur den Status quo nicht angetastet, sondern habe »auch nicht vor, dies zu tun. Die einzige Seite, die die Situation verändert, ist die Palästinensische Autonomiebehörde. Und warum? Weil sie, indem sie die Stätte in ein Schlachtfeld verwandelt, deutlich macht, dass nicht nur das jüdische Gebet auf dem Tempelberg für sie unerträglich ist, sondern auch jede jüdische Präsenz.«

Erdan bezeichnete die Behauptungen des Gesandten der Palästinensischen Autonomiebehörde bei den Vereinten Nationen, Riyad Mansour, der Tempelbergkomplex sei als heilige Stätte ausschließlich Muslimen vorbehalten, als »lupenreinen Antisemitismus«.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die gemeinsam mit China, Frankreich und Malta zu der Sicherheitsratssitzung aufgerufen hatten, bezeichneten Ben-Gvirs Besuch als unter dem Schutz israelischer Streitkräfte stattfindenden »Sturm auf die Al-Aqsa-Moschee«. Der stellvertretende Botschafter der VAE, Mohamed Abushahab, und der jordanische Botschafter Mahmoud Hmoud bezeichneten den Besuch als »provokativ« und als Verstoß gegen den historischen Status der Stätte.

Der russische UN-Botschafter, Vassily Nebenzia, äußerte sich »ernsthaft besorgt« über Ben-Gvirs Visite und fügte hinzu, er hoffe, die neue israelische Regierung werde »nicht den Weg der Eskalation einschlagen«. Russland hat sich in den letzten Monaten bei den einschlägigen Sitzungen des Sicherheitsrates besonders feindselig gegenüber Israel verhalten, da es über die Kritik der Vorgängerregierung an Moskaus Einmarsch in der Ukraine verärgert war. Der neue israelische Außenminister Eli Cohen sagte diese Woche, die neue Regierung habe noch keine fixe Politik gegenüber den Russen entwickelt, obwohl Netanjahu und der russische Präsident Wladimir Putin seit jeher freundschaftliche Beziehungen pflegen.

Aus der Dringlichkeitssitzung am Donnerstag gingen weder eine Resolution noch eine gemeinsame Erklärung der fünfzehn Mitglieder des Sicherheitsrates hervor. Analysten hatten vorausgesagt, die USA würden solche Maßnahmen verhindern, da sie die einseitige Kritik, der Israel in der UNO ausgesetzt ist, nicht noch verstärken wollen. Am 18. Januar wird der Sicherheitsrat seine vierteljährliche offene Debatte über den israelisch-palästinensischen Konflikt abhalten.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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