Der Schlüssel zu einer langfristigen Lösung liegt eher in Damaskus als in Beirut, und zwar in einer umfassenden Einigung mit dem neuen syrischen Regime.
Yaakov Lappin
Nach dem Ende des direkten Kriegs zwischen Israel und dem Iran versuchen die Vereinigten Staaten, die Schwäche des Teheraner Schutzherrn der Hisbollah zu nutzen, um einen konkreten Entwaffnungsprozess im Libanon voranzutreiben. Der von internationalen Medien als Schritt-für-Schritt-Plan bezeichnete amerikanische Rahmen verknüpft einen möglichen Rückzug Israels aus umstrittenen Grenzgebieten mit der Übernahme der Kontrolle über die verbleibenden illegalen Waffenarsenale der Hisbollah durch die libanesischen Streitkräfte (LAF).
Diese diplomatische Initiative bewegt sich in einem neuen regionalen Umfeld. Die Schwächung der militärischen Fähigkeiten des Irans, die auf die massive Reduktion der Hisbollah durch Israel im September und Oktober 2024 folgte, hat lokale politische Akteure im Libanon ermutigt, die sich seit Langem gegen den Staat im Staate der Hisbollah stellen. So bekennt sich die libanesische Regierung unter Premierminister Nawaf Salam öffentlich zur staatlichen Souveränität und zum Gewaltmonopol des Staates.
Skeptischer Experte
Bislang war es jedoch vor allem die Feuerkraft Israels und nicht der interne Druck im Libanon oder diplomatische Bemühungen, welche die Hisbollah daran hinderte, ihre Ressourcen wieder aufzubauen. Der Nahost-Experte am Jerusalem Center for Security and Foreign Affairs und ehemalige stellvertretende Leiter des israelischen Militärgeheimdienstes Jacques Neriah äußerte sich skeptisch hinsichtlich der Aussichten auf substanzielle Maßnahmen der libanesischen Armee: »Es gibt ein arabisches Sprichwort, das gut zur libanesischen Realität passt: Mit Worten allein baut man kein Haus, oder, wie wir auf Hebräisch sagen: Zwischen Reden und Handeln liegt ein langer Weg.«
Man sollte keine allzu harten Maßnahmen der libanesischen Armee gegen die Hisbollah erwarten, denn »es ist für alle klar, dass die Hisbollah alles tut, um ihre Waffen zu verstecken und sich der Kritik bewusst ist, die gegen sie laut wird. Sie ist völlig von Teheran abhängig, das sie auffordert, sich den amerikanischen Forderungen nicht zu beugen. Die Übergabe ihrer Waffen würde die Rolle der Hisbollah zunichte machen und ihr keinen Halt im libanesischen politischen System mehr lassen.«
Laut Neriah ist der einzige Faktor, der die Gleichung wirklich verändern kann, der anhaltende militärische Druck seitens Israels: »Je stärker die Hisbollah unter Druck gerät, desto lauter werden die Stimmen gegen sie im Libanon. Aktuell scheint es immer noch nicht möglich, sie zu beugen, obwohl der militärische Druck Israels sie weiterhin in Schach halten wird.«
Diese Einschätzung scheint durch die öffentliche Haltung der Hisbollah bestätigt zu werden. Am 1. Juli lehnte deren Vertreter Muhammad Qamati ausdrücklich jeden Schritt-für-Schritt-Plan ab und bestand darauf, dass Israel zunächst die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats vollständig umsetzen müsse, die nach dem Zweiten Libanonkrieg 2006 die Entwaffnung der Hisbollah südlich des Litani-Flusses forderte – eine Resolution, gegen die die Terrororganisation selbst seit fast zwei Jahrzehnten verstößt.
Systemische Maßnahmen
Der ehemalige Militärgeheimdienstoffizier und Ex-Chef der Forschungsabteilung des israelischen Sicherheitsdienstes Shin Bet Barak Ben-Zur erklärte, der Schlüssel zu einer langfristigen Lösung liege nicht in Beirut, sondern in Damaskus, und zwar in einer umfassenden Einigung mit dem neuen Regime unter Ahmad al-Sharaa.
Die beiden zuvor genannten Schritte zum Umgang mit der militärischen Stärke der Hisbollah – eine schrittweise Übernahme ihrer Ressourcen durch die libanesische Armee und gezielte IDF-Operationen – seien nur »Maßnahmen auf operativ-taktischer Ebene«. Es liege dementsprechend »auf der Hand, dass Maßnahmen auf systemischer Ebene, die auf eine politische und sicherheitspolitische Einigung vor allem mit der neuen syrischen Führung abzielen, wichtiger sind. Das Erreichen einer Vereinbarung, selbst, wenn es sich [statt eines vollständigen Friedensschlusses bloß] um einen Nichtangriffspakt handelt, der politische Aspekte, wirtschaftliche Maßnahmen und Sicherheitszusammenarbeit umfasst, ist ein Schritt, der für die Zukunft der Hisbollah von entscheidender Bedeutung ist.«
Laut Ben-Zur würde ein solches Abkommen ein großes Hindernis für die Rehabilitierung der Hisbollah in ihrem früheren Status als bewaffnete, vom Iran unterstützte Organisation darstellen, welche die Politik des Libanons diktiert und Israel bedroht. »Die Herstellung einer Beziehung der beschriebenen Art zwischen Syrien und Israel wird es ermöglichen, den iranischen Einfluss und dessen Umsetzung in praktische Politik vor Ort zunichtezumachen.«
Der Experte wies darauf hin, dass die Zerschlagung des iranischen Vorausaufklärungs- und Luftabwehrnetzes in Syrien und im Libanon, welches das iranische Luftabwehrnetz mit Frühwarnungen versorgen und Teheran kontinuierlich mit Informationen über israelische Luft- und Bodenaktivitäten informieren konnte, einer der entscheidenden Faktoren für den Überraschungsangriff Israels auf die Islamische Republik am Morgen des 13. Juni war. Eine israelisch-syrische Einigung, die von den USA unterstützt wird und mit saudischen Investitionen für den raschen Wiederaufbau Syriens verbunden ist, würde diese neue Realität festigen.
Ben-Zur meinte, ein solches Abkommen würde zwar eine Flexibilität Israels in der Palästinafrage erfordern, aber die Grundlagen, einschließlich Entwürfe und Absichtserklärungen aus früheren Verhandlungen mit Syrien, seien bereits vorhanden. Viele Stimmen in Israel stehen dem Übergangspräsidenten al-Sharaa jedoch weiterhin zutiefst misstrauisch gegenüber.
Einigkeit herrscht innerhalb der israelischen Führung jedoch darüber, dass die Zerschlagung eines Großteils der Hisbollah-Ressourcen im Libanon ein entscheidender Schritt war, um den Kopf der radikalen Dschihad-Achse selbst, den Iran, anzugehen. »Ich denke, eine der größten Errungenschaften, die wir nach der Katastrophe vom 7. Oktober 2023 erzielt haben, ist die Zerschlagung der Hisbollah und der Hamas. Der Iran hat aus genau diesem Grund über Jahre hinweg Milliarden von Dollar in die Unterstützung der Hisbollah investiert«, erklärte IDF-Sprecher Effie Defrin am 30. Juni während eines Webinars, das vom Jewish Institute for National Security of America mit Sitz in Washington veranstaltet wurde. Die Iraner hätten darauf gezählt, dass ihre Terrorstellvertreter »die erste Verteidigungslinie für den Iran darstellen. Doch sie haben nicht reagiert.«
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel, hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)