Erweiterte Suche

Taliban: Der Rückschritt vom Fortschritt

Afghanenen in London demosntrieren gegen die Taliban
Afghanenen in London demosntrieren gegen die Taliban (© Imago Images / ZUMA Wire)

Es ist keine Woche vergangen, nachdem die afghanischen Taliban ihre Ankündigung, Mädchen den Schulbesuch zu erlauben, wieder zurückgenommen haben.

So manches Mal weiß man wirklich nicht mehr, was alles noch geschehen muss, um bestimmte Gruppen westlicher Erdbewohner aus ihren emanzipatorischen Träumereien herauszuholen, damit sie endlich die bittere Realität zur Kenntnis nehmen. So schrieb eine wahrscheinlich weibliche Posterin unter dem eher selbstgefälligen Nickname »erstkundigmachen« zu einem Artikel in der Wochenzeitschrift Die Zeit am 18. März, der die Öffnung afghanischer Schulen für Mädchen ankündigte, folgenden Kommentar:

»Wenn Mädchen wieder Schulen besuchen dürften, wäre das schon mal ein großer Fortschritt. Vielleicht ist den Taliban bewusst geworden oder einfach nur aufgefallen, was von Frauen geleistet und zum Gelingen des Staates beigetragen haben.«

Vielleicht ist diese Wortmeldung aber auch zynisch gemeint, was in diesem Zusammenhang geradezu wünschenswert wäre. Denn heute haben die Taliban – wieder einmal – bewiesen, welch Geistes Kind sie sind: Sie haben keinen.

Noch vor einer Woche, sieben Monate nach der Machtübernahme durch die Taliban, verkündete vollmundig der Sprecher des afghanischen »Bildungsministeriums«, Asis Ahmad Rajan, dass »alle Schulen für Jungen und Mädchen« geöffnet werden, selbstverständlich unter strikter Geschlechtertrennung.

Heute zog die Taliban-Führung dieses Vorhaben wieder zurück und schickte alle Mädchen, die in ihren Klassen auf den Unterrichtsbeginn gewartet hatten, wieder nach Hause.

More of the same

Schon während der Taliban-Herrschaft in den Jahren 1996 bis 2001 war es der weiblichen Bevölkerung verboten gewesen, Schulen und weiterführende Bildungseinrichtungen zu besuchen bzw. Berufe auszuüben.

Afghanistan ist unter der neuerlichen Herrschaft der Taliban in kürzester Zeit zu einem bitterarmen Land verkommen. Durch die Verbannung der Frauen von ihren Arbeitsplätzen und die massenhafte Verhaftung vieler Bürger aus ideologischen Gründen sind Tausende Stellen unbesetzt, wodurch in Folge auch die rudimentärste Infrastruktur zum Erliegen gebracht wurde.

Die Preise für die grundlegendsten Nahrungsmittel explodieren, das Angebot wird immer dürftiger, das Volk hungert, die medizinische Versorgung ist de facto inexistent. Praktisch alle Medien wurden verboten, Journalisten verfolgt und getötet, und das Land von jeglichen Informationen von Außen abgeschnitten worden.

Es gibt kaum einen Staat, der die neuen alten Machthaber in Afghanistan als souveräne, legitime Herrschaft anerkennt. Das (westliche) Ausland verweigert jegliche finanzielle Unterstützung, zumindest solange die Unterdrückung der afghanischen Frauen nicht revidiert würde.

Wer also geglaubt hat, die Taliban hätten ihr auf dem Recht der Scharia zugrundeliegendes archaisches Gedanken- und Lebenskonstrukt zugunsten eines moderneren Weltbildes aufgegeben, ist heute aus seinen idealistischen Träumen bitter erwacht.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!