In Syrien tagte diese Woche zum ersten Mal die »Nationale Dialogkonferenz«. Herausgekommen ist dabei wenig mehr als eine Legitimation der neuen Machthaber.
Am Montag und Dienstag fand im ehemaligen Präsidentenpalast von Baschar al-Assad in Damaskus die erste Sitzung der sogenannten »Nationalen Dialogkonferenz« statt, die vom mittlerweile zum Übergangspräsidenten ernannten HTS-Führer Ahmed al-Sharaa im Dezember angekündigt worden war. Damals wurde betont, dass Vertreter aller Teile der syrischen Gesellschaft an der Konferenz teilnehmen würden, um so eine Basis für Konsensbildung und Versöhnung zu bieten. An den zwei Tagen sollte laut den Organisatoren in parallelen Arbeitsgruppen über die Themen Übergangsjustiz, Verfassungsstruktur, institutionelle Reform, persönliche Freiheiten, Zivilgesellschaft und wirtschaftliche Grundsätze debattiert werden.
Schon die Art der Durchführung des ersten Treffens dieser Dialogkonferenz nährte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der schönen Ankündigungen. Der Termin wurde beinahe überstürzt festgesetzt, die Einladungen dafür erst am Tag vor dem Beginn der Veranstaltung ausgeschickt. Damit wurde nicht nur Syrern, die aus dem Ausland anreisen hätten müssen, sondern auch solchen aus entlegeneren Teilen des Landes de facto die Teilnahme verunmöglicht.
Das Institute for the Study of War (ISW) gab darüber hinaus zu bedenken, die mit zwei Tagen knapp bemessene Dauer der Konferenz werde »keine sinnvolle Diskussion über Pläne für die Zukunft Syriens ermöglichen. Dies könnte dazu führen, dass auf der Konferenz nur wenige Entscheidungen getroffen werden und große Teile der syrischen Bevölkerung nicht vertreten sind.«
Von drusischer, vor allem aber auch von kurdischer Seite, wurden die Art der Durchführung des Treffens als auch die Auswahl der eingeladenen Teilnehmer kritisiert – die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte, die einen beträchtlichen Teil des Ostens Syrien kontrollieren, waren beispielsweise gar nicht vertreten.
Abschlusserklärung
An der Veranstaltung sollen syrischen Medien zufolge schließlich über fünfhundert Menschen vor Ort und mehrere Tausend virtuell teilgenommen haben. Was an den zwei Tagen im Detail besprochen wurde, wird erst wirklich nachvollzogen werden können, wenn, wie angekündigt, ein detaillierter Bericht über die Konferenz veröffentlicht wird.
Sie ging am Dienstag jedenfalls mit einer unverbindlichen Abschlusserklärung zu Ende, die achtzehn wenig aussagekräftige Empfehlungen an die Übergangsregierung enthielt. Gefordert wurden darin unter anderem:
- Nationale Einheit und unteilbare Souveränität über das gesamte Land und sämtliche bewaffneten Gruppierungen, also eine Absage an jegliche Überlegungen über eine Dezentralisierung und Föderalisierung des Landes;
- Beschleunigung der Bildung eines Verfassungsausschusses, der eine neue Verfassung ausarbeiten soll, in der Gewaltenteilung, Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit als syrische Werte verankert sein sollen;
- Achtung der Menschenrechte einschließlich jener der Frauen, und das Verbot von Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion oder Sekte;
- Rückzug Israels aus den Pufferzonen, die Israels Armee nach dem Sturz Assads auf syrischem Territorium eingerichtet hat.
Alle diese Forderungen entsprechen jenen Inhalten, die Ahmed al-Sharaa und die Übergangsregierung in den vergangenen Monaten immer wieder betont haben. Die gesamte Veranstaltung und deren Abschlusserklärung dienen der Analyse des ISW zufolge in erster Linie dazu, die Aktivitäten der neuen Machthaber zu legitimieren, die sich jetzt darauf berufen können, bei ihrem Vorgehen doch eine breite Masse von Syrern konsultiert zu haben.
Der nächste Schritt wird in der Einberufung des Ausschusses zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bestehen. An deren Zusammensetzung wird sich zeigen, ob der von al-Sharaa angestoßene Prozess mehr ist als ein bloßes Feigenblatt, um der bislang tatsächlich in keiner Weise demokratisch legitimierten Neuordnung des Staates den Anschein von Legitimität zu geben.