Besonders kurdische und jesidische Frauen in der Region Afrin werden zu Opfern der mit der Türkei verbündeten Milizen der „Syrischen Nationalen Armee“.
Jonathan Spyer, Jerusalem Post
Das im Nordwesten Syriens gelegene, türkisch kontrollierte Gebiet Afrin ist für ausländische Journalisten weitestgehend unerreichbar. Türkische Streitkräfte besetzten Afrin Ende 2018 in einer Militäroperation namens „Olivenzweig“ und zerstörten die kurdische Verwaltung, die zuvor dort geherrscht hatte.
Seitdem wird Afrin von einer Koalition syrischer arabisch-sunnitischer Islamisten regiert, hinter denen die türkischen Behörden die eigentliche Macht darstellen. Erhebliche türkische Investitionen in die Infrastruktur des Gebiets sowie die eingefrorene Diplomatie des Syrienkonflikts lassen vermuten, dass diese aktuelle Situation nicht so schnell ein Ende finden wird.
Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass in der Region Afrin systematisch schwere Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Die Situation wird sowohl von den globalen Medien als auch von den westlichen Regierungen weitgehend ignoriert.
Laut Jiger Hussein, einem Flüchtling aus Afrin, der jetzt ein Untersuchungsteam koordiniert, das Fälle von Entführung und Verschleppung in Nordsyrien untersucht, „haben wir handfeste Belege, für Beteiligung der türkischen Behörden und der mit ihnen verbündeten extremistischen Milizen an den Verbrechen, die im türkisch besetzten Afrin stattfinden – darunter Vergewaltigung, Menschenhandel und Folter bis zum Tod.“ (…)
Nach der Vertreibung von mehr als 50% der kurdischen Bevölkerung aus Afrin hat die Türkei die Ansiedlung von syrisch-arabischen Flüchtlingen aus den Regionen Ghouta (nahe Damaskus) und Deir al-Zor sowie aus dem Gouvernement Aleppo in Angriff genommen. Rund 100.00 Menschen haben sich seit dem Abschluss der Operation „Olivenzweig“ in dem Gebiet niedergelassen.
Die Lebensbedingungen unter der Herrschaft der Türkei und ihrer islamistischen Hilfstruppen der „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA) bleiben für die verbliebene kurdische und jesidische Bevölkerung in Afrin prekär. Dabei ist wichtig zu betonen, dass die SNA trotz ihres Namens keine eigenständige syrische Militärformation ist. Vielmehr handelt es sich bei dieser 70.000 Mann starken Truppe um die Überreste des sunnitisch-arabischen Aufstands im Norden Syriens, der heute von den türkischen Behörden organisiert, bewaffnet, finanziert und direkt kontrolliert wird.
Weit verbreitete und offenbar systematische Angriffe auf kurdische und jesidische Frauen sind dabei ein besonderes Merkmal der von der Türkei unterstützten islamistischen Milizen. (…) Eine NGO, die eigens gegründet wurde, um die Situation der Frauen in Afrin zu dokumentieren, stellte die Entführung von 88 Frauen durch türkisch unterstützte bewaffnete Gruppen im Laufe des Jahres 2020 fest. Im Januar 2021 war laut der Website der Organisation (missingafrinwomen.org) der Verbleib von 51 dieser Frauen noch unbekannt.
(Aus dem Artikel „Turkish-controlled Islamist militia’s ravaging of Afrin“, der in der Jerusalem Post erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)