Von Thomas von der Osten-Sacken
Vor über zehn Jahren verbrachte ich einen Tag mit Dissidenten der PKK, die in der Nähe der irakisch-kurdischen Stadt Suleymaniah lebten. Es waren beeindruckende Frauen und Männer, die teilweise jahrelang in den Bergen gekämpft hatten, weil sie überzeugt von den Zielen der PKK und ihres Anführers Abdullah Öcalan waren – dann aber im Laufe der Zeit merkten, dass es eine tiefe Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit gab. Irgendwann entschieden sie, der Organisation den Rücken zu kehren, in die Türkei konnten sie nicht zurück, von der PKK wurden sie wie Aussätzige behandelt, denn sie mag und kann mit Dissidenten aus den eigenen Reihen nicht umgehen.
Ich erinnere mich noch, wie eine der Frauen damals sagte, mit der Zeit hätte sie verstanden, dass die PKK eigentlich wie eine Söldnertruppe funktioniere und im Auftrag von Regierungen in der Region die Drecksarbeit leiste. Mal werde man aus Bagdad unterstützt – sie sprach von der Zeit Saddam Husseins –, mal aus Syrien und dem Iran. Es ginge um Geld und unschöne regionale politische Interessen.
Sicher, auch mir war bekannt, wie eng die Beziehungen der PKK zum alten Assad-Regime waren, dass es enge Kontakte zu Saddam Hussein gab und auch das Verhältnis mit dem Iran – also mit Ländern, die alle ihre kurdischen Bürger unterdrücken – immer gepflegt wurde. Und doch dachte ich mir, dass diese Frau ein wenig übertreibt. Und alle kurdischen Parteien pflegen zudem ja diese Art der Diplomatie: Der größte innerkurdische Rivale der PKK, die Kurdisch Demokratische Partei (KDP) und ihr Präsident Massud Barzani unterhalten schließlich seit langem ein enges Bündnis mit der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, während ihre Konkurrenz, die Patriotische Union Kurdistans (PUK), auf das Regime in Teheran baut.
Verfolgt man, wie in den vergangenen Jahren der syrische Ableger der PKK in Syrien, die PYD, es geschafft hat, sowohl mit den Russen, dem Assad-Regime und den USA gleichzeitig zu können; wie sie einerseits Moskau anbietet, in Rojava – dem von der PYD kontrollierten Gebiet in Nordsyrien – Militärflughäfen zu bauen, und wie sie andererseits mit US-Special Forces Seite an Seite kämpft, so scheint die Aussage der Dissidentin aus dem Jahr 2005 eine neue Bedeutung zu erhalten.
Sicher, es ließe sich einwenden, angesichts ihrer prekären Lage, umgeben von ihr feindlich gesonnenen Regierungen und nichtstaatlichen Akteuren betreibe die PYD eine hochintelligente Diplomatie, wäre da nicht die Geschichte der PKK, die eine ganz andere Sprache spricht. Und: Zu welchem Preis? Und für wie lange? Bislang gingen diese Bündnisse der PKK am Ende nie gut aus, es waren immer Kurden, die den Preis für diese Politik zahlen mussten. Nicht unbedingt die Führungsebene der PKK selbst, sondern die Zivilbevölkerung.
Zugleich ist es kaum verwunderlich, dass, wie sich nun herausstellt, die PYD auch noch beste Kontakte mit der Hisbollah unterhält. Man kennt sich schließlich auch von früher. In der libanesischen Bekaa-Ebene waren die beiden Organisationen lange Zeit Nachbarn. Und so schmerzhaft es für all jene sein mag, die hofften, mit der kurdischen Selbstverwaltung in Syrien begänne ein neues Kapitel, ja gar ein ganz neues Verhältnis etwa zu Israel: Leider bleibt sich die PKK in diesem Punkt wohl treu. Ihr gutes Verhältnis zu Teheran und seinen Satelliten in der Region wird sie so schnell nicht aufgeben.
„Zwei Hisbollah-Kommandanten machten öffentlich, dass sie während des letzten Jahres mit der kurdischen YPG-Miliz zusammengearbeitet haben. Das Assad-Regime stritt alle Vereinbarungen für eine solche Kooperation mit der YPG ab, da sie jede Form von kurdischer Autonomie in Syrien ausdrücklich ablehnt.
Dennoch erklärten die Hisbollah-Kommandanten, dass sie sich direkt mit den von den USA unterstützen Demokratischen Kräften Syriens, die von der YPG geführt werden, abgestimmt hatten, als diese in Nordsyrien gegen den Islamischen Staat vorgingen und sich Kämpfe mit syrischen Rebellen lieferten. ‚Wir teilen Geheimdienstinformationen … alles ‘, sagte einer der Kommandanten. ‚Diese Leute [die YPG] bedienen sich bei jedem, der ihren Interessen dienlich ist.“
Die Hisbollah dürfte es außerdem diebisch freuen, kann sie doch so einmal mehr der Welt demonstrieren, wie sie die USA am Nasenring durch die Manege führt. Das US-Militär teilt nämlich nachrichtendienstliche Erkenntnisse mit den Syrian Democratic Forces, die wiederum von der PYD kontrolliert werden, die wiederum von der PKK kontrolliert wird. Der Hauptfeind der Hisbollah, die in Syrien nach eigenen Angaben kämpft, um Assad an der Macht zu halten und damit ihrem Ziel: der Vernichtung Israels – „The ultimate goal of the is to end Israel’s existence“ – und der Errichtung von Theokratien nach dem Vorbild der Islamischen Republik Iran näher zu kommen, sind die syrischen Rebellen, die wiederum Assad stürzen wollen.