In Syrien haben der Bürgerkrieg und die Verhängung internationaler Sanktionen zu einer schweren Wirtschaftskrise geführt. Um die leeren Staatskassen wieder aufzufüllen, werden Hab und Gut oppositioneller Gefangener konfisziert.
Ein neuer Bericht der Gesellschaft der Häftlinge und Verschwundenen des Saidnaya-Gefängnisses (ADMSP), deren Aufgabe die Erforschung des Schicksals derjenigen ist, die »aufgrund von politischer Meinungsäußerung oder politischer Betätigung« verhaftet wurden, zeigt auf, dass das syrische Regime seit dem Jahr 2011 von den von ihm inhaftierten Vermögenswerte in Höhe von 1,375 Mrd. Euro beschlagnahmt hat. Dazu gehören Landbesitz, Immobilien, Geschäfte, aber auch Bargeld, Juwelen und andere mobile Besitztümer.
In seinem von The New Arab zitierten Bericht stützt ADMSP ihre Schätzung von knapp 1,4 Mrd. Euro auf eine ausführliche Erhebung unter 105 Gefangenen, deren Vermögen nach ihrer Internierung konfisziert worden war.
Eine große Zahl der Inhaftierungen fand nur aufgrund der oppositionellen Haltung der betroffenen Personen gegenüber dem syrischen Regime statt. Während der Proteste und des Krieges seit 2011 ließ Präsident Baschar al-Assad Hundertausende Zivilisten willkürlich verhaften, von denen sich laut dem Syrischen Netzwerk für Menschenrechte noch mindestens 132.667 in Haft befinden oder deren Aufenthaltsort unbekannt ist.
Nachdem sich das Land nach elf Jahren Krieg in einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise befindet, trifft die Enteignung die Menschen umso härter. Einer der Betroffenen in dem ADSMP-Bericht erzählt:
»Als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, wurde mir erst klar, dass ich weit mehr verloren hatte, als ursprünglich gedacht. Das Regime hat alles konfisziert, was wir besaßen, darunter unsere Häuser und Geschäfte.«
Ehemalige Gefangene, die an Protesten teilgenommen hatten, berichteten, gezwungen worden zu sein, Geständnisse zu unterschreiben, nach denen sie an Terrorismusaktivitäten beteiligt gewesen wären. Da sie ihre Unterschrift mit verbundenen Augen leisten mussten, sei ihnen nicht klar gewesen, zugleich auf ihre bürgerlichen Rechte und ihr Vermögen zu verzichten.
Wie ADMSP erklärt, begann das zusehends von der Finanzkrise gebeutelte Regime, das Vermögen von Gefangenen für eigene Zwecke einzuziehen, um die leeren Staatskassen aufzufüllen und die Folgen der Sanktionen abzufedern, welche die internationale Gemeinschaft wegen des brutalen Vorgehens gegen die Opposition verhängt hatte.
Diab Serrih, einer der Gründer von ADMSP, sagte gegenüber The New Arab, der aktuelle Bericht sei eine neuerliche Erinnerung an die »Brutalität und den Horror«, der dem syrischen Internierungssystem innerwohnt:
»Es ist offensichtlich, dass das syrische Regime die Vermögenskonfiszierungen als Instrument nutzt, um die Gefangenen zu bestrafen, und zwar noch lange, nachdem sie aus der Haft entlassen wurden. Sie erlauben es dem Regime, vorsätzlich den Willen der Gefangenen zu brechen, indem es ihnen ihr gesamtes Eigentum nimmt, während sie es dem Regime zugleich ermöglichen, von der Ausbeutung seiner eigenen Bevölkerung zu profitieren.
Unsere Rechercheergebnisse müssen die internationale Gemeinschaft anspornen, sowohl auf die Entlassung all jener zu drängen, die unrechtmäßig inhaftiert sind, als auch auf die Beendigung der kaltschnäuzigen Politik des Regimes, das Vermögen der Internierten zu beschlagnahmen.«