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Syrien: Ägypten bleibt vorsichtig und wahrt Distanz

Ägyptens Außenminister Badr Abdelatty. (© imago images/Kyodo News)
Ägyptens Außenminister Badr Abdelatty. (© imago images/Kyodo News)

Ägypten hat wegen schwerwiegender Sicherheitsbedenken noch keine Kontakte zur neuen syrischen Regierung aufgebaut.

Delegationen aus mehreren westlichen und arabischen Staaten sind bereits nach Damaskus gereist, um sich mit der neuen Regierung unter deren mit dem De-facto-Führer Ahmed Al-Sharaa (Kampfname Abu Mohammad al-Julani) bekannt zu machen. Ägypten hat im Gegensatz dazu noch große Zurückhaltung walten lassen und bislang weder eine Delegation nach Syrien geschickt noch die neue Regierung kontaktiert oder sich gar mit ihr getroffen. Kairo hat sich bis dato nicht eindeutig zur neuen Führung in Syrien und zu einer zukünftigen Zusammenarbeit mit ihr geäußert.

Die Haltung Kairos veranlasste den neuen syrischen Außenminister Asaad Hassan al-Shibani, die Initiative zu ergreifen. In einem Tweet auf X sagte er, Syrien »freue sich darauf, wichtige und strategische Beziehungen zu Ägypten aufzubauen, wobei die Souveränität der beiden Länder respektiert und nicht in ihre Angelegenheiten eingegriffen werde«.

Ägypten hat sich bisher mit Kontakten zu wichtigen Ländern in der Region begnügt, mit denen über die Zukunft Syriens gesprochen wurde. Es nahm am 14. Dezember auch an den Treffen des Arabischen Ministerausschusses für Syrien im jordanischen Akaba teil.

Dabei erläuterte Minister Badr Abdelatty die bestimmenden Faktoren der ägyptischen Position zu den Entwicklungen in Syrien, die auf der Notwendigkeit beruhten, die Souveränität des syrischen Staates sowie die Einheit und Integrität seiner Gebiete zu respektieren, wie aus einer Erklärung des ägyptischen Außenministeriums hervorgeht.

Während des Zusammentreffens betonte Ägypten auch die Bedeutung konzertierter regionaler und internationaler Bemühungen zur Wiederherstellung der Stabilität im gesamten syrischen Staatsgebiet und zur Einleitung eines integrativen politischen Prozesses, der alle Teile der Gesellschaft einbezieht, um eine nationale Aussöhnung zu erreichen und den Erfolg des Übergangsprozesses sicherzustellen.

Bemerkenswerterweise wurden in der Erklärung weder die neue Regierung noch Möglichkeiten zur Zusammenarbeit oder zu einer Annäherung erwähnt. Aber viele Medienstimmen, die für ihre Nähe zur ägyptischen Regierung bekannt sind, haben die neue syrische Regierung und ihren Anführer Ahmed al-Sharaa kritisiert, den Anführer der siegreichen Miliz Hayat Tahrir Al-Sham (HTS), die in mehreren Staaten als terroristische Organisation eingestuft wird.

Vor einigen Tagen gab es Gerüchte über einen bevorstehenden Besuch des ägyptischen Außenministers in Damaskus. Die saudische Zeitung Asharq Al-Awsat zitierte jedoch zwei informierte Quellen mit den Worten: »Die Gerüchte über einen bevorstehenden Besuch des ägyptischen Außenministers in Syrien sind nicht wahr.« Die beiden Quellen betonten, dass Kairo »noch immer abwartet, um die Entwicklungen in Syrien zu beobachten und die Vision der neuen Regierung in Bezug auf regionale und internationale Fragen zu bewerten«.

Vorübergehende Situation

In Bezug auf die Haltung Ägyptens zur neuen Regierung in Syrien sagte Hussein Haridi, ehemaliger Assistent des ägyptischen Außenministers, dass bei den Treffen in Akaba mehrere Grundsätze für den Umgang der internationalen Gemeinschaft mit Syrien hervorgehoben worden seien. Der wichtigste davon ist, dass die derzeitige Situation »vorübergehend« sei und alle mit ihr getroffenen Vereinbarungen ebenso nur vorübergehende Gültigkeit hätten und nicht als dauerhaft behandelt werden sollten.

Haridi fügte hinzu, dass einige Großmächte und andere Länder, die mit der neuen Regierung in Syrien verhandeln und Beziehungen zu ihr aufbauen, als wäre es eine dauerhafte Regierung, »keinen Druck auf Ägypten ausüben sollten, weil Ägyptens Sichtweise die richtigste ist«.

Die HTS-Miliz sei eine »terroristische Gruppe«, mit der nicht verhandelt werden dürfe, weil das bedeuten würde, »dass Ägypten akzeptiert, mit Terroristen zu verhandeln«, nur weil der Westen das auch tut und Terroristen als politische Führer akzeptiere: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein ägyptischer Vertreter al-Sharaa die Hand schütteln oder ihn empfangen wird; selbst, wenn er zum Präsidenten Syriens gewählt wird.«

Haridi schloss jedoch einen Boykott Syriens durch Ägypten aus und sagte: »Ägypten erkennt Staaten an, keine Regime und Präsidenten, und die Botschaften zwischen den beiden Ländern werden möglicherweise auf der Ebene der Geschäftsträger verbleiben, um die Interessen der Menschen zu vertreten.«

Ahmed al-Sharaa hatte sich bekanntlich 2003 terroristischen Organisationen im Irak angeschlossen und war nach Beginn des Bürgerkriegs 2011 nach Syrien zurückgekehrt, wo er den lokalen al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra gründete, aus dem später die Miliz Hayat Tahrir al-Sham hervorging. Im Jahr 2016 hatte al-Sharaa die Verbindung zu al-Qaida abgebrochen.

Sicherheitsbedenken

Amr El-Shobaki, Berater am Al-Ahram Center for Strategic Studies meint, die ägyptische Vorsicht gegenüber der neuen syrischen Führung sei auf den »ideologischen Hintergrund der regierenden bewaffneten islamischen Fraktionen« zurückzuführen, deren Überzeugungen als »gegensätzlich zur Ausrichtung des ägyptischen Staats« angesehen werden. Zudem bestehe sie aus »einigen gesuchten Personen, die in Ägypten wegen Terrorismusvorwürfen in Syrien vor Gericht gestellt werden sollten«. Zusammenfassend sagt er: »Es bestehen Sicherheitsbedenken, und sie sind einer der Gründe für die Verzögerung der Reise einer ägyptischen Delegation nach Damaskus.«

Bis auf Weiteres bleibt die ägyptische Haltung zur neuen Ordnung in Syrien von großer Vorsicht geprägt. Eine Führung, die aus Mitgliedern einer islamistischen Terrororganisation besteht, könnte andere terroristische Organisationen im Nahen Osten ermutigen und eine Bedrohung für die Stabilität mehrerer Staaten darstellen. Dabei denkt Ägypten wohl nicht zuletzt an sich selbst und an die Erfahrungen, die es im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings mit der Muslimbruderschaft gemacht hat.

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