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Sudans versteckter Krieg

Vorsitzender des Souveränen Rates und damit De-Facto-Staatsoberhaupt des Sudan, Abdel-Fattah al-Burhan
Vorsitzender des Souveränen Rates und damit De-Facto-Staatsoberhaupt des Sudan, Abdel-Fattah al-Burhan (© Imago Images / Anadolu Agency)

Der Einfluss der Muslimbruderschaft auf die sudanesischen Streitkräfte könnte die regionale Stabilität und den globalen Handel bedrohen.

Anna Mahjar-Barducci

Der brutale Bürgerkrieg im Sudan, der oft von den globalen Schlagzeilen überschattet wird, ist nicht nur ein Konflikt zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und ihren nun zu Rivalen gewordenen ehemaligen militärischen Verbündeten, den Schnellen Eingreiftruppen (RSF). Es handelt sich um einen kalkulierten Versuch zur Machtergreifung durch die Muslimbruderschaft, die die SAF offenbar als Trojanisches Pferd benutzt, um den Sudan, Nordostafrika und das Rote Meer, eine wichtige Verkehrsader für den globalen Handel, zu dominieren.

Trotz der jüngsten – vermutlich auf Wunsch der Vereinigten Staaten oder Ägyptens zustande gekommenen – Maßnahmen des SAF-Führers General Abdel Fattah Al-Burhan, den islamistischen Einfluss einzudämmen, stellen die Bemühungen der tief in seinem Militär verwurzelten Muslimbruderschaft, die Kontrolle zu erlangen, eine gefährliche Bedrohung dar, die die Ölversorgung stören, die globalen Preise in die Höhe treiben und den Sudan als Terrorhochburg wiederbeleben könnte, was die Interessen des Westens gefährden würde.

Die von Katar unterstützte Muslimbruderschaft scheint die SAF zu kapern, um eine Machtübernahme zu inszenieren und alte Allianzen unter neuem Deckmantel wiederzubeleben. Trotz der jüngsten Zugeständnisse an die Vereinigten Staaten und Ägypten bedroht der Einfluss der Muslimbruderschaft im Sudan – unterstützt von Katar und dem Iran – die regionale und globale Stabilität, möglicherweise einschließlich der freien Durchfahrt durchs Roten Meer. Die USA täten gut daran, Sanktionen und diplomatischen Druck zu verstärken und regionale Akteure bei ihren Bemühungen zur Zerschlagung dieser Netzwerke zu unterstützen.

Der Einfluss der Muslimbruderschaft wird von Regierungen in Ländern wie den Vereinigten Staaten und Frankreich zunehmend als globale Bedrohung anerkannt. Ein am 21. Mai 2025 von der französischen Regierung in Auftrag gegebener Bericht über die Rolle der Muslimbruderschaft in Frankreich und Europa beschrieb detailliert die Bedrohungen, die von der islamistischen Bewegung ausgehen, die »parallele islamische Ökosysteme« schafft und die säkularen Werte des Westens in Frage stellt.

Ein Erbe islamistischer Kontrolle

Der Abstieg des Sudan ins Chaos begann im Jahr 1989, als General Omar al-Bashir mit Unterstützung der Nationalen Islamischen Front der Muslimbruderschaft die Macht ergriff. Drei Jahrzehnte lang orchestrierte sein Regime Völkermorde im Südsudan und in Darfur, gewährte Osama bin Laden von 1992 bis 1997 Unterschlupf und ermöglichte Anschläge der Al-Qaida, darunter die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im Jahr 1998.

Das Regime von Bashir lieferte außerdem iranische Raketen an die Hamas im Gazastreifen und unterstützte die Lord’s Resistance Army in Uganda, wodurch der Sudan zu einer globalen Hochburg des Extremismus wurde.

Der Sturz von Bashir im Jahr 2019 hatte Hoffnungen auf Demokratie geweckt, aber Burhans Putsch gegen die Übergangsregierung im Jahr 2021 und der Krieg mit der RSF im Jahr 2023, die Burhan und seine Verbündeten der Muslimbruderschaft besiegen und die Macht im Land übernehmen wollte, zerstörten diese Träume. Hinter den Kulissen hat sich die Muslimbruderschaft – im Sudan unter dem Namen Islamische Bewegung aktiv – in der SAF festgesetzt und sie zu einem Instrument für ihre regionalen Ambitionen gemacht, die Kontrolle über Nordostafrika und das Rote Meer zu übernehmen.

Die Muslimbruderschaft ist nicht nur mit der SAF verbündet; einzelne Mitglieder scheinen die SAF dazu bewegen zu wollen, die totale Kontrolle über den Sudan zu übernehmen, um ihn zur Hochburg der Muslimbruderschaft in Afrika und im Nahen Osten zu machen.

Der Sudan, der an der Schnittstelle zwischen Subsahara-Afrika und dem Nahen Osten liegt, befindet sich in einer äußerst kritischen strategischen Lage. Er hat Zugang zum Roten Meer und zu wichtigen Handelsrouten wie dem Suezkanal und ist außerdem ein wichtiger Transitpunkt für Migranten, die vom Horn von Afrika und der Sahelzone nach Nordafrika und dann weiter nach Europa reisen.

Die SAF ist von dschihadistischen Fraktionen wie der Al-Bara-Bin-Malik-Brigade (dem lokalen militärischen Arm der Muslimbruderschaft), der Bunyan-Al-Marsous-Brigade und den Rebellen der Justice and Equality Movement unter der Führung von Finanzminister Jibril Ibrahim unterwandert. Diese Gruppen, die mit Bashirs rücksichtslosem Nationalen Geheimdienst und Sicherheitsdienst verbunden waren, stellen ihren Kampf als »Dschihad« gegen die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten RSF dar, [die wiederum grausame Massaker in Darfur verüben; Anm. Mena-Watch].

Videos in den sozialen Medien zeigen die Al-Bara-Bin-Malik-Brigade in Omdurman, wie sie den Vormarsch der RSF stoppt und die Operationen der SAF in Khartum unterstützt. Ein pensionierter Offizier erklärte gegenüber den Medien, dass islamische Extremisten wichtige Lücken in der Infanterie geschlossen hätten. Der von den USA sanktionierte Führer der Islamischen Bewegung Ali Ahmed Karti ist laut Berichten arabischer Medien ein wichtiger Drahtzieher der Allianz zwischen der SAF und der Muslimbruderschaft. Seit seiner Studienzeit hat Karti Anhänger der Bruderschaft in der Armee organisiert und später die SAF mit Dschihadisten besetzt.

Berichte in der saudischen Zeitung Asharq Al-Awsat enthüllen, dass die Führung der Muslimbruderschaft im Sudan, die mit der Bashir-Regierung verbündet war, nach 1989 Die Entlassung Tausender nicht-fundamentalistischer Offiziere erwirkt hat, einige ermorden ließ und die Kontrolle über die Zulassung zu den Militärakademien übernommen hat. Bis 2019 war die SAF ideologisch mit der Muslimbruderschaft verbündet.

Es war Kartis ideologischer Einfluss, der offenbar die Möglichkeit einer zivil geführten Übergangsregierung im Sudan nach dem Militärputsch im Oktober 2021 zum Scheitern brachte. Karti entfesselte auch dschihadistische Bataillone, die unter Burhan in »Volkswiderstand« umbenannt wurden.

In diesem Sommer schien es Risse in der Allianz zwischen der SAF und der Muslimbruderschaft zu geben. Im August entließ Burhan fünf als islamische Extremisten bekannte hochrangige Generäle, darunter General Nasreddin, Chef des Panzerkorps der SAF, den die Muslimbruderschaft angeblich als potenziellen Nachfolger von Burhan aufgebaut hatte.

Ein Analyst vermutete, dass die fünf Generäle entlassen wurden, nachdem Burhan am 11. August 2025 in der Schweiz mit dem US-Sonderbeauftragten Mossad Boulos zusammengetroffen war. Mujahid Ahmed warnt jedoch davor, dass der Einfluss der Muslimbruderschaft weiterhin besteht und sich auf zivile Institutionen, insbesondere das Außen- und das Justizministerium, erstreckt. Laut dem Ayin Network verlässt sich Al-Burhan offenbar immer noch auf Karti und Bashirs Loyalisten Ahmed Haroun, um Unterstützung auf dem Schlachtfeld zu erhalten, was auf einen taktischen, nicht vollständigen Bruch hindeutet.

Irans Waffen und die Rolle Katars

Der Iran hat Burhans Regierung mit Waffen beliefert, darunter Ababil-3- und Mohajer-6-Drohnen, die im März und Juni 2024 nach Port Sudan geliefert wurden. Von der BBC ausgewertete Satellitenbilder bestätigen deren Vorhandensein auf einem Militärgelände in der Nähe von Khartum. Die Unterstützung des Iran für diese Achse aus Muslimbruderschaft und SAF, die mit seinen eigenen Ambitionen auf eine Präsenz im Roten Meer verbunden ist, deckt sich mit den Zielen der lokalen Islamisten: nämlich die Verbündeten der USA wie Israel, Saudi-Arabien und Ägypten zu bedrohen.

Über das Rote Meer werden zehn bis fünfzehn Prozent des weltweiten Seehandels abgewickelt, darunter wichtige Öl- und Gaslieferungen. Im Falle eines Konflikts könnte der von der Muslimbruderschaft kontrollierte Sudan mit Hilfe der SAF als Stellvertreter diese Route blockieren, wie es die Huthi im Jemen getan haben, und damit die Preise in die Höhe treiben und die amerikanische und andere Volkswirtschaften beeinträchtigen. Die Verbindungen der Muslimbruderschaft zu Al-Qaida und dem Islamischen Staat bergen die zusätzliche Gefahr, dass der Sudan zu einer Terroristenbasis wird, die westliche und verbündete Interessen im Nahen Osten ins Visier nimmt.

Die Trump-Regierung bewegt sich auf einem schmalen Grat und versucht offenbar, einen Ausgleich zur Pro-SAF-Haltung Ägyptens zu finden. Ägypten unterstützt die SAF aktiv, um ihre Stabilität als nationale Institution zu stärken, und arbeitet gleichzeitig daran, den Einfluss der Muslimbruderschaft und ihres Sponsors Katar einzudämmen. Die Nachrichtenplattform Ayin Network stellte fest, dass Ägypten darauf besteht, dass »die SAF auch nach dem Krieg eine zentrale Rolle in der politischen Ordnung spielen muss«. Burhans »kosmetische« Säuberung islamistischer Generäle zeigt, dass er tatsächlich von Ägypten und den Vereinigten Staaten beeinflusst werden kann, aber seine Abhängigkeit von der finanziellen und militärischen Unterstützung der Muslimbruderschaft schränkt seine Fähigkeit zur Umsetzung von Reformen ein.

Der Sudan ist offensichtlich ein wichtiger Teil der globalen Agenda der Muslimbruderschaft. Die Ereignisse dort zu ignorieren, würde nur dazu führen, dass in einer für die Interessen des Westens strategisch wichtigen Region eine feindliche Hochburg entsteht.

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Gatestone Institute. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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