Während die humanitäre Lage im Sudan im dritten Kriegsjahr eskaliert, treiben militärische Eliten den Goldexport an – mit Unterstützung aus dem Ausland.
Im dritten Kriegsjahr ist der Sudan faktisch geteilt. Die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) kontrollieren den Norden und Osten des Landes. Ihr Anführer, General Abdel Fattah al-Burhan, regiert von Port Sudan, dem Sitz der international anerkannten Junta, aus. Im Westen und Süden dominieren die Schnellen Eingreiftruppen (RSF) unter General Mohamed Hamdan Dagalo, genannt »Hemedti«. Sie kontrollieren große Teile Kordofans und alle wichtigen Städte in Darfur. Lediglich El-Fasher wird noch von den SAF gehalten.
Die Hauptstadt Khartum steht sinnbildlich für die Dynamik des Kriegs: 2023 nahmen die RSF die Metropole ein, im Mai schlugen die SAF zurück. Heute ist Khartum zerstört und entvölkert; die Kämpfe im Sudan gehen unvermindert weiter. Die staatliche Infrastruktur ist weitgehend kollabiert. In vielen Regionen gibt es weder funktionierende Verwaltung noch medizinische Versorgung. Schulen, Märkte, Behörden – zerstört oder verlassen. Die lokale Macht wird von Milizen übernommen, die oftmals entlang ethnischer Linien organisiert sind. In Darfur und Kordofan eskaliert die Gewalt immer wieder in Massakern gegen Zivilisten.
Beide Seiten des Konflikts wurden wegen Kriegsverbrechen angeklagt, wobei insbesondere der RSF ethnische Säuberungen und sogar Genozid vorgeworfen werden. Die Kriegsparteien werden von einigen ausländischen Akteuren unterstützt, die alle ihre jeweils eigenen Interessen im Sudan verfolgen; einem strategisch wichtigen Staat, der an sieben Länder angrenzt und Zugang zum Roten Meer hat. Hinzu kommt der Reichtum an Rohstoffen, allen voran an Goldminen.
SAF-Gold über Ägypten
Während der Krieg den Sudan verwüstet, treibt ein Goldrausch die Gewalt an. Beide Seiten finanzieren sich aus den Verkaufserlösen. Der hohe Weltmarktpreis füllt die Kassen im Tausch gegen Waffen aus China, dem Iran, Russland, Serbien und den Emiraten.
Vor dem Krieg lag die offizielle Goldproduktion laut dem Thinktank Chatham House bei über achtzig Tonnen jährlich; zwischen April und August 2023 sank sie auf rund zwei Tonnen. Grund dafür war die sich rasch verschlechternde Sicherheitslage, weshalb ausländische Betreiber, darunter Firmen aus Marokko, Russland und Australien, ihr Personal abzogen. Auch die Einfuhr zentraler Chemikalien wie Quecksilber und Zyanid kam zum Erliegen. Inzwischen sind die Chemikalien wieder verfügbar. Die Generäle werben um neue Investitionen – auch in Moskau und Peking.
Die SAF kontrollieren laut Chatham House Minen entlang des Roten Meeres, des Nils und in Südkordofan. Etwa sechzig Prozent des dort geförderten Goldes gelangen nach Ägypten – teils legal, teils geschmuggelt, weil am ägyptischen Markt bessere Preise erzielt werden als im Sudan. Mit den Erlösen kaufen sudanesische Händler Lebensmittel, Betriebsmittel Treibstoff und mehr, das über Ägypten in den Sudan zurückgeführt wird. Auch Quecksilber und Zyanid sind darunter. Ägyptens Wirtschaft profitiert auf diese Weise mehrfach vom Krieg. Ein Teil des über Ägypten ausgeführten Goldes dürfte in den Emiraten landen – entsprechende Hinweise verdichten sich.
RSF-Schmuggelrouten
In Darfur und Westkordofan kontrollieren die RSF den Goldabbau. Anders als in SAF-Gebieten, wo hauptsächlich industriell abgebaut wird, dominiert hier der informelle Kleinbergbau. Die RSF beanspruchen die Minen als Schutzmacht – ohne Zustimmung der Betreiber. Sie entscheidet, wohin das Gold geht. Ein Teil wird nach Libyen geschmuggelt und von dort nach Istanbul und Dubai ausgeflogen. Hochrangige Kommandeure der Libysch-Arabischen Streitkräfte (LAAF) sollen am Schmuggel beteiligt sein. Im Gegenzug fungiert das vom Warlord Khalifa Haftar befehligte Ostlibyen als Drehscheibe für RSF-nahe Milizen und Söldner.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind der Hauptabnehmer sudanesischen Goldes, das über verschiedenen Routen in die Emirate gelangt und von hier aus weiter zu den Weltmärkten. Ein Knotenpunkt ist ein Krankenhaus mit einem Flugplatz im Tschad, von wo der Weitertransport – im Gegenzug für Waffen, Munition und Drohnen – in die Emirate erfolgt. Sie erreichen den Sudan via Tschad oder Kenia, wie die Rechercheplattform Bellingcat aufdeckte.
Eine andere von den RSF kontrollierte Goldroute führt über den Südsudan in die benachbarte Zentralafrikanische Republik und nach Uganda, von wo es in die Emirate exportiert wird. Laut Financial Times erreichte die Goldproduktion im Sudan im vergangenen Jahr rund achtzig Tonnen, was einem Wert von über sechs Milliarden Dollar entspricht und damit wieder das Vorkriegsniveau erreicht hat. Der Sudan zählt damit erneut zu den vier größten Goldproduzenten Afrikas.
Internationale Ohnmacht
Während bislang alle Friedensverhandlungen – unter anderem jene in Saudi-Arabien und Bahrain – erfolglos blieben, spitzt sich die humanitäre Katastrophe dramatisch zu. Über dreißig Millionen Menschen, also mehr als die Hälfte der Bevölkerung, ist auf Hilfe angewiesen; fast dreizehn Millionen wurden vertrieben. Die französische Zeitung Le Monde schätzt, dass bis November 2024 mehr als 150.000 Zivilisten durch Bombardierungen und Massaker getötet wurden und an Hunger und Krankheiten starben.
Die internationale Reaktion bleibt fragmentiert. Zwar verurteilen westliche Regierungen die Eskalation, doch sie vermeiden eine klare Positionierung, um ihre regionalen Allianzen mit Ägypten und den Emiraten nicht zu gefährden. Sanktionen gegen den Goldschmuggel existieren kaum, militärische Unterstützung der Konfliktparteien durch Drittstaaten wird ignoriert. Das Völkerrecht wird selektiv bemüht, also nur dort, wo es geopolitisch opportun erscheint, und so fällt der Sudan und vor allem seine leidende Bevölkerung durch den Raster der globalen Aufmerksamkeit.
Mit den Tonnen und Tonnen von Gold finanzieren die Kriegsparteien einen Konflikt, der den Sudan in Stücke reißt und gleichzeitig dessen Reichtum für künftige Generationen vernichtet. Ägypten und die Emirate mögen zwar aktuell vom sudanesischen Goldhandel profitieren, doch ihr Handeln ist kurzsichtig und könnte den Sudan weiter fragmentieren. Die Folge wäre eine Destabilisierung, die auch ihre eigenen strategischen Positionen in der Region gefährden könnte.






