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»Studenten mit Talking Points der Hamas tragen den Judenhass mit«

Guiseppe Gracia im Interview: »Studenten mit Talking Points der Hamas tragen den Judenhass mit«
Guiseppe Gracia im Interview: »Studenten mit Talking Points der Hamas tragen den Judenhass mit« (© privat)

Im Interview mit Elisa Mercier spricht der Schweizer Schriftsteller, Journalist und Kommunikationsberater Giuseppe Gracia unter anderem über sein Buch Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen: Warum der Antisemitismus uns alle bedroht.

Giuseppe Gracia, geboren 1967 in St. Gallen, hatte verschiedene Positionen in Schweizer Bistümern inne, bevor er 2021 aus der katholischen Kirche austrat. Er ist Kolumnist der Neuen Zürcher Zeitung und seit Kurzem Herausgeber des Magazins Schweizer Monat.

Elisa Mercier (EM): Herr Gracia, was bedeutet Ihrer Ansicht nach der Friedensplan für den Nahen Osten und insbesondere für Israel?

Giuseppe Gracia (GG): Die reale Chance auf Frieden, wenn die muslimische Seite das Leben und die Zukunft der eigenen Kinder mehr liebt, als man Israel hasst. Die Abraham-Abkommen sichern eine gute Zukunft für die ganze Region. Noch nie waren die Aussichten so gut.

EM: Trotz der aktuellen Entwicklungen und der Möglichkeit eines Friedens in der Region gibt es weltweit weiterhin Proteste gegen Israel. Wie erklären Sie sich diese Haltung?

GG: Es ging nie um Frieden für Gaza, sonst müssten die Kritiker des Kriegs sich ja jetzt freuen. Es ging um Israelhass und Judenhass und leider bleibt beides bestehen, denn das geht weit über den Gazastreifen hinaus.

EM: Auch in der Schweiz hat die propalästinensische Szene zuletzt massiv protestiert. Wie erleben Sie als Schweizer dies, vor allem die Eskalationen in Bern am 13. Oktober, die an jenem Tag stattfanden, an dem die Hamas die zwanzig noch lebenden israelischen Geiseln freiließ?

GG: Es war erschreckend, zu sehen, wie junge, politisch engagierte Menschen sich von den Propaganda-Narrativen der Hamas, des Irans und von Katar manipulieren lassen. Wie sie wirklich glauben, dass judenhassende Babykiller, Vergewaltiger und Mörder Widerstandskämpfer sind. Ganz zugespitzt könnte man sagen: Die heutigen propalästinensisch und antifaschistisch auftretenden Bewegungen sind die neuen Faschisten, denn sie denken, dass die Juden Israels mit den USA die Welt unterjochen, sie denken also genau wie die Nazis, dass die Juden die Bösen sind. In gewisser Weise ist es also eine Hitlerjugend 2.0, die sich als ihr Gegenteil versteht.

Der älteste Hass der Welt

EM: Im Februar wurde Ihr Buch Wenn Israel fällt, fällt auch der Westen: Warum der Antisemitismus uns alle bedroht in Deutschland veröffentlicht. Was verstehen Sie genau unter dieser Aussage?

GG: Israel zu schützen, bedeutet, das Judentum zu schützen. Das ist in unserem Interesse, denn ohne Judentum gibt es kein Christentum, ohne Christentum keine Menschenrechte und ohne Menschenrechte keine Freiheit, keinen Rechtsstaat, keine westliche Zivilisation. Der Kampf um Israel ist der Kampf um unsere geistige Wurzel.

EM: Sie nennen den Kampf gegen Antisemitismus einen »Kampf, in dem sich in Wahrheit nicht Freunde und Feinde der Juden gegenüberstehen, sondern Freunde und Feinde der Freiheit«. Wie kommen Sie dazu?

GG: Alle Freiheitsrechte entspringen den Menschenrechten. In der Antike wurde so etwas wie ein Menschenrecht mit der Idee der Gottesebenbildlichkeit des Menschen überhaupt erst denkbar, durch den Gott der Bibel, also durch das Judentum. Ohne den Gott der Bibel kann man Menschenrechte zwar ausrufen, aber nicht für alle Kulturen gültig begründen. Der Angriff aufs Judentum ist ein Angriff auf die DNA des Menschenrechtsgedankens.

EM: Erschreckend viele Menschen wünschen sich Israels Fall. Glauben Sie, dass sich diese Haltung mit den aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten ändern könnte?

GG: Nein, denn es geht um Antisemitismus und der ist älter als der aktuelle Konflikt und wird auch länger als dieser weiterexistieren. Judenhass ist das verbreitete Gefühl, die Juden seien ein besonders problematisches Volk, Ursache von viel Unrecht, Unruhe und Gewalt, statt umgekehrt Opfer von viel Unrecht, Unruhe und Gewalt. Dieses Vorurteil gegen Juden existiert seit dreitausend Jahren. Es gibt christlichen, sozialistischen und kommunistischen, nationalsozialistischen und neonazistischen sowie islamistischen Judenhass. Heute grassiert zusätzlich der grüne und woke Judenhass, man denke an die Klimaschützerin Greta Thunberg. Gehirngewaschene Studenten mit Talking Points der Hamas tragen diesen Judenhass mit.

EM: Auch Medien tragen teils diese Form des Antisemitismus weiter. Was macht Ihrer Ansicht nach Medienvertreter und Studenten anfällig für solche antisemitischen Denkmuster, die sich häufig hinter Begriffen wie »Israelkritik« oder »Postkolonialismus« verbergen?

GG: Hier verbindet sich der alte, sozialistische Antikapitalismus mit dem neuen, woken Antiimperialismus. Wenn man davon ausgeht, dass Israel ein Satellitenstaat der USA im Nahen Osten ist, also die Vorhut einer kapitalistischen, imperialen Macht gegen das Selbstbestimmungsrecht der arabisch-islamischen Welt, dann macht das die Juden eben zur Imperialmacht der Region. Hinzu kommt, dass der Judenhass sozialistischer wie kommunistischer Prägung immer ein Hass auf den angeblich von Juden beherrschten kapitalistischen Westen gewesen ist – insofern man Juden gern unterstellte, reich und mächtig zu sein und im Hintergrund die Fäden zu ziehen.

EM: Seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir eine globale Welle des Antisemitismus. In ihrem Buch befassen Sie sich mit den Ursachen. Können Sie diese beschreiben? Was kann man gegen sie tun?

GG: Judenhass kann, wenn überhaupt, nur mit Aufklärung und viel Bildungsarbeit zurückgedrängt werden. Die tieferen Ursachen des Judenhasses sehe ich persönlich darin, dass man den Gott der Bibel loswerden will, der die Juden als sein Volk auserwählt hat.

Mit den Worten von Papst Benedikt XVI., die er in Bezug auf den Holocaust einmal geäußert hat: »Im Tiefsten wollte man mit dem Zerstören Israels, mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat (…) Wenn dieses Volk einfach durch sein Dasein Zeugnis von dem Gott ist, der zum Menschen gesprochen hat und ihn in Verantwortung nimmt, so sollte dieser Gott endlich tot sein und die Herrschaft nur noch dem Menschen gehören.«

EM: Friedrich Nietzsche schrieb, der Mensch habe Gott getötet. Heute leben wir zumindest im Westen in einer zunehmend säkularen Welt. Kann angesichts dieser Abkehr von Gott das, was Sie beschreiben, heute tatsächlich noch eine der Triebfedern des Antisemitismus sein?

GG: Ja, denn Nietzsche lag falsch. Gott ist nicht gestorben, sondern nur Nietzsche. Weltweit dominieren nach wie vor Religionen die Kultur von Milliarden Menschen. Auch die USA bleiben eine religiöse Nation. Nur eine westeuropäische Minderheit von technokratischen Eliten versucht bei uns seit ein paar Jahren, den Atheismus als Leitkultur zu installieren, eine Art digitaler Turmbau zu Babel.

Aber das zeigt nur, dass man eben selbst Gott sein will. Dazu muss man zuerst Christentum und Judentum als Quelle der westlichen Zivilisation loswerden, das heißt, den Gott der Bibel mit den Zehn Geboten. Für Technokraten und Atheisten bleiben die Juden mit ihrer für unsere Kultur maßgeblichen Bibel eine Ego-Kränkung. Ich bin sicher, das ist einer der geistigen Beweggründe für verschiedene Formen des Antisemitismus.

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