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Der Stoff, aus dem israelische Heldinnen gemacht sind

Valley Train Site in Kfar Yehoshua: Moran Moses (li.) erzählt im Gespräch mit Racheli Avidov ihre Geschichte vom 7. Oktober 2023
Valley Train Site in Kfar Yehoshua: Moran Moses (li.) erzählt im Gespräch mit Racheli Avidov ihre Geschichte vom 7. Oktober 2023 (Quelle: JNS)

Im Rahmen der israelischen Initiative »Stories That Bind Us« werden Überlebende des 7. Oktober 2023 eingeladen, von ihren traumatischen Erfahrungen zu berichten.

Tania Shalom Michaelian

Seit Gadi Moses Ende Januar nach 482 Tagen Gefangenschaft im Gazastreifen durch den palästinensischen Islamischen Dschihad freigelassen wurde, hat seine Tochter Moran Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Der 81-Jährige kehrte mit einer Energie zurück, die seinem Alter und seiner Tortur trotzt, angetrieben von der erneuten Entschlossenheit, beim Wiederaufbau seines geliebten Kibbuz Nir Oz behilflich zu sein.

»Er kennt keine Grenzen«, wunderte sich Moran kürzlich gegenüber der Journalistin Racheli Avidov und einem kleinen Publikum in der Valley Train Heritage Site in Kfar Yehoshua. Die Veranstaltung war Teil der Reihe »Stories That Bind Us: Memory and Dialogue of October 7« an historischen Stätten, einem Programm, das von der Society for Preservation of Israel Heritage Sites (SPIHS) mit Unterstützung des Jewish National Fund-USA ins Leben gerufen wurde.

Schicksalhafter Tag

Moran war gerade an diesem Morgen aus Polen zurückgekehrt, wo sie und ihr Vater am International March of the Living in Auschwitz-Birkenau teilgenommen hatten, einer Reise, die er unbedingt erleben wollte. »Er ist wirklich aus dem Stoff, aus dem Helden gemacht sind. Ich hoffe, ich habe etwas von seinen Genen geerbt.«

Moran Moses und ihre beiden kleinen Töchter verbrachten am 7. Oktober zehn qualvolle Stunden im Schutzraum ihres Hauses im Kibbuz Nir Oz, ohne Wasser, Essen oder Toilette. Während dieser Stunden hielt Moran die Tür fest verschlossen, in der Hoffnung, die Terroristen aufhalten zu können, die auf der Suche nach ihren nächsten Opfern durch den Kibbuz streiften. Im Nachhinein erwies sich diese Methode oft als sinnlos, da die Terroristen die Türen aufschossen oder Häuser in Brand setzten, um die Menschen zur Flucht aus ihren Sicherheitsräumen zu zwingen.

Die meiste Zeit blieb Moran mit ihrem Mann Inon telefonisch in Verbindung, der mit den beiden Söhnen bei der Familie in Moshav Eliakim war, um hier den jüdischen Feiertag Simchat Torah zu verbringen, und war aus der Synagoge nach Hause geeilt, als sich die Nachricht von den Angriffen auf den Süden Israels verbreitete. »In letzter Minute hatten wir noch drei Tickets für das Bruno-Mars-Konzert ergattert und ich beschloss, den Mädchen eine Freude zu machen«, erklärte Moran ihre Entscheidung, dieses Wochenende getrennt von ihrem Mann und ihren Söhnen zu verbringen. »Wir haben es nie zu diesem Konzert geschafft.«

Das Publikum lauschte gebannt, als Moran ihre packende Geschichte erzählte – unterbrochen von vielen Tränen und Momenten schwarzen Humors –, in der sie die Tortur beschrieb, die sie und ihre Töchter durchgemacht hatten. Sie versuchte, sie vor den Schrecken zu schützen, die sich direkt vor dem Fenster abspielten, aber es war unmöglich, die herzzerreißenden Schreie der Opfer, die ohrenbetäubenden Schüsse, die manischen »Allahu Akbar!«-Rufe und den Geruch brennender Häuser zu ignorieren.

Moran erklärte, sich an diesem Tag mehrmals von ihrem Mann verabschiedet zu haben; zum Beispiel, als sie das Eindringen der Terroristen in ihr Haus oder Gasflaschen auf der Terrasse explodieren hörte, die ihr Haus von dem ihrer Nachbarn und engen Freunde Tamar und Johnny Siman Tov trennte, die später zusammen mit ihren fünfjährigen Zwillingstöchtern und ihrem zweijährigen Sohn ermordet aufgefunden wurden. »Ich sagte Inon, dass ich ihn liebe und ich flehte ihn an, auf die Kinder aufzupassen. Ich war mir nicht sicher, wie dieser Tag enden würde.«

Stärke durch Unterstützung

Gadi Moses und seine 79-jährige ehemalige Frau Margalit wurden an diesem Tag in Nir Oz als Geiseln genommen. Gadis langjährige Partnerin Efrat Katz wurde ermordet. Margalit wurde zwei Monate später im Rahmen des ersten Geiselabkommens freigelassen, aber Gadi verbrachte fast fünfhundert Tage in der Überzeugung, dass Moran und seine Enkelinnen das Massaker nicht überlebt hatten.

Doch sie hatten überlebt. Nach zehn Stunden evakuierte die Armee die Überlebenden aus ihren Häusern und brachte sie vor der groß angelegten Evakuierung des gesamten Kibbuz erst einmal im Kindergarten zusammen. Das ganze Ausmaß der Zerstörung wurde erst später deutlich. »Achtzig Prozent der Häuser wurden niedergebrannt«, erinnerte sich Moran, »jeder vierte Einwohner wurde ermordet oder entführt«.

Drei Monate in beengten Hotelzimmern in Eilat waren für die wiedervereinte Familie physisch und emotional zu viel. »Wir haben eine einzige lange Schiwa [jüdische Trauer um einen Verstorbenen] durchlebt. Wir haben 63 Freunde begraben.« Schließlich zogen sie in die Jesreel-Ebene in Nordisrael, um näher bei ihrer Familie zu sein.

Hier kreuzten sich ihre Wege mit Dikla Liani, der Leiterin der Valley Train Heritage Site in Kfar Yehoshua, die der Familie den Veranstaltungsort für die Bat-Mizwa ihrer Tochter anbot. Zunächst lehnte Moran ab. »Ohne meinen Vater konnte ich unmöglich feiern«, meinte sie zunächst, doch mit der Zeit kam sie zu der Überzeugung, dass es das Richtige war. Die Veranstaltung habe ihr die Kraft gegeben, die sie brauchte, um einen Gang höher zu schalten und sich öffentlich für die Freilassung ihres Vaters einzusetzen. Der Rest ist glücklicherweise Geschichte.

»Als die Society for Preservation of Israel Heritage Sites die Initiative ›Stories That Bind Us‹ ins Leben rief, dachte ich sofort daran, Moran als Rednerin einzuladen«, erinnerte sich Dikla Liani. »Letztes Jahr war sie von Emotionen überwältigt, weil sie wusste, dass ihr Vater unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten wurde, während die Familie diesen glücklichen Anlass feierte. Dieses Jahr sind wir überglücklich, dass sich der Kreis geschlossen hat und sie ihre Geschichte, die ein relativ glückliches Ende genommen hat, an genau diesem Ort erzählen kann.«

Historische Stätte

Noa Gefen, die Entwicklungsdirektorin der Society for Preservation of Israel Heritage Sites, ist dem Jewish National Fund-USA dankbar für die Unterstützung dieser Initiative und für dessen Beitrag, an fast dreißig historischen Stätten im ganzen Land so bewegende Momente ermöglicht zu haben. »Es ist kein Zufall, dass diese Zusammenkünfte an historischen Stätten stattfinden. Diese Orte tragen das Gewicht unserer gemeinsamen Geschichte und erinnern uns daran, dass Widerstandsfähigkeit Teil unserer nationalen Identität ist. Moran und Gadi sind der Beweis dafür. In Zeiten wie diesen werden historische Stätten zu Orten der Heilung, wo persönlicher Schmerz auf kollektive Erinnerung trifft und wir Kraft voneinander schöpfen.«

Die Stärke und Gelassenheit von Moran Moses ist weiterhin inspirierend, denn, wie sie sagt, »wir brauchen kein Mitleid. Wir haben keine Angst. Wir sind Überlebende.«

Abschließend ist noch die Geschichte der historischen Stätte Valley Train in Kfar Yehoshua zu erzählen, wo die Veranstaltung stattfand. Der legendäre Valley Train verkehrte seit Beginn des 20. Jahrhunderts von Haifa durch die Jesreel-Ebene bis zur Arabischen Halbinsel. Fast fünfzig Jahre lang war er eine wichtige Verbindung zwischen Ost und West – er verband Gemeinden, überbrückte Städte und Landschaften und brachte Juden und Araber zusammen.

Heute erzählt die Society for Preservation of Israel Heritage Sites seine Geschichte an einer seiner bedeutendsten Stationen, dem historischen Bahnhof Al Shaman in Kfar Yehoshua. Der Ort besteht aus alten Steingebäuden, einem historischen Wasserturm und präsentiert restaurierte Eisenbahnwaggons, die das Erbe des Valley Train und seine Rolle im vorunabhängigen Eretz Yisrael zeigen.

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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