Sehr geehrter Herr Vieregge,
in Ihrem gestrigen Presse-Artikel über die israelische Regierungsumbildung schrieben Sie über einen Vorfall in Hebron, bei dem ein israelischer Soldat „einen auf dem Boden liegenden, bewusstlosen Palästinenser per Kopfschuss exekutiert hatte.“ Sie vergaßen dabei zu erwähnen, dass es sich bei Letzterem um einen Attentäter handelte, der zuvor israelische Soldaten attackiert hatte. Dann fuhren Sie mit Blick auf den israelischen Premier fort: „Netanjahu stellte sich demonstrativ auf die Seite des Soldaten, der sich vor Gericht zu verantworten hatte.“ Diese Beschreibung scheint mir recht erstaunlich zu sein.
Unmittelbar nachdem der Vorfall an die Öffentlichkeit gelangt war, erklärte Netanjahu: „Die israelische Armee erwartet von ihren Soldaten, selbstbeherrscht und in Einklang mit den Einsatzregeln zu agieren.“ Die Tötung des Palästinensers repräsentiere nicht die „Werte der Armee“. Wenig später nahm er allgemein israelische Soldaten in Schutz, die „mörderischen Terrorattacken“ ausgesetzt seien und in unklaren Situationen unter hohem Druck schnell Entscheidungen treffen müssten. Unter Verweis auf das laufende Verfahren gegen den Todesschützen fügte er hinzu: „Ich glaube, die Untersuchung wird das berücksichtigen und dem Soldaten gegenüber professionell und fair sein.“
Netanjahu tat genau das, was vermutlich jeder Regierungschef in einer vergleichbaren Situation gemacht hätte: Er verteidigte grundsätzlich die israelische Armee gegen aus seiner Sicht unfaire Kritik und rief darüber hinaus die für die Strafverfolgung zuständigen Stellen auf, ruhig und umsichtig ihre Arbeit zu erledigen. Die Behauptung, Netanjahu habe sich „demonstrativ auf die Seite des Soldaten“ gestellt, scheint mir faktisch unbegründet und daher nur schwer nachvollziehbar zu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch