Während die Hinrichtungsrate im Iran generell in die Höhe schnellt, steigt auch die Zahl der vom Regime mit der Todesstrafe belegten Frauen stark an.
Der rasante Anstieg an Hinrichtungen (862 im Jahr 2024, davon mindestens 29 Frauen, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen könnte) brachte der Islamischem Republik den weltweiten Spitzenplatz bei der Anwendung der Todesstrafe ein, und mehr und mehr werden auch Frauen zum Tod durch den Strang verurteilt. Die oft sehr jungen, häufig einer nationalen Minderheit Angehörigen werden mehrheitlich schon als Kind von ihren Eltern zwangsverheiratet und von ihren Ehemännern tagtäglich in solch einem Ausmaß unterdrückt, verprügelt, vergewaltigt und psychisch misshandelt, dass viele dieser gequälten Frauen in ihrem Wunsch, dieser Hölle zu entkommen, in einem Moment der absoluten Verzweiflung zum Messer greifen und ihre Ehemänner töten.
Eine Scheidung ist im Iran für eine Frau nur schwierig zu erreichen, denn wenn sie sich von ihrem Mann trennt und das eheliche Zuhause verlässt, verliert sie den Anspruch auf finanzielle Versorgung und das Sorgerecht für ihre Kinder.
»Die Islamische Republik erlaubt die Verheiratung von Mädchen ab dreizehn Jahren, schützt sie nicht vor gewalttätigen, sie missbrauchenden Ehemännern, verurteilt sie aber zum Tod, nachdem sie Verzweiflungstaten begangen haben, um ihrem Martyrium zu entkommen«, hält Hadi Ghaemi, Exekutivdirektor des Center for Human Rights in Iran (CHRI), fest. »Die Justizbehörden unternehmen keinen Versuch, die Verbrechen dieser Frauen in den Kontext zu stellen, in dem sie begangen wurden: die systemische Gewalt und der permanente Missbrauch von Frauen und Mädchen, vor denen es keinen rechtlichen Schutz oder Ausweg gibt.«
In den Gefängnissen geht der Horror für die verurteilten Täterinnen weiter, werden sie hier doch als billige Arbeitskräfte ausgebeutet und von den Wärtern physisch und psychisch missbraucht.
Drogendelikte
Die überwältigende Mehrheit der Hinrichtungen, einschließlich jener von Frauen, basiert auf Drogendelikten, was insofern eine Verletzung des Völkerrechts darstellt, als der auch vom Iran unterzeichnete Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) die Todesstrafe nur bei Schwerverbrechen vorsieht.
In einem kürzlich geführten Interview mit CHRI meinte die ehemalige politische Gefangene und Aktivistin Atena Daemi bezüglich jener Frauen, die wegen Drogendelikten inhaftiert sind: »Wir sollten bedenken, dass all diese Frauen aufgrund extrem schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen dazu gezwungen wurden und die beste Option für den Drogentransport sind. Die Kartelle nutzen ihre Position aus, um die Kooperation von Frauen zu gewinnen, indem sie ihnen Geld anbieten.«
Im Qarchak-Gefängnis [südlich von Teheran] traf Daemi eine Frau, der für eine geringfügige Entlohnung mehrere Kilo Drogen in die Gebärmutter implantiert worden war und die später verhaftet und zum Tod verurteilt wurde. »Im Lakan-Gefängnis in Rasht traf ich eine Frau, die sich bereit erklärt hatte, für einen bescheidenen Geldbetrag fünfzehn Kilo Drogen von Gilan nach Teheran zu transportieren, wobei sie ebenfalls verhaftet und später zum Tod verurteilt wurde.«
Die ökonomische Lage des Landes, die sich von Jahr zu Jahr immer katastrophaler auf die Bevölkerung auswirkt, bedingt, »dass insbesondere in Drogenfällen weder Verurteilungen noch Hinrichtungen in irgendeiner Weise abschreckend wirken. Ich habe im Gefängnis eine Frau getroffen, deren siebzehn Familienmitglieder wegen Drogendelikten hingerichtet wurden, darunter ihr Vater und zwei Onkel. Sie hatte jedoch keine andere Wahl, als denselben Weg wie ihre Familie einzuschlagen«, berichtetet Daemi.
Poltische Vergehen
Auch wegen politischer Vergehen werden Frauen zunehmend zum Tod verurteilt, während die Zahl politisch motivierter Hinrichtungen in der Islamischen Republik insgesamt alarmierend ansteigt. Die Behörden verhängen die Todesstrafe zunehmend gegen Demonstranten, Aktivisten und Dissidenten, um die Bevölkerung einzuschüchtern und abweichende Meinungen im Land zum Schweigen zu bringen. Die Zahl der Todesurteile gegen Frauen stieg dabei seit den Protestwellen, die 2022 nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam unter dem Slogan »Frau, Leben, Freiheit« einsetzten, eklatant an.
Im Jahr 2024 wurden zwei kurdische Frauenrechtsaktivistinnen und eine Gewerkschaftsaktivistin als politische Gefangene zum Tod verurteilt, wobei eines der Urteile später aufgehoben wurde. »Es ist kein Zufall, dass zwei dieser Frauen Angehörige der kurdischen Minderheit sind«, heißt es in der Presseerklärung von CHRI. Ethnische Minderheiten sind stets von der unverhältnismäßigen Anwendung der Todesstrafe betroffen. Politischer Aktivismus wird als »Verbrechen gegen die nationale Sicherheit«, das harte Gefängnis-, wenn nicht gar die Todesstrafe nach sich zieht, geahndet.
Zu den systembedingten Problemen des iranischen Justizapparats gehören die routinemäßige Anwendung von Folter, um Geständnisse zu erpressen, und die eklatante Verweigerung eines ordnungsgemäßen, fairen Verfahrens unter Einbeziehung eines unabhängigen Rechtsvertreters der Angeklagten.
Im August forderte Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, ein sofortiges Moratorium für die Todesstrafe im Iran, und im September riefen UNO-Experten die iranischen Behörden auf, die Anwendung der Todesstrafe wegen schwerwiegender Verstöße gegen das Recht auf ein faires und ordnungsgemäßes Verfahren auszusetzen.