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Streit zwischen Ägypten und Äthiopien um Staudamm am Nil eskaliert

Treffen zwischen Äthiopiens Premierminister Abiy und Ägyptens Präsident al-Sisi blieben erfolglos
Treffen zwischen Äthiopiens Premierminister Abiy und Ägyptens Präsident al-Sisi blieben erfolglos (© Imago Images / Xinhua)

In diesem Monat will Äthiopien mit dem Füllen einer gigantischen Talsperre am Blauen Nil beginnen, wodurch Ägypten seine Existenz bedroht fühlt.

Seit 2011 baut Äthiopien an dem knapp fünf Milliarden Euro teuren Staudammprojekt. Im Westen des Landes, unweit der sudanesischen Grenze, entsteht eine Talsperre zur Elektrizitätsgewinnung, international bekannt als Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD), „Großer Damm der äthiopischen Wiedergeburt“.

Mit einer Leistung von 6,45 Gigawatt wird diese nach ihrer Fertigstellung das größte Wasserkraftwerk in Afrika sowie das siebtgrößte der Welt sein. Der Damm soll die 110 Millionen Einwohner Äthiopiens aus der Armut befreien und das Land zu einem industriellen Zentrum und wichtigen Stromexporteur machen. Derzeit haben laut der Weltbank nur etwa 45 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität. Mehr als 65 Millionen Äthiopier lebten derzeit „in völliger Dunkelheit“, sagt Äthiopiens UN-Botschafter Taye Atskeselassie Amde.

Streitpunkt Füllgeschwindigkeit

Die Bauarbeiten gelten derzeit als zu „70 Prozent“ abgeschlossen, schon ab diesem Monat will Äthiopien mit dem Füllen der Talsperre beginnen. Und das ist der Streitpunkt. Ägypten wendet sich nicht gegen den Damm an sich; dafür wäre es jetzt wohl etwas spät, und zudem betreibt Ägypten ja seine eigene Megatalsperre am Nil, den 1971 in Betrieb genommenen Assuan-Staudamm, für den seinerzeit der Tempel von Abu Simbel in der wohl größten archäologischen Rettungsaktion der Geschichte versetzt werden musste, damit er nicht überflutet wird.

Worum es in dem Konflikt geht, ist die Geschwindigkeit, mit der Äthiopien den Nil aufstaut. Denn davon hängt ab, wie stark sich die Wassermenge verringert, die flussabwärts ankommt. Der Nil ist Ägyptens Hauptwasserquelle, von ihr hängt die gesamte Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung des 100-Millionen-Volkes ab. 60 Prozent des Wassers stammen aus dem Blauen Nil.

Füllt Äthiopien den Staudamm in einem gemächlichem Tempo, im Lauf von 21 Jahren, dann – so eine Modellrechnung –, verlöre Ägypten pro Jahr fünf Prozent seines Wasseretats und 2,5 Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche. Beschleunigt Äthiopien das Füllen auf zehn Jahre, dann wären es 14 Prozent weniger Wasser für Ägypten und ein Verlust der landwirtschaftlichen Nutzfläche von 18 Prozent. Und sollte sich Äthiopien entscheiden, den Damm so schnell wie möglich – innerhalb von drei Jahren – zu füllen, verlöre Ägypten laut der Rechnung 50 Prozent des Wassers und 67 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Die Zahlen sind also, je nach dem, von welcher Annahme man ausgeht, durchaus dramatisch zu nennen.

Die Gespräche zwischen Äthiopien, dem Sudan und Ägypten über die Füllgeschwindigkeit verlaufen seit Jahren ergebnislos. Die jüngste Gesprächsrunde, die auf Einladung Sudans stattfand, endete Anfang Juni damit, dass die äthiopische Regierung bekräftigte, dass sie kein Abkommen akzeptieren werde, das ihren „Wasserrechten“ Beschränkungen auferlege.

„Wir werden nächsten Monat beginnen, den Stausee zu füllen, auch wenn es kein Abkommen zwischen den drei Ländern gibt“, sagte Äthiopiens Außenminister Gedu Andargachew der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Manche Beobachter fürchten, der Streit um den Staudamm könne in einen Krieg münden.

UNO tut, was sie am Besten kann: nicht viel

Am Montag rief Ägypten den UN-Sicherheitsrat an. Dieser, sagte Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry, solle eine Resolution verabschieden, die helfe, den Streit beizulegen. Ein solcher Beschluss des UN-Sicherheitsrats solle „nicht Verhandlungen verhindern, sondern auf höchster Ebene das tiefe Interesse der internationalen Gemeinschaft an einer Einigung über den GERD und die Einschätzung der Gefahren von Unilateralismus in dieser Angelegenheit zum Ausdruck bringen“, so Shoukry.

Doch was der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in einer anberaumten Videokonferenz zur Lösung des Konflikts beitragen konnte, war wie immer: nicht viel. Untergeneralsekretärin Rosemary DiCarlo vertröstete Ägypten mit den Worten, der UN-Generalsekretär sei sich der Angelegenheit „völlig bewusst“ und habe ja schon am 19. Mai die Parteien „gedrängt“, „alle bestehenden Differenzen friedlich zu lösen“.

Dazu sollten sich Ägypten, Äthiopien und der Sudan an die Afrikanische Union (AU) wenden, wie sie das ja auch schon getan haben. Die UNO könne allenfalls „technische Unterstützung“ anbieten. „Wenn alle Parteien den notwendigen politischen Willen zum Kompromiss zeigen“, dann könnten die „Differenzen überwunden“ und „eine Einigung erzielt werden“. DiCarlo schloss mit den Worten:

„Die grenzüberschreitende Wasserkooperation ist ein Schlüsselelement bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Ich möchte betonen, dass der Klimawandel in Verbindung mit dem prognostizierten demografischen Wachstum und dem sozioökonomischen Wandel die Herausforderungen des Wassermanagements weltweit erhöhen wird, nicht nur für die Anrainerstaaten des Blauen Nils.“

Es zeichnet sich also keine Lösung dieses höchst gefährlichen Konflikts ab, und die UNO betrachtet diesen auch nicht als etwas, mit dem sie sich befassen müsste. Man vergleiche das mit der Obsession, die sie an anderer Stelle an den Tag legt. Geht es um Israel, dann ist Wasser regelmäßig ein Thema. Dann ist jeder Tropfen wichtiger als jeder Stausee.

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