Durch einen Bericht der Washington Post wurden Details über eine Meisterleistung der Spionagekunst bekannt.
Jewish News Syndicate
Der Plan, die Reihen der Hisbollah mit winzigen, in Pagern versteckten Bomben zu infiltrieren, war »eine Meisterleistung der Spionagekunst«, schrieb die Washington Post in einem investigativen Bericht am Samstag, in dem neue Details des Angriffs enthüllt wurden.
Der für die Abwehr ausländischer Bedrohungen zuständige israelische Geheimdienst Mossad entwickelte den Plan bereits im Jahr 2022, mehr als ein Jahr vor dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, hieß es in dem Artikel, der sich auf Interviews mit israelischen, arabischen und amerikanischen Sicherheitsbeamten, Politikern und Diplomaten stützt. Am 17. September 2024 wurden dann schätzungsweise dreitausend Hisbollah-Terroristen verletzt oder getötet, als ihre Pager mittels winziger Sprengladungen, die in den Batterien der Geräte versteckt waren, aus der Ferne zur Explosion gebracht wurden.
Die Hisbollah im Libanon ist bei Weitem die stärkste der Terrorgruppen, die Israel bedrohen. Als iranischer Stellvertreter ist sie mit rund 150.000 Raketen bewaffnet, von denen einige eine Reichweite von fünfhundert Kilometern haben, was ausreicht, um das gesamte Territorium Israels abzudecken. Durch die israelischen Angriffe in jüngster Zeit geriet jedoch die Hisbollah schnell in Bedrängnis, und ihre Führungsriege wurde durch die Pager-Operation aufgerieben. »Als Spionageakt ist das beispiellos, eine der erfolgreichsten und einfallsreichsten feindlichen Unterwanderungen durch einen Geheimdienst in der jüngeren Geschichte«, so die Washington Post.
Neun Jahre Planung
Der Mossad nutzte die Befürchtungen der Hisbollah, dass ihre Kommunikationsnetze von Israel gehackt werden könnten, erfolgreich aus. Seit Jahren spioniert die Agentur die Terrorgruppe mittels elektronischer und menschlicher Überwachung aus. Die Hisbollah-Führer wurden sich dessen bewusst und befürchteten, der israelischen Überwachung ausgesetzt zu sein. In der Folge waren sie besorgt, Mobiltelefone zu benutzen, die offensichtlich anfällig für Hackerangriffe und Abhörmaßnahmen waren.
Israel seinerseits erkannte, dass es das Bestreben der Hisbollah nach geschützter Kommunikation mit »einer Art Kommunikations-Trojaner« erfüllen konnte, wie Beamte der Post mitteilten. Zunächst entwickelte der Mossad mit Sprengfallen versehene Walkie-Talkies, die dann am 18. September, einen Tag nach dem Pager-Angriff, gezündet wurden. Der Mossad versorgte die Hisbollah ab 2015 mit diesen Funkgeräten, die Akkupacks mit verstecktem Sprengstoff enthielten.
»Neun Jahre lang begnügten sich die Israelis damit, die Hisbollah abzuhören, sagten die Beamten, während sie sich die Option vorbehielten, die Walkie-Talkies in einer zukünftigen Krise in Bomben zu verwandeln«, so die Post.
Dann ergab sich auch noch die Gelegenheit, mit Sprengfallen versehene Pager an die Hisbollah zu verkaufen. Eine Marketing-Beauftragte, deren Identität nicht bekannt gegeben wurde und die selbst nichts von dem Plan wusste, schlug der Hisbollah irgendwann im Jahr 2023 das Pager-Modell AR924 vor. Der Pager wurde von der taiwanesischen Firma Gold Apollo hergestellt, »einer bekannten Marke und Produktlinie«, die keine bekannten Verbindungen zu Israel hatte, wie es im Zeitungsartikel heißt.
Die als Marketing-Beauftragte war der Hisbollah bekannt und genoss ihr Vertrauen. Die Frau war eine ehemalige Vertriebsmitarbeiterin für den Nahen Osten bei Gold Apollo und hatte eine Lizenz für den Verkauf von Pagern dieser Marke erworben. »Sie stand in Kontakt mit der Hisbollah und erklärte ihnen, warum der größere Pager mit der größeren Batterie besser war als das Originalmodell«, sagte ein israelischer Beamter. »Eines der Hauptverkaufsargumente für den AR924 war, dass er mit einem Kabel aufgeladen werden konnte. Und die Batterien hielten länger.«
Der Pager schien genau das Richtige für die Hisbollah zu sein: robust, zuverlässig, wasserdicht und für den Einsatz auf dem Schlachtfeld ausgelegt. Dank der längeren Akkulaufzeit konnte das Gerät monatelang ohne Aufladen betrieben werden. Das Beste daran war, dass sie angeblich absolut sicher vor israelischer Ortung waren. »Die Hisbollah-Führer waren so beeindruckt, dass sie fünftausend Stück kauften und im Februar damit begannen, sie an Kämpfer der mittleren Ebene und an das Hilfspersonal zu verteilen«, heißt es in dem Bericht.
Manipulation nicht nachweisbar
Die Pager wurden schließlich in Israel unter Aufsicht des Mossad zusammengebaut und von der Hisbollah bezahlt. Obwohl sie weniger als 85 Gramm wogen, gelang es dem Mossad, winzige, leistungsstarke Sprengstoffe in die Akkupacks einzubauen. »In einer Meisterleistung der Ingenieurskunst wurde die Bombenkomponente so sorgfältig versteckt, dass sie praktisch nicht nachweisbar war, selbst, wenn das Gerät auseinandergenommen wurde, so die Beamten. Israelische Beamte glauben, dass die Hisbollah einige der Pager zerlegt und sie möglicherweise sogar geröntgt hat«, berichtete die Washington Post.
US-Beamte teilten dem Nachrichtenportal Axios unmittelbar nach dem Anschlag mit, dass die Detonation früher als geplant erfolgte, da befürchtet wurde, dass sie von der Terrorgruppe entdeckt werden könnte, was von anderen Quellen allerdings später dementiert wurde.
Die Geräte konnten durch ein elektronisches Signal des Mossad aktiviert werden. Es war ein zweistufiger Entschlüsselungsprozess erforderlich, der sicherstellte, dass ein Terrorist den Pager mit beiden Händen hielt, wenn er explodierte. Die Explosion würde mit ziemlicher Sicherheit »beide Hände verletzen«, sodass die betroffene Person «kampfunfähig wäre«, so ein Beamter.
Ob die Sprengstoff-Pager ausgelöst werden sollten oder nicht, führte laut Washington Post zu einer heftigen Debatte innerhalb des israelischen Sicherheitsapparats. Zwar erkannten alle, einschließlich des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, das Potenzial der Pager, die Reihen der Hisbollah zu lichten. Allerdings gab es Bedenken hinsichtlich einer möglichen massiven Vergeltung durch die überlebenden Hisbollah-Führer und den Iran.
Die Hisbollah reagierte bisher jedoch nur mit Raketenbeschuss in etwa demselben Umfang wie vor dem Angriff. Der Iran feuerte am 1. Oktober als Reaktion auf den Pager-Angriff und die Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniyeh in Teheran und des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah in Beirut mehr als 180 Raketen auf Israel ab. »Es war klar, dass es einige Risiken gab«, sagte ein israelischer Beamter diesbezüglich zur Washington Post.
Letztlich beschloss Netanjahu, den Angriff zu genehmigen. Die Vereinigten Staaten seien zuvor weder über die Pager noch über die Debatte innerhalb Israels über deren Detonation informiert worden, so US-Beamte.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)