Latest News

Die soziale Tragödie des zeitgenössischen Iran

Die soziale Krise im Iran spitz sich immer weiter zu
Die soziale Krise im Iran spitz sich immer weiter zu (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Die Islamische Republik Iran ist ein verfallenes, verkrustetes System in tiefster wirtschaftlicher Not, das seine wachsenden inneren Krisen nicht mehr bewältigen kann.

In den alten iranischen Geschichten verkündeten die Stadtausrufer: »Schlaft ruhig, die Stadt ist sicher.« Heute jedoch ist jeder, der diesen Satz wiederholt, entweder realitätsfern oder gibt sich bitterem Sarkasmus hin. In dem Land namens Iran bietet die Nacht keinen Schutz, der Tag keine Sicherheit, die Straßen sind gefährlich und selbst die eigenen vier Wände sind kein Zufluchtsort mehr. Die Menschen leben nicht mehr, sie vegetieren nur noch.

Der Mord an Elahe Hosseinnezhad, einer 24-jährigen Frau, die lediglich in ein Sammeltaxi stieg, um nach Hause zu fahren und nie dort ankam, weil sie wegen ihres Mobiltelefons ermordet wurde, ist nicht nur ein weiterer Kriminalfall. Er symbolisiert eine tiefere, allgegenwärtige Krise, die jeden Aspekt der iranischen Gesellschaft erfasst hat: Armut, Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Misstrauen und das völlige Versagen eines Regimes, das sich seit Langem nicht durch Reformen oder Verantwortung, sondern durch Unterdrückung und Angstmacherei aufrechterhält, indem es warnt, dass sich das »Land« – womit immer das Regime gemeint ist, nicht die Bevölkerung – in einer »kritischen Phase« befindet und vor seinen »Feinden« – die wiederum nicht Feinde der Bevölkerung, sondern des Regimes sind – geschützt werden müsse.

Menschenleben nichts wert

In einer Gesellschaft, in der ein Mobiltelefon oder ein Laptop wie im Fall Amir Mohammad Khaleghi mehr Wert hat als ein Menschenleben, wachsen Kinder mit dem Mantra »Vertraue niemandem. Alle sind Monster« auf. Das ist nicht die Handlung eines dystopischen Films, es ist die alltägliche Realität im heutigen Iran.

Währenddessen prahlen die Vertreter der Islamischen Republik weiterhin mit »regionaler Macht«, »Fortschritten im Nuklearbereich« und »nationaler Unabhängigkeit«. Doch auf denselben Straßen leben Frauen und Kinder in Angst vor Entführung, Vergewaltigung und Tod. Ein verfallenes, ideologisch verkrustetes System, das seine wachsenden inneren Krisen nicht bewältigen kann, stützt sich ausschließlich auf Schlagstöcke und Gefängnisse, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, nicht auf Gerechtigkeit oder soziale Entwicklung.

Im heutigen Iran wird ein junger Mann wegen eines Laptops ermordet, eine Frau wegen eines Telefons. Diese Vorfälle ereignen sich in einem Land, in dem die Bürger solche grundlegenden Geräte weder legal noch erschwinglich erwerben können, während sie in weiten Teilen der Welt alltäglich und selbstverständlich sind. Und doch fordern die Beamten inmitten dieser Katastrophe die Menschen weiterhin auf, »Geduld zu haben« und auf eine »bessere Zukunft« zu hoffen – eine Zukunft, die niemals kommen wird.

Armut, Arbeitslosigkeit, Sucht, Gewalt, Massenmigration, Selbsttötungen und endemische Korruption haben eine Kette an Krisen gebildet, die jedes Gefühl der persönlichen und kollektiven Sicherheit untergraben. Die Wirtschaftsindikatoren in den letzten zwei Jahrzehnten zeigen eine Gesellschaft, die am Rande des sozialen Zusammenbruchs steht. In einem solchen Kontext ist die Ermordung einer jungen Frau oder eines jungen Mannes keine schockierende Ausnahme mehr, sondern eines von tausenden Symptomen.

Seien wir ehrlich: Serienmorde, gewalttätige Raubüberfälle, tägliche Selbsttötungen, wachsende Armut und die Massenflucht von Intellektuellen und Arbeitskräften sind für die Islamische Republik weniger alarmierend als ein einzelnes Haar, das unter dem Kopftuch einer Frau hervorblitzt. Während die Wirtschaft zerfällt, Justizbehörden zu Instrumenten der Anklagefabrikation verkommen und die Gesellschaft von innen heraus zerfällt, bleibt die oberste Priorität des Regimes die Erhaltung des Systems um jeden Preis.

Immer dieselbe Antwort

Noch seltsamer ist, dass dieser zerbrochene, bankrotte Apparat weiterhin glaubt, Lösungen für globale Krisen anbieten zu müssen: Frieden im Nahen Osten, Entkolonialisierung, Antiimperialismus und den Export der Revolution. Zugleich werden Straßenmorde nicht aufgeklärt oder der Tod eines Mädchens auf dem Heimweg nicht verhindert. Offenbar gehört die Lösung innerer Krisen nicht zu den Aufgaben dieses Systems. Denn wenn es eine Krise gibt, muss sie sicherlich die Schuld des »Feindes« sein, der für jeden Diebstahl, Mord, Inflationsschub und jede Welle der Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht wird.

Hier liegt die bittere Ironie: Selbst in Zeiten, in denen die Krisen milder und der internationale Druck schwächer waren, hatte das Regime keinen Plan für Entwicklung oder soziale Wohlfahrt. Und jetzt, da sich die Außenpolitik immer stärker um Sanktionen, Isolation und Krisen dreht, ist der Gedanke an soziale Stabilität geradezu lächerlich geworden. Für die Menschen sind Armut, Angst und Unterdrückung Teil ihres Alltags geworden. Und die Islamische Republik? Sie berechnet weiterhin den Grad der notwendigen Urananreicherung

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!