Erweiterte Suche

»Soziale Medien nehmen Antisemitismus nicht ernst genug«

Antisemitismus ist auf Sozialen Medien weit verbreitet, drei Viertel der Fälle werden nicht entfernt. (© imago images/AFLO)
Antisemitismus ist auf Sozialen Medien weit verbreitet, drei Viertel der Fälle werden nicht entfernt. (© imago images/AFLO)

Ein Bericht belegt, wie unzureichend Soziale Medien auf Antisemitismus reagieren, obwohl dieser klar gegen ihre Regeln verstoßen.

In einem neuen Bericht streicht die Nichtregierungsorganisation CyberWell, die sich dem Kampf gegen Online-Antisemitismus verschrieben hat, hervor, wie weit verbreitet antisemitische Inhalte in Sozialen Medien sind und wie unzureichend die verschiedenen Plattformen auf diese Hassrede reagieren.

Im Zentrum der Untersuchung, die sich auf das Jahr 2022 bezieht, standen die fünf Sozialen Medien TikTok, Facebook, Instagram, Twitter und YouTube. Analysiert wurden Zigtausende englisch- und arabischsprachige Beiträge, die unter Verwendung der u.a. auch von Deutschland und Österreich offiziell angenommenen Antisemitismus-Definition der International Remembrance Alliance auf mögliche antisemitische Inhalte durchleuchtet wurden. Dann wurde geprüft, ob sie den Gemeinschaftsregeln der jeweiligen Plattformen widersprachen und gegebenenfalls gemeldet.

Obwohl alle fünf Plattformen über Regeln verfügen, die Hasspostings untersagen, ist das Ergebnis von CyberWells Arbeit ernüchternd: Im Schnitt wurden nur 21 Prozent der antisemitischen Postings von den Plattformbetreibern entfernt, und selbst nach den zahlreichen von der NGO unternommenen Meldungen erhöhte sich diese Zahl nur auf 23,8 Prozent. Obwohl die Plattformen also auf die konkreten Postings aufmerksam gemacht wurden, blieben über drei Viertel der antisemitischen Inhalte weiter frei sichtbar.

Für Tal-Or Cohen, die Geschäftsführerin von CyberWell, belegen diese Zahlen, dass von Sozialen Medien »Online-Antisemitismus nicht ernst genug genommen wird«. Daran werde sich erst etwas ändern, »wenn die Plattformen der Durchsetzung ihrer eigenen Nutzungsbedingungen Priorität einräumen.«

Dass so viele antisemitische Postings nicht gelöscht werden, sei u.a. darauf zurückzuführen, dass den für die Löschungen zuständigen Mitarbeitern oft das nötige Wissen fehle, um antisemitische Inhalte zu erkennen. Das ist insofern überraschend, als es sich bei fast zwei Drittel der identifizierten Fälle nicht um Postings handelte, die schwierig zu bewerten gewesen wären und eines speziell geschulten Blickes bedurft hätten, sondern um Stereotype aus dem Repertoire des klassischen Antisemitismus, wie beispielsweise die Behauptung, Juden würden die Welt kontrollieren.

Interessant sind die Unterschiede, die zwischen den Plattformen zu bemerken sind. Auf Facebook ist das am weitesten verbreitete Stereotyp das von der angeblichen »jüdischen Weltherrschaft«, Twitter war im Gegensatz dazu für über 90 Prozent der Postings verantwortlich, in den zu Gewalt gegen Juden aufgerufen oder diese gerechtfertigt wurde.

Im Hinblick auf die Entfernung antisemitischer Postings schnitt Instagram eindeutig am schlechtesten ab: Nur 13 Prozent der Fälle wurden hier gelöscht. Den vergleichsweise besten Wert erzielte YouTube mit 31 Prozent.

Bemerkenswert sind auch die Unterschiede zwischen den verschiedensprachigen Postings. Während antisemitische Behauptungen auf Englisch tendenziell auf die angeblich enge Beziehung von Juden zu Geld und auf deren herbeifantasierten ökonomischen Einfluss abzielten, dominierten auf Arabisch Verschwörungstheorien nach dem Muster der berüchtigten Protokolle der Weisen von Zion und plumpe Dämonisierungen von Juden.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!