Erweiterte Suche

Soll Israel Waffen an die Ukraine liefern?

Solidaritätdemonstration mit der Ukraine in Rom
Solidaritätdemonstration mit der Ukraine in Rom (© Imago Images / ZUMA Wire)

Bis jetzt hat sich Israel bei seiner Unterstützung für die Ukraine sehr zurückgehalten – für Analysten eine zwiespältige Haltung mit allem Für und Wider.

David Isaak

Israel hat wiederholte ukrainische Bitten abgelehnt, das vom Krieg zerrissene Land mit seinem Iron-Dome-System und anderer militärischer Ausrüstung zu beliefern. Kürzlich verschärfte sich die Lage noch einmal, nachdem Russland mit iranischen Kamikaze-Drohnen zivile Zentren der Ukraine angegriffen hatte. Dementsprechend erklärte die Ukraine vergangene Woche, sie werde Israel formell um die Lieferung von Luftabwehrsystemen bitten, während sie zuvor nur informelle Anfragen gestellt hatte.

Israel hat der Ukraine humanitäre Hilfe geleistet, darunter ein voll ausgestattetes Feldlazarett im Wert von 6,5 Mio. Euro. Doch der Wunsch, die heikle Beziehung zu Moskau aufrechtzuerhalten, vor allem in Syrien, wo Russland Israel erlaubt, iranische Ziele anzugreifen, hatte Jerusalem bislang davon abgehalten, mehr zu tun.

Moralisch inakzeptabel und politisch unklug

Irina Tsukerman, Anwältin für nationale Sicherheit, geopolitische Analystin und Präsidentin des Beratungsunternehmens Scarab Rising, sagte nun, Israel müsse seine Strategie überdenken: »Zuallererst ist es in Israels bestem Interesse, Ländern zu helfen, die denselben Feind bekämpfen. Ungeachtet einer geringfügigen Zusammenarbeit in Syrien ist Russland ein feindlich eingestellter Staat. Es hat auf der Ebene des Außenministeriums feindselige öffentliche Erklärungen abgegeben. Es hat die Beziehungen zur Hamas gefördert. Und es hat auf allen Ebenen mit dem Iran kooperiert.«

Tsukerman fügte hinzu, dass Russland, das durch seinen Krieg in der Ukraine geschwächt ist, in Syrien nicht mehr eine solche Gefahr wie einst darstelle. In diesem Sommer zog es S-300 Boden-Luft-Raketen aus Syrien ab, um seine Verteidigung gegen die Ukraine zu verstärken; die modernen S-400-Raketen sind jedoch noch immer noch in Syrien stationiert.

Während Israel der Ukraine kurzfristig nicht helfen könne, würde sich die Unterstützung des osteuropäischen Landes in der Zukunft politisch auszahlen, sei es in internationalen Foren wie den Vereinten Nationen oder in Form von militärischer, nachrichtendienstlicher, logistischer und insbesondere Cyber-Kooperation, argumentierte Tsukerman.

Stattdessen weigere sich Israel nicht nur, Waffen zu liefern, sondern blockiere auch die Lieferung von israelischem Material durch Dritte. Israel hat gegenüber den baltischen Staaten und Deutschland ein Veto eingelegt, Waffen aus israelischer Produktion an die Ukraine zu liefern. »Kann Israel mit den Vereinigten Staaten und den Großmächten konkurrieren, was die Menge der von ihm gelieferten Waffen angeht? Natürlich nicht, aber das wird auch nicht von Israel verlangt oder erwartet. Ich denke, die Tatsache, dass Israel in dieser Hinsicht absolut nichts getan hat, weder moralisch akzeptabel noch politisch klug ist.«

Israel muss zurückhaltend sein

Eyal Pinko, Forscher und Dozent an der Bar-Ilan-Universität, der jahrelang im israelischen Geheimdienst tätig war, vertritt die gegenteilige Ansicht. Er erklärte, dass Amerikas Schwerpunktverlagerung vom Nahen Osten nach Ostasien, die während der Obama-Regierung begonnen hat, Russland zum »wichtigsten« Akteur in der Region gemacht habe. »Wie in der Physik gibt es auch hier kein Vakuum, und Russland hat den Platz Amerikas eingenommen. Der einzige Akteur auf der Weltbühne, der den Iran zumindest ein wenig kontrollieren kann, ist Russland.«

Die Russen seien immer noch in Syrien präsent, und er glaube nicht, dass sie aus dem Nahen Osten verschwinden werden. Deshalb sei es wichtig, dass Israel in irgendeiner Form Einfluss auf Russland hat.

Pinko bestreitet zwar nicht, dass sich Russland dem Iran angenähert hat, doch er warnt, dass eine Unterstützung der Ukraine Russland nur noch weiter ins feindliche Lager drängen würde. Verstärke Israel die Unterstützung für die Ukraine, werde Russland verärgert sein. »Sie werden noch viel radikalere Schritte gegen uns und in Richtung Iran unternehmen«, sagte er und merkte an, Israel würde die Gegenreaktion »mehr oder weniger sofort« spüren.

Ein weiterer Grund, weshalb Israel zurückhalten sein sollte, sei das Verhalten der Ukraine in der Vergangenheit. »Unter der Regierung Wolodymyr Selenskyj hat die Ukraine in der UNO fünfunddreißig Mal bewusst gegen Israel und für die Palästinenser und Iraner gestimmt«, so Pinko. Die Ukraine habe sehr gute Beziehungen zum Iran gehabt. Als Präsident Trump 2018 Sanktionen gegen den Iran verhängte, habe das Land etwa weiterhin iranisches Öl durch ihre Pipelines geleitet.

Angesichts dieser Lage gebe es hier es keine guten Akteure, sagte Pinko. »Das Beste ist, sich nicht einzumischen. Ein paar Medikamente zu schicken, das ist in Ordnung. Aber Russland gegenüber aggressiver zu werden, ist ein sehr schlechter Schritt, der die Region destabilisieren wird.«

Demokratien sollten zusammenstehen

John Hardie, stellvertretender Direktor des Russland-Programms der Foundation for Defense of Democracies, einem in Washington ansässigen Thintank, wiederum erklärte, er würde es begrüßen, wenn Israel Waffen zur Verteidigung der Ukraine beisteuerte. »Wahrscheinlich gibt es in der US-Regierung einige, die das genauso sehen. Ich würde nicht unbedingt behaupten, Israel macht etwas falsch. Sie müssen auf ihre Interessen achten. Aber es wäre schön, würde Israel als Demokratie für eine andere Demokratie eintreten.«

Hardie räumte ein, dass Israel »einige sehr legitime Gründe« habe, warum es zögere, diesen Schritt offen zu tun, und räumte ein, dass der jüdische Staat in der Tat »Wichtigeres zu tun« habe, zum Beispiel den Iran daran zu hindern, präzisionsgelenkte Raketen an die Hisbollah im Libanon zu liefern.

Russland übe unterdessen weiterhin Druck auf Israel aus, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. »Moskau hat Israel in den letzten Monaten definitiv verschiedene Signale gesendet, damit Israel sich an die Regeln Moskaus hält«, sagte Hardie und verwies auf den Abschuss einer S-300-Rakete auf einen israelischen Jet im Juni, die verschärfte Rhetorik zugunsten der Palästinenser und die Drohung, die russische Niederlassung der Jewish Agency for Israel zu schließen.

Wenn er sich gegenüber israelischen Beamten für ein stärkeres Eingreifen aussprechen müsste, dann würde er sagen, dass sowohl Israel als auch die Ukraine Demokratien sind, und dass Demokratien bei der Verteidigung ihrer gemeinsamen Werte zusammenstehen sollten.

Darüber hinaus würd er sagen, »dass die Russen in Syrien große Töne spucken, aber wollen sie sich dort wirklich in einem militärischen Konflikt mit Israel messen? Würden sie tatsächlich versuchen, ein israelisches Kampfflugzeug mit dem S-400 abzuschießen?« Er würde darauf wetten, dass Moskau dies nicht wolle, »vor allem, wenn russisches Militär in Syrien gebunden ist«, sagte Hardie. Russlands Luftabwehr »könnte bei einem solchen Schlagabtausch sehr wohl den Kürzeren gegen Israels F-35 ziehen. Ich würde sogar darauf wetten, und in diesem Fall würde es für Russland nicht gut aussehen.«

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!