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Der Skandal um die französische Botschaft in Bagdad

Der ehemalige Botschafter Bernard Bajolet (li.) vor der wiedereröffneten französischen Botschaft in Bagdad im Jahr 2004
Der ehemalige Botschafter Bernard Bajolet (li.) vor der wiedereröffneten französischen Botschaft in Bagdad im Jahr 2004 (Quelle: JNS)

Frankreich wird beschuldigt, über fünfzig Jahre lang in voller Kenntnis der Sachlage gestohlenes jüdisches Eigentum in Form des französischen Botschaftsgebäudes in Bagdad verwendet zu haben.

Lyn Julius

Die französische Botschaft in Bagdad ist in einem ehemals prächtigen, weißen Stuckgebäude untergebracht, das über ein weitläufiges Grundstück, Dattelpalmen, Springbrunnen, zwölf Schlafzimmer und einen Swimmingpool verfügt. Dieses Gebäude ist nun zu einem Symbol der Ungerechtigkeit geworden, da ein Nachfahre der ursprünglichen jüdischen Eigentümer, der Brüder Ezra und Khedouri Lawee, Millionenbeträge an unbezahlter Miete einklagt. Philip Khazzam, ein Enkel von Ezra Lawee, verklagt jedoch nicht den Irak, sondern Frankreich.

Die Lawees gehörten zu jenen 850.000 Juden, die aus arabischen Ländern fliehen mussten und ihrer Häuser und Besitztümer beraubt wurden. Die große Mehrheit der 150.000 irakischen Juden wurde 1950/51 nach Israel ausgeflogen. Sie gaben ihre Staatsbürgerschaft auf, um nach einem brutalen Pogrom während des Zweiten Weltkriegs und einer Zeit der Verfolgung das Land verlassen zu dürfen. Jüdisches Eigentum und Vermögen wurden konfisziert.

In den 1950er Jahren zog die Familie Lawee nach Montreal und stellte einen Hausmeister ein, der sich um das nun leerstehende Haus in Bagdad kümmern sollte. Die Familie behielt ihren Grundbesitz und fand 1964 einen Mieter: Frankreich suchte eine Immobilie für seine neue Botschaft. Der Vertrag sah eine nominale Miete in irakischen Dinar und eine weitere, wesentlich höhere Summe in Francs vor. Es war eine minimale finanzielle Entschädigung für die faktische Vertreibung der Familie Lawee aus dem Irak.

Nach dem Sechstagekrieg 1967 kam jedoch die Baath-Partei im Irak an die Macht und forderte von Frankreich, die Miete direkt an den irakischen Fiskus zu überweisen. Das Gebäude wurde beschlagnahmt.

Nicht nur eine Immobilie

Als Frankreich 2004 seine Botschaft in Bagdad wiedereröffnete, stellten die Nachkommen der Lawees aufgrund der Grundstücksknappheit in Bagdad fest, dass die Immobilie Millionen wert sein könnte. Philip Khazzam sagte gegenüber The Globe and Mail: »Plötzlich wurde mir klar, dass es hier nicht nur um eine Immobilie geht. Es geht nicht nur um das Haus, es geht um Menschenrechte. Und Frankreich hat die Menschenrechte mit Füßen getreten. Die Ungerechtigkeit der ganzen Situation hat mich dazu veranlasst, etwas zu unternehmen.«

Im Jahr 2021 beauftragten er und mehrere seiner Cousins den Anwalt Jean-Pierre Mignard mit dem Fall. Da fast kein jüdischer Flüchtling jemals von arabischen Regierungen für ihr gestohlenes Eigentum entschädigt wurde, ist die Klage gegen ein »befreundetes, demokratisches Land« wie Frankreich möglicherweise die beste Chance für die Familie auf Entschädigung. Der Fall Lawee beruft sich zudem auf einen Präzedenzfall: Die Familie Bigio, jüdische Flüchtlinge aus Ägypten, die sich ebenfalls in Montreal niedergelassen haben, führt einen langjährigen, noch immer nicht abgeschlossenen Kampf um Gerechtigkeit gegen den Großkonzern Coca-Cola, der ihre enteignete Abfüllanlage und Vermögenswerte in Ägypten übernommen hatte.

Mignard schrieb im Winter 2024 einen Brief, in dem er den für die diplomatischen Vertretungen zuständigen französischen Außenminister scharf kritisierte: Frankreich habe »fünfzig Jahre lang in voller Kenntnis der Tatsachen und ohne jemals eine moralische oder wirtschaftliche Wiedergutmachung zu leisten, gestohlenes jüdisches Eigentum besetzt. Das erscheint mir als ein Skandal, dem wir ein Ende bereiten sollten.« Obwohl Mignard zunächst auf wohlwollendes Gehör stieß, reagierte die französische Regierung letztlich mit einer Blockadehaltung.

Wichtiger Präzedenzfall

Khazzam hoffte, dass »Frankreich, die Wiege der Menschenrechte, eine ungerechte Situation anerkennen und zu einer Einigung kommen würde, etwas Anständiges tun würde«. Er fordert von Frankreich 33 Millionen Dollar an Mietrückständen und Schadensersatz für die Nutzung des Gebäudes.

»Ein solcher Fall wurde bislang selten, wenn überhaupt schon einmal, vor Gericht geklärt«, so Stanley Urman, stellvertretender Vorsitzender von Justice for Jews from Arab Countries, einer Organisation, die sich für die Rechte jüdischer Flüchtlinge einsetzt. Einem aktuellen Bericht seiner Organisation zufolge wurden allein irakischen Juden Vermögenswerte im Wert von rund 34 Milliarden Dollar (nach heutiger Kaufkraft) entzogen.

Philip Khazzam habe eine sehr ungewöhnliche Geschichte, sagte Urman, »und es ist sein Verdienst, dass er trotz vieler Hindernisse soweit gekommen ist. Ich denke, dies wäre ein wichtiger Präzedenzfall für das Recht der Juden auf Entschädigung und würde hoffentlich einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle schaffen, die in Zukunft verhandelt werden.« Dieser Fall ist eine Chance für Frankreich, das Richtige zu tun. Es wäre der Gipfel der Heuchelei, würde sich Frankreich weiterhin mitschuldig dabei machen, die Menschenrechte von fast einer Million Juden, die aus arabischen Ländern vertrieben wurden, mit Füßen zu treten.

Lyn Julius ist Autorin des 2018 erschienenen Buchs Uprooted: How 3,000 Years of Jewish Civilization in the Arab World Vanished Overnight. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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