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Sind Windräder in Israel gefährlicher als anderswo?

Windpark auf den israelischen Golanhöhen
Windpark auf den israelischen Golanhöhen (© Imago Images / agefotostock)

Windräder zur Energiegewinnung sind eine gute Sache – aber nicht, wenn sie in Israel stehen. Diesen Eindruck vermittelt der Bericht einer deutschen ARD-Korrespondentin.

Sophie von der Tann ist Korrespondentin des Bayerischen Rundfunks (BR) in Tel Aviv. Ende September veröffentlichte sie auf der Nachrichtenwebsite tagesschau.de eine schriftliche Minireportage über Windkraftanlagen in Israel, von denen etliche seit 1992 auf Israels höchstem Gebirgszug montiert sind, den Golanhöhen, die von der Journalistin als »annektierter Golan« bezeichnet wird.

Sie berichtet von einem Winzer namens Tal Pelter, der sich um die Natur und den Tourismus sorgt, sollten die Windparks erweitert werden. »Zweihundert neue Windkraftanlagen sollen auf dem Golan gebaut werden«, schreibt von der Tann, »die neuesten über zweihundert Meter hoch – höher als Tel Aviver Wolkenkratzer, wie israelische Zeitungen titeln«. Übertrieben hoch, soll das wohl heißen.

Viele Siedlungen auf dem Golan profitierten von den Einnahmen durch Windenergie, berichtet sie, weshalb solche Projekte zunächst auch die Zustimmung der auf dem Golan lebenden Drusen – von der Tann nennt sie etwas irreführend »syrische Drusen« – gefunden hätten. Doch einer von ihnen sei »mittlerweile zu einem Aktivisten gegen die Windräder geworden«.

Der »Widerstand«, der sich »regt«, wie es im Vorspann heißt, ist das eigentliche Thema des ARD-Beitrags. Ein israelischer Physiker, der ebenfalls gegen die Windräder opponiert – und wohl gerade deshalb von der BR-Reporterin befragt wurde –, verweist auf die Gefahren für Zugvögel, die von den Windfarmen ausgingen. »Im Frühling und Herbst fliegen etwa 200.000 Vögel über die Golanhöhen von Europa nach Afrika und zurück«, hat Sophie von der Tann herausgefunden.

Viele Vögel würden durch die Windräder verletzt, berichtete ihr Hagit Ulanosky von der israelischen Natur- und Park-Behörde. Die Schäden für Zugvögel seien im Golan »so hoch wie an kaum einem anderen Ort«, wird er zitiert. Und was die gesundheitlichen Folgen für Menschen betreffe, gebe es einen »Nocebo-Effekt«: »Befürchtet man Auswirkungen auf die Gesundheit, kann es in der Tat zu solchen kommen, auch wenn kein Zusammenhang mit den Windrädern als tatsächliche Ursache festgestellt werden kann.«

Als Fürsprecher der Windkraftanlagen lässt die Reporterin einen Landwirt zu Wort kommen, der meint, wolle Israel bis zum Jahr 2030 fast ein Drittel seines Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen, müsse eben »alles« dafür getan werden, und zwar »auch hier«. Wer in den Golan ziehe, habe oft »ein ruhiges, grünes Postkartenleben« im Kopf, das aber »eben nicht die Realität« sei.

Im Unterschied zu ihrer Reportage über das Jerusalemer Auguste-Viktoria-Krankenhaus, in der sie den Gegnern des Antisemitismus die Schuld daran gab, dass die Palästinensische Autonomiebehörde ihre Schulden nicht bezahlen könne, ist Sophie von der Tanns Beitrag über die Windräder keine Propaganda. Die darin geäußerten Sorgen um die Folgen des Windkraftbooms sind legitim. Auch hat sich von der Tann diesmal bemüht, mehr als nur einer Seite Gelegenheit zu geben, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Das ist ein Fortschritt. An ihrem Artikel gibt es wenig auszusetzen.

Umweltministerin fordert Baustopp

Würde man die Messlatte sehr hoch setzen, könnte man vielleicht noch erwarten, die BR-Reporterin wüsste, dass die geplanten Windräder noch nicht genehmigt sind und auch nicht genehmigt werden, geht es nach dem Willen der Umweltschutzministerin Tamar Zandberg.

Die Times of Israel veröffentlichte am 20. Juli einen ausführlichen Artikel über die nicht nur für Zugvögel, sondern auch für Menschen, Fledermäuse, am Boden lebende Säugetiere und Amphibien ausgehenden Gefahren der Windräder. Dieser Beitrag ist um einiges informativer und faktenreicher als der deutsche. Aber daraus soll man der Autorin keinen Strick drehen: Selbstverständlich berichten Israelis ausführlicher und genauer über das, was in Israel geschieht. Warum sollten deutschen Lesern die Vögel des Golan ebenso am Herzen liegen wie israelischen?

Gerade das aber ist es, was an von der Tanns Bericht irritiert: Woher rührt das Interesse einer Reporterin des Bayerischen Rundfunks an durch israelische Windkraftanlagen getötete Zugvögel? Nicht, dass es ein illegitimes Interesse wäre: Journalisten dürfen über alles schreiben, sie müssen auch nicht rechtfertigen, weshalb sie sich für ein bestimmtes Thema interessieren. Jedoch: Etwas seltsam ist es schon, warum tagesschau.de die Gefahren von Windrädern ausgerechnet am Beispiel Israels illustriert und nicht etwa am Beispiel Deutschlands oder irgendeiner europäischen Region. Läge das nicht näher, allein schon geografisch?

Böse Windräder in Israel

Auch schlagen die ARD-Autoren für gewöhnlich einen ganz anderen Ton an, wenn es um dieses Thema geht. Reichen Vogelschützer gegen den Bau bestimmter Windparks in Deutschland Klage ein, wird das auftagesschau.de als ärgerliches Hindernis dargestellt (»Wie Klagen den Windkraftausbau verzögern«; »Woran der Windkraft-Ausbau scheitert«).

Es wird gefragt, ob der Artenschutz »nur vorgeschoben« sei. Was ist mit den Vögeln? Diese haben hierzulande eigentlich gar nichts gegen Windräder. Der Rotmilan, berichtet Björn Dake aus dem ARD-Hauptstadtstudio, habe »nach Ansicht von Fachleuten ganz andere Probleme« als jenes, von Windrädern geschreddert zu werden: »Er findet nur schwer Nahrung. Oft verkleinert die Landwirtschaft den Lebensraum der Vögel und ihrer Beute – nicht ein Windrad.«

Aha. Windräder sind also kein großes Problem für den Rotmilan, von einem Nocebo-Effekt, den Windräder auf die Gesundheit von Menschen haben könnten, ganz zu schweigen. Das unterscheidet Windräder im Schwarzwald offenbar von solchen auf dem Golan.

Geht es um Windkraft in Deutschland, beklagen ARD-Journalisten auf tagesschau.de immer wieder einen in ihren Augen zu langsamen Ausbau. »Zu viel Bürokratie« bringe den Ausbau ins »Stocken«. Eine »Flaute beim Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg« wird beklagt. In einem Filmbericht sagte der Windkraftlobbyist Jörg Dürr-Pucher vor laufender Kamera: »Die, die dagegen sind, AfD, FDP, kommen bei jedem Projekt aus den Löchern, führen den Widerstand an und tragen Bedenken.«

Bei dem Beitrag über Windräder in Israel geht es um das Vogelsterben; nicht die Windräder, sondern der »Widerstand« dagegen wird in einem positiven Licht präsentiert. Windkraftgegner auf dem Golan leben auch nicht in »Löchern«. Windräder, so scheint es, sind gut – außer, wenn sie in Israel stehen.

Aggressive Berichterstattung

In Beiträgen über den Staat Israel wird das Negative hervorgehoben, weiß der Journalist Matti Friedman zu berichten. Er arbeitete zwischen 2006 und 2011 im Jerusalemer Büro der amerikanischen Nachrichtenagentur AP. Dabei fiel ihm auf, dass die Beiträge über Israel grundlegend anders waren als jene über andere Länder. In einem Artikel für das amerikanische Magazin Tablet schrieb er später:

»Israelisches Handeln wird analysiert und kritisiert, und jeder Fehler in der israelischen Gesellschaft wird auf aggressive Weise berichtet.«

Friedman begann die Artikel zu zählen, die Israel in ein schlechtes Licht rücken:

»In einem Zeitraum von sieben Wochen, vom 8. November bis 16. Dezember 2011, beschloss ich, die Stories zu zählen, die aus unserem Büro über die verschiedenen moralischen Fehler der israelischen Gesellschaft kamen – Gesetzesvorschläge zur Unterdrückung der Medien, der wachsende Einfluss von Israels orthodoxen Juden, nicht genehmigte Siedlungsaußenposten, Geschlechtertrennung und so weiter. Ich habe 27 einzelne Artikel gezählt, durchschnittlich alle zwei Tage eine Story.«

Nach einer »sehr konservativen Schätzung«, so Friedman, habe AP in diesen sieben Wochen mehr signifikant kritische Texte über Israel veröffentlicht als über die Palästinensische Autonomiebehörde, die palästinensische Gesellschaft und die Hamas »in den vorangegangenen drei Jahren«.

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