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Selbstprüfung der Hisbollah offenbart eigene Niederlage

Der aus Solidarität mit der Hamas begonnen Krieg der Hisbollah gegen Israel endete mit einer Niederlage
Der aus Solidarität mit der Hamas begonnen Krieg der Hisbollah gegen Israel endete mit einer Niederlage (Quelle: JNS)

Der Krieg gegen Israel, den die Hisbollah nach dem Hamas-Überfall auf den jüdischen Staat begonnen hatte, endete in einer Niederlage und lässt Fragen über die Zukunft der Terrorgruppe aufkommen.

Raphael G. Bouchnik-Chen

Während das am 27. November 2024 geschlossene Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hisbollah am 18. Februar, an dem die Frist für den Abzug der israelischen Streitkräfte abläuft, in eine neue Phase tritt, stellen sich viele Fragen zu den nächsten Schritten im Südlibanon. Die libanesische Armee verzögert ihre Mission, die Kontrolle über das Gebiet südlich des Litani-Flusses zu übernehmen, wobei Israel klargestellt hat, seine Streitkräfte solange aus dem Südlibanon nicht abzuziehen, als die Außenposten der Hisbollah in dem Gebiet verbleiben.

Zumindest oberflächlich betrachtet scheint die Motivation der Hisbollah, die Feindseligkeiten gegen Israel wieder aufzunehmen, gering zu sein. Am 8. Oktober 2023 hatte die Terrororganisation eine als Solidaritätsbekundung mit dem barbarischen »Al-Aqsa-Flut«-Massaker der Hamas am Tag zuvor gedachte Militärkampagne gegen Israel begonnen. Der Krieg endete nach über einem Jahr in einer Niederlage und löste eine Selbstprüfung der iranischen Stellvertretermiliz im Libanon aus.

Die schiitische Organisation versucht zwar, nach außen das Bild eines glorreichen Sieges zu vermitteln, aber nachdem ihr mythenumrankter Anführer Hassan Nasrallah von Israel eliminiert wurde – gemeinsam mit dem Großteil ihrer Militärkommandos, etwa 2.500 ihrer Feldoperateure und fast gänzlich ihrer Ressourcen –, klingt das Prahlen mit der großen Niederlage des »zionistischen Feindes« hohl. Es ist nichts weiter als eine Fassade für das heimischen Publikum.

Zusammenbruch der »Achse des Widerstands«

Die Terrormiliz selbst räumte ein, dass das riesige Arsenal an Waffen, das sie angehäuft hatte, von Israel erheblich geschwächt wurde. Dies schließt erhebliche Schäden an ihrer Gefechtsgliederung und dem Spektrum ballistischer Raketen ein, die von der iranischen Revolutionsgarde sowohl als Abschreckungsmittel als auch als iranische Frontlinie zur Aufrechterhaltung einer Zweitschlag-Fähigkeit gegen Israel gepflegt und gewartet wurden.

Vor der militärischen Dezimierung des Waffenarsenals leitete die israelische Geheimdienstoperation vom 17. September 2024, bei der Tausende von Pagern, die von Mitgliedern des Hauptquartiers und der Feldtruppen benutzt worden waren, zeitgleich zur Explosion gebracht wurden, den Beginn der Untergrabung ihres Status als wichtigste militärische Einheit im Libanon ein.

Einer der schwersten der vielen Schläge, welche die Hisbollah einstecken musste, war der Sturz von Baschar al-Assad im Dezember 2024. Viele Jahre lang spielte das alawitische syrische Regime in logistischer und ideologischer Hinsicht eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der schiitischen »Achse des Widerstands« mit dem Ziel, die Hisbollah als aktiven Arm des Irans gegen Israel zu erhalten. Darüber hinaus beschleunigte der dramatische Schaden, den Israel dem Iran bei dem Vergeltungsschlag gegen dessen Raketenangriff vom 26. Oktober 2024 zufügte, die Untergrabung des Einflusses Teherans und seiner regionalen Bestrebungen, insbesondere im Libanon, dramatisch.

Libanesische Quellen stellten fest, dass sich die Beziehungen von Präsident al-Assad zur Hisbollah und sogar zu den Iranern bereits vor dem 7. Oktober 2023 abgekühlt hatten. Assad war daran interessiert, den Handlungsspielraum der Iraner auf syrischem Territorium einzuschränken und die Aktivitäten der Hisbollah in seinem Land zu begrenzen.

Möglicherweise hatte die Uhr bereits damals begonnen, in Richtung Zerfall der »Achse des Widerstands« zu ticken. Es ist nicht auszuschließen, dass verdeckte israelische Kontakte mit Assad über einen Internet-Kommunikationskanal, dessen Existenz kürzlich öffentlich gemacht wurde, ein Faktor für die Beschleunigung des Zerfalls der schiitischen Achse waren.

Hisbollah analysiert Niederlage

Worüber denkt die Hisbollah-Führung in dieser schwierigen Zeit nach? Sie denkt natürlich nicht an die Einrichtung einer öffentlichen Untersuchungskommission, aber zuallererst muss sie dennoch analysieren, warum der Krieg aus ihrer Sicht so katastrophale Folgen hatte. Sie wird die Sicherheitslücken berücksichtigen müssen, die es Israel ermöglichten, so tief in ihre Strukturen einzudringen. Und sie wird ihren strategischen Ansatz zur Fortsetzung des Konflikts mit Israel neu gestalten müssen. Dies erfordert die Lösung von Problemen sowohl beim Wiederaufbau ihrer Streitkräfte als auch bei der Ausbildung neuer Kämpfer. Darüber hinaus muss die Gruppe auch einen Plan für den Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur im Südlibanon ausarbeiten, wo traditionell eine schiitische Mehrheit lebt.

Die Führungsspitze der Hisbollah kann die immer lauter werdenden Stimmen innerhalb der Organisation nicht ignorieren, die einen neuen Ansatz befürworten, der die libanesische Identität der Bewegung betont. Sollte dieser nationale Ansatz angenommen werden, könnte dies eine Verringerung der traditionellen Abhängigkeit der Organisation vom Iran und eine praktischere und substanziellere Integration in die libanesische Innenpolitik bedeuten.

Es besteht kein Zweifel, dass die Wahl von Joseph Aoun zum Präsidenten nach einem längeren Regierungsvakuum und die Ernennung von Nawaf Salam zum Premierminister die Einschränkungen des Wegs der Hisbollah im Libanon verschärfen. Sie sind auch eine schallende Ohrfeige für den Iran.

Chancen für sunnitische Achse

Die derzeitige Schwäche des Irans im Nahen Osten legt den Grundstein für die Förderung einer pragmatischen sunnitischen Achse unter der Führung Saudi-Arabiens, wobei der Libanon möglicherweise der erste Testfall für einen solchen geostrategischen Wandel ist.

Obwohl es noch zu früh ist, Grabreden auf die Hisbollah als einflussreiche substaatliche Organisation im Libanon zu halten, scheint es, dass die Ambitionen des gewählten Präsidenten, »eine Armee für einen Staat« zu schaffen und damit implizit die Hisbollah mit internationaler Unterstützung zu entwaffnen, starke Signale für die Zukunft der Gruppe setzen. Man kann vorsichtig davon ausgehen, dass sie nie wieder das sein wird, was sie einmal war.

Das Engagement der westlichen Mächte, insbesondere die führende Rolle der Vereinigten Staaten bei der Gestaltung eines erneuerten Libanons, könnte als Barriere gegen den radikalen Flügel der Hisbollah dienen, der sein Bestreben, seine militärische Macht sowie den iranischen Einfluss im Libanon wiederherzustellen, nicht aufgegeben hat. Diesem Bestreben zum Trotz ist es vorerst unwahrscheinlich, dass die Hisbollah das Feuer auf Israel allzu bald wieder eröffnen wird. Dies ist zweifellos ein Ausdruck des bemerkenswerten Schlags, den das israelische Militär der Organisation versetzt hat, die bis vor Kurzem als die mächtigste Terrorarmee der Welt galt.

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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