Im September dieses Jahres wird zum ersten Mal ein österreichischer Zivildienstersatzdiener im Rahmen des Vereins Österreichischer Auslandsdienst seinen Sozialdienst beim ägyptischen Erfolgsprojekt Sekem antreten.
Daniel Schuster
Der Verein Österreichischer Auslandsdienst fußt auf der Anerkennung von Verantwortung der Republik Österreich für die Verbrechen des Nationalsozialismus, was er primär durch den Gedenkdienst ausdrückt. Durch dieses Programm werden Zivilersatzdiener und Freiwillige zu verschiedenen Organisationen und Orten wie dem Auschwitz Jewish Center in Oswiecim, dem Simon Wiesenthal Center in Los Angeles und nach Yad Vashem in Jerusalem entsandt.
Ein integraler Aspekt der Holocaust-Erinnerung und -Bildung ist jedoch die konstruktive und aktive Gestaltung der Gegenwart und Zukunft. Daher bietet der Verein auch einen Sozial- und einen Friedensdienst an. Das österreichische Freiwilligengesetz definiert den Sozialdienst als Unterstützung für die »wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes«. Aktuell stellt der Österreichische Auslandsdienst 48 Einsatzstellen für solche Dienste bereit. Eine dieser neuen ist das ägyptische Sekem, etwa sechzig Kilometer nördlich von Kairo, wo im September zum ersten Mal ein österreichischer Zivildienstersatzdiener seinen Sozialdienst antreten wird.
Sekem wurde von Ibrahim Abouleish gegründet, der 1937 in Ägypten geboren wurde und 1956 nach Österreich zog, wo er Technische Chemie an der Technischen Universität Graz studierte. Nachdem er geheiratet hatte, Vater zweier Kinder wurde und in der Arzneimittelforschung tätig war, besuchte er 1975 Ägypten. Die Not, die er dort sah, bewegte ihn so sehr, dass er 1977 beschloss, nach Ägypten zurückzukehren und ein Experiment zu starten.
Alternativer Nobelpreis für Frieden
Seine Vision war, ein Projekt für kulturelle und wirtschaftliche Erneuerung auf Basis einer Synthese aus Islam und Anthroposophie inmitten der Wüste zu etablieren. Bäume wurden gepflanzt, Büffel gezüchtet, Milchprodukte verkauft, heilkräftiges Methoxsalen und Kräutertee hergestellt und biodynamische Landwirtschaft betrieben. Ein Kindergarten und eine Schule wurden nach dem Prinzip der Waldorfpädagogik errichtet, ebenso wie eine Gesellschaft für kulturelle Entwicklung gegründet wurde, die Vorträge, Konzerte und andere Aktivitäten organisierte.
In Sekem wurde das erste private pharmazeutische Unternehmen Ägyptens gegründet, das sich auf heilkräftige Tees spezialisierte. Berufsbildende Schulen für Metallarbeit, Tischlerei, Schneiderhandwerk, Mechanik und Elektrotechnik sowie biodynamische Landwirtschaft kamen hinzu. 1999 wurde die Sekem Akademie/Universität gegründet, die noch weitere Bildungsfelder anbot. 2003 erhielten Sekem und Ibrahim Abouleish den Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis für Frieden.
Vor dem Hintergrund der Vorstellung von der Welt als zusammenhängendem Ökosystem strebt der Verein danach, durch seine grenzüberschreitenden Beiträge das Leben auf unserem Planeten zu verbessern. Investitionen in nachhaltige Entwicklung, die Erinnerung an die Shoah und die Entsendung von Freiwilligen zu Friedensinstituten sind Teil dieser Bemühungen.
Sekem wird sowohl vom Österreichischen Auslandsdienst als auch von den österreichischen diplomatischen Vertretungsbehörden in Ägypten als unterstützungswürdig eingestuft. Die Kooperation wurde von der Leiterin des österreichischen Kulturforums in Kairo, Sabine Kroissenbrunner, vorgeschlagen. Über die entstandene Partnerschaft schreibt sie in einem Brief an den Verein Österreichischer Auslandsdienst:
»Sekem ist eine österreichisch-ägyptische Initiative und eine wichtige Brücke zwischen beiden Ländern, Menschen, Kulturen und Kontinenten. Sekem hat seit den 1970er Jahren eine Vision für die Zukunft entwickelt und setzt diese konsequent und strategisch um: Ökologie, Bildung, Gemeinschaftsbildung. Heute ist Sekem Marktführer in der ökologischen Landwirtschaft und Textilproduktion in Ägypten und exportiert weltweit.
Bildungseinrichtungen innerhalb des Unternehmens sowie die Heliopolis University for Sustainable Development dienen der Ausbildung und Forschung. Diese auf Gemeinschaftsentwicklung basierende Nachhaltigkeitsstrategie leistet einen Beitrag zur Regionalentwicklung in Ägypten. Damit ist Sekem ein hervorragender Ort für jeden österreichischen Sozialdiener, der an einem Zukunftsmodell mitwirken kann, das sich mit nachhaltiger Lebensmittelproduktion und -sicherheit, Klimawandelbekämpfung und einer Kultur des Dialogs beschäftigt.«
Die Wüste zum Blühen bringen
Die Vision, der Wüste Leben zu geben, teilen Ibrahim Abouleish und die Hebräer aus biblischen Zeiten: »Die Wüste und das dürre Land sollen sich freuen; die Wüste soll jubeln und blühen wie die Lilie« (Jesaja 35, V. 1, 6,7).
Diese Vision inspirierte ebenso die Zionisten. David Ben-Gurion, der erste Premierminister Israels, war überzeugt, die Zukunft Israels liege in der Wüste Negev. Der ehemalige Ministerpräsident und Staatspräsident Shimon Peres betonte, dass in einem Land ohne Bodenschätze der größte Vorteil der Verstand sei: »Durch Kreativität und Innovation haben wir die karge Wüste in blühende Felder verwandelt und Pionierarbeit in Wissenschaft und Technologie geleistet.«
Obwohl Ibrahim Abouleish David Ben-Gurion und Shimon Peres vermutlich nicht persönlich kannte, hätten sie sicherlich gegenseitige Anerkennung für ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit und eine mögliche Zusammenarbeit gefunden.
Dies deutet darauf hin, dass Frieden, Nachhaltigkeit, visionäres Denken und Fortschrittlichkeit eng miteinander verbunden sind. Menschen, denen das Wohl des Lebens auf der Erde wichtiger ist als politischer Egoismus oder Machtstreben, eint ein Anliegen, das als Grundlage für Frieden über nationale und andere Grenzen hinweg dienen kann.
David Ben-Gurion meinte, »um in Israel ein Realist zu sein, muss man an Wunder glauben«, und »das Schwierige machen wir sofort, das Unmögliche dauert ein wenig länger«. Vielleicht ist es gerade die Metapher der Begrünung der Wüste in Kombination mit dem unerschütterlichen Glauben an den menschlichen Geist und seiner Kreativität, der hoffnungsvollen Erwartung einer besseren Welt und dem unbeugsamen Willen, diese Vision zu verwirklichen, die das wirksamste Werkzeug der Menschheit darstellt, um die Welt zum Besseren zu verändern und Feindschaft in Freundschaft zu verwandeln.
Der Sozialdienst in Sekem unterstützt durch seine Beiträge, einschließlich der Förderung nachhaltiger Entwicklung in verschiedenen Ländern, die Verwirklichung dieses gemeinsamen Wunsches und Wunders nach weltweitem Frieden.