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Es gab schon bessere Zeiten, aber eines hat sich nicht geändert

Jom Hazikaron: Israelischer Gedenktag für die gefallenen Soldaten und Terroropfer
Jom Hazikaron: Israelischer Gedenktag für die gefallenen Soldaten und Terroropfer (© Imago Images / Middle East Images)

Während der 7. Oktober 2023 für Israel und die Juden weltweit eine Zäsur darstellt, hat sich für den Rest der Welt anscheinend kaum etwas geändert.

Diese Woche gedachte Israel am Jom Hazikaron der Gefallen und Terroropfer und feierte anschließend den 77. Jahrestag der Unabhängigkeit; bereits letzte Woche gedachte man am Jom Hashoah der sechs Millionen von den Nationalsozialisten Ermordeten.

Ich selbst verbrachte die letzten Wochen in Israel. Die Stimmung war gedrückt, Nachdenken war angesagt.

Auf die Shoah als Kulmination von jahrhundertelanger Hetze gegen Juden folgte die Gründung des Staates Israel quasi als »Ende der Geschichte«. Gläubige Juden gaben dem Ereignis teilweise eine religiöse Interpretation, andere sahen darin rein profan eine Garantie dafür, dass sich Pogrome nicht mehr ereignen und Juden einen sicheren Zufluchtsort besitzen würden.

Doch mit der sicheren Zuflucht ist das so eine Sache: Nicht nur ist der jüdische Staat durch die atomare Aufrüstung des Irans existenziell bedroht; mit dem Überraschungsangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 ereignete sich ein zeitgenössisches Pogrom an jüdischen Männern, Frauen und Kindern.

Wie konnte es dazu kommen? Ein kurzer Blick in die Vergangenheit mit etwas Religions- bzw. Ideologiekritik:

Der moderne Antisemitismus hat eine fast 2000-jährige christliche und etwa 1300-jährige islamische Vorgeschichte der Judenhetze. In den Schriften beider Religionen findet sich eine Abfolge von anfangs positiven Aussagen über Juden, auf die sodann negative folgten. Sie waren die Folge der jüdischen Weigerung, den jeweils neu entstanden Glauben anzunehmen. Aus der von Christen und Muslimen erfahrenen Kränkung, durch die Juden zurückgewiesen zu werden, die an ihrem Judentum festhalten wollten, wurden Herabwürdigung und Intoleranz.

Das Judentum kennt keine Mission. Gemäß den noachidischen Gesetzen haben alle gläubigen Menschen Anspruch auf die Belohnung am Ende der Tage, womit es keinen Grund gibt, Andersgläubige mit mehr oder weniger Zwang zu bekehren, »um ihre Seele zu retten«. Damit fehlt Juden auch die kränkende Erfahrung, vor anderen zurückgewiesen zu werden, die sich einer Missionierung widersetzen.

Sind Juden deshalb als Einzelne tolerantere Menschen? Wohl kaum, doch anstatt intolerant gegenüber Angehörigen anderer Religionen zu sein, wird die Intoleranz gewissermaßen intern ausgetragen – die sprichwörtliche jüdische Streitsucht findet darin eine ihrer Wurzeln.

Wesentlicher Unterschied

Womit wir bei den internen Auseinandersetzungen angelangt sind, von denen Israel seit Jahren geprägt wird, beginnend mit dem Sonderstatus der Orthodoxie, für den ein Großteil der nicht-orthodoxen Israelis immer weniger Verständnis aufbringt, bis hin zur von der Regierung in Angriff genommenen Justizreform, die eine tiefe Spaltung im Land zur Folge hat.

Nahezu täglich gibt es Demonstrationen, um Israels Regierung zu einer Beendigung des Kriegs und einer Vereinbarung mit der Hamas zu bringen und irgendwie eine Geiselfreilassung zu erreichen. Protestiert wird auch wegen der von der Regierung angestrebten Entlassung des Geheimdienstchefs und der Geldannahme durch Mitarbeiter von Premier Benjamin Netanjahu, die ihre Taschen für Gelder einer für Katar arbeitenden PR-Firma aufgehalten haben sollen. Während das Engagement von Familienangehörigen der Geiseln nur allzu verständlich ist, hinterlässt die Unterstützung der Angehörigen durch Organisatoren der Antiregierungsdemonstrationen wegen der Justizreform zumindest den Beigeschmack einer Instrumentalisierung des Leids der Geiseln für politische Zwecke.

Auf der Seite der Verantwortlichen haben sowohl die israelischen Streitkräfte als auch der Inlandsgeheimdienst Shin Bet nach internen Untersuchungen über den 7. Oktober 2023 Versäumnisse bis hin zu regelrechtem Versagen eingeräumt. Die Klärung der politischen Verantwortung steht im Gegensatz dazu noch aus, weil sich die Regierung nach wie vor einer unabhängigen Untersuchungskommission verweigert, wie es sie beispielsweise nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 und dem Krieg gegen die Hisbollah 2006 gegeben hat.

Aber auch ohne umfangreiche Untersuchung besteht schon jetzt kein Zweifel daran, dass die interne Spaltung des Landes, welche die Regierung mit ihren höchst umstrittenen politischen Vorhaben hervorgerufen hat, zum Massaker des 7. Oktober 2023 beigetragen hat, indem sie den Feinden Israels den Eindruck von Schwäche vermittelt hat, der sie zuschlagen hat lassen.

Doch so schrecklich das Hamas-Massaker auch war: Der 7. Oktober war nicht die Shoah, in der über Jahre hinweg tagtäglich Tausende Juden massakriert wurden, und ein wesentlicher Unterschied zu damals besteht darin, dass es heute den Staat Israel gibt, der nicht untätig zusieht, wenn Juden ermordet werden.

Während der 7. Oktober 2023 für Israel und die Juden weltweit eine Zäsur darstellt, hat sich für den Rest der Welt anscheinend kaum etwas geändert: Am 8. Mai wird man wieder der toten Juden gedenken, zumindest jenen aus den 1940er Jahren, und die berühmten »Lehren aus der Geschichte« bemühen. Den Lebenden wird man derweil wieder ausrichten, dass man ihren Kampf gegen die Terrororganisation Hamas für »unverhältnismäßig« hält, während vermeintlich »progressiv« eingestellte Menschen solche Ermahnungen für zahnlos halten und lieber gleich mit Islamisten gemeinsame Sache machen.

Es gab schon bessere Zeiten, aber eines hat sich nicht geändert: Am Israel Chai! Das Volk Israel lebt!

Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 30. April. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!

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