Die gegenseitigen Interessen von Russland und Syrien bilden die Grundlage für die Neugestaltung der Beziehungen, von denen beide Staaten profitieren wollen.
Der rasche Regimewechsel in Syrien Ende 2024 bedeutete das Ende von Moskaus Einfluss in dem arabischen Land. Die russischen Behörden bauten jedoch nach und nach ihre Beziehungen zur neuen Regierung in Damaskus wieder auf, um weiteren Bedeutungsverlust zu vermeiden. Allein im September führte Russland zwei Gesprächsrunden mit der syrischen Regierung in Damaskus und New York, was die beschleunigte Dynamik in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern widerspiegelt.
Treffen in Damaskus …
Anfang September markierte der Besuch einer russischen Regierungsdelegation unter der Leitung von Vizepremierminister Alexander Nawalny in Damaskus eine bedeutende Entwicklung bei den Bemühungen beider Seiten um eine Wiederbelebung der Beziehungen. Die saudische Zeitung Asharq Al-Awsat zitierte Damaszener Quellen und berichtete, dass die syrische Seite sich bei dem Treffen auf mehrere Punkte konzentrierte, darunter die Wiederaufnahme russischer Waffenlieferungen, die Organisation einer gemeinsamen Verwaltung der Stützpunkte Hmeimim und Tartus, die Regelung der Schuldenfrage, der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen sowie die Diskussion über das Schicksal von Baschar al-Assad und weiteren hochrangigen Beamten des ehemaligen Regimes, die sich in Russland aufhalten.
Laut der offiziellen Regierungserklärung ist es Moskaus oberste Priorität, die syrische Regierung beim Wiederaufbau des Energiesektors zu unterstützen und mehrere Projekte zur Versorgung von Damaskus mit Treibstoff und anderen wichtigen Gütern zu starten. Darüber hinaus traf der stellvertretende Verteidigungsminister Junusbek Jewkurow während des Besuchs mit dem Stabschef der syrischen Streitkräfte, Ali al-Naasan, zusammen. Russischen Quellen zufolge konzentrierte sich das Gespräch auf die Förderung von Mechanismen der militärischen Zusammenarbeit, darunter die Unterstützung beim Wiederaufbau der syrischen Armee.
Asharq Al-Awsat zitierte russische Quellen mit der Aussage, dass Moskau zwar an der Waffenfrage interessiert, jedoch der Ansicht sei, dass der Entwicklung der Zusammenarbeit in dieser Frage wie dem Wiederaufbau der syrischen Armee im Allgemeinen noch mehrere Hindernisse im Wege stünden, darunter die anhaltenden militärischen Aktivitäten Israels. Dennoch hätten Moskauer Quellen berichtet, Russland habe konkrete Vorschläge zur Unterstützung Syriens bei der Ausbildung seiner Armee sowie zur Lieferung von Waffen und Ausrüstung unterbreitet. So seien gemeinsame Bemühungen besprochen worden, die den Bedürfnissen des neuen Syriens entsprechen, aber nicht zu einem Konflikt mit diversen anderen Parteien, insbesondere Israel, führen dürften.
… und bei der UNO
Am 25. September traf dann der russische Außenminister Sergej Lawrow am Rande der UNO-Generalversammlung in New York mit dem syrischen Außenminister Asaad al-Shaibani zusammen. Nach Angaben des russischen Außenministeriums diskutierten beide Seiten praktische Fragen zum Aufbau einer vielschichtigen bilateralen Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Ergebnisse früherer gegenseitiger Besuche hochrangiger offizieller Delegationen. Die Gespräche befassten sich auch mit Vereinbarungen für künftige Treffen, insbesondere mit der Teilnahme des syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa am Gipfeltreffen zwischen Russland und der Arabischen Liga, das für Oktober in Moskau geplant ist.
Im Juli letzten Jahres statteten der syrische Außenminister al-Shaibani und Verteidigungsminister Muharraf Abu Qasra Moskau ihren ersten Besuch seit dem Sturz des Assad-Regimes ab. Diese wiederholten Treffen spiegeln die Bemühungen Russlands und Syriens wider, ihre Beziehungen unter den neuen Rahmenbedingungen neu aufzubauen.
Chancen und Hindernisse
Der Politikwissenschaftler am Jusoor Center for Studies Wael Alwan ist der Ansicht, Russland arbeite daran, seine militärische Präsenz im Marinestützpunkt Tartus am Mittelmeer und am Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Latakia aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus betrachte Russland den östlichen Mittelmeerraum als Chance für politische und wirtschaftliche Investitionen, die zur generellen Stärkung seiner Präsenz in der Region genutzt werden können.
Im Gegensatz dazu versuche Damaskus laut Alwan, mit Moskau auf der Grundlage gemeinsamer Interessen zu verhandeln, sei es durch die Gewinnung von Unterstützung in sensiblen regionalen Fragen wie den Beziehungen zu Israel oder durch die Sicherung finanzieller und wirtschaftlicher Ressourcen, um die sich verschärfende interne Krise in Syrien zu mildern.
Der Forscher Mahmoud Alloush erklärte in einem Artikel auf der Website des katarischen Senders Al Jazeera Net, der Aufbau einer für beide Seiten vorteilhaften Beziehung zwischen Russland und Syrien hänge davon ab, dass die grundlegenden Probleme für diese Beziehung beseitigt werden. Als solche nannte er »die Zukunft der russischen Militärpräsenz, das Schicksal von Baschar al-Assad und seinen in Russland lebenden hochrangigen Regimeführern sowie der externe Druck, dem Damaskus bei der Gestaltung seiner Außenbeziehungen im Allgemeinen ausgesetzt ist«.
Die Stützpunkte Hmeimim und Tartus seien für Russland von strategischer Bedeutung, da sie einen wichtigen Zugang zum Mittelmeer bieten und die logistischen Operationen Russlands in Afrika und im Nahen Osten unterstützen. »Damaskus wird jedoch versuchen, neue Vereinbarungen über die Fortführung dieser Stützpunkte für festgelegte Zeiträume zu schließen, anstatt wie bisher langfristige Vereinbarungen zu treffen.« Im Gegenzug werde Syrien versuchen, die größtmöglichen politischen und wirtschaftlichen Vorteile von Moskau zu erzielen. »Die gegenseitigen Interessen bilden die Grundlage für die Neugestaltung der Beziehungen auf einer neuen Basis, die den Ambitionen von Damaskus Rechnung trägt, eine facettenreiche Außenpolitik aufzubauen und sicherzustellen, dass Russland im Nahen Osten Fuß fassen kann.«






