Im Mena-Talk spricht die Juristin, Kabarettistin und Publizistin Michaela Dudley mit Jasmin Arémi über die Neuauflage ihres Buches Race Relations – Essays über Rassismus, über die historische Allianz zwischen Schwarzen und Juden in den USA und über die blinden Flecken der deutschen Linken im Umgang mit Israel.
Michaela Dudley ist eine der unüberhörbaren Stimmen unserer Gegenwart. 1961 in den USA geboren, lebt sie seit vielen Jahren in Berlin. Ihre Essays, Kolumnen und satirischen Texte kreisen um die Schnittstellen von Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Frauenfeindlichkeit. Dabei spricht Dudley nicht zuletzt aus eigener Erfahrung über Rassismus, dem sie schon als Kind begegnete, als sie in den 1960er-Jahren mit dem Ku Klux Klan konfrontiert gewesen war, was sich auch auf ihre Einschätzung der Gemeinsamkeiten von Rassismus und Antisemitismus auswirkte: »Beide beruhen auf einer systematischen Geringschätzung. Wie Queer- oder Frauenfeindlichkeit geht es immer darum, Unterschiede herauszustellen, um Menschen herabzusetzen.«
Dudleys Buch entstand aus dem Wunsch, ein Werk zu schreiben, das sie selbst gerne gelesen hätte – klar, historisch fundiert und mit Überzeugungskraft. Nach dem Mord an George Floyd im Jahr 2020 erreichte die Diskussion über Rassismus auch in Deutschland neue Aufmerksamkeit. Doch Dudley zeigt sich kritisch: »Viele Texte fassen nur an der Oberfläche an.« Bei der Neuauflage ihres Buches liegt aufgrund des 7. Oktobers 2023 ein stärkerer Fokus auf Antisemitismus, auch auf jenem, der von links kommt: »Wir müssen anerkennen, dass es ihn gibt.«
Gemeinsame Kämpfe
Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die historische Allianz zwischen Schwarzen und jüdischen Communities in den USA. Dudley betont: »Beide Gruppen erlebten über Generationen Unterdrückung. Die Exodus-Erzählung war für versklavte Afroamerikaner genauso wichtig wie für Juden. Harriet Tubman wurde als Moses bezeichnet. Rabbiner wie Joachim Prinz oder Abraham Joshua Heschel marschierten Seite an Seite mit Martin Luther King. Ohne diese Solidarität wäre die Bürgerrechtsbewegung undenkbar gewesen. Emanzipation funktioniert nur gemeinsam.«
Warum diese Geschichte in Deutschland kaum interessiert? Michaela Dudley bringt es auf den Punkt: »Ignoranz, Indifferenz und Ideologie. Linke Kreise, die sich progressiv geben, wollen diese Geschichte nicht hören. Sie passt nicht in ihr Weltbild. Manche versuchen sogar, mich mundtot zu machen, wenn ich darüber spreche.«
Zum politischen Gegenwartsgeschehen bezieht Dudley eine klare Stellung. Die Nähe einiger linker oder queerer Aktivisten zur Hamas oder Hisbollah kann sie sich nur mit »Dummheit und Hass« erklären. Die Intifada sei keine Befreiungsbewegung, sondern »eine Bewegung von Massenmördern, Gruppenvergewaltigern und Verschleppern. Wer anderes behauptet, betreibt Realsatire.«
Ihre unbedingte Solidarität mit Israel begründet Dudley nicht über Parteipolitik, sondern über demokratische Grundwerte und tiefreichende persönliche Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend. Israel sei eine pluralistische und multikulturelle Gesellschaft: »Hier kann eine arabischstämmige Lesbe in der Knesset sitzen und queere Paare dürfen Kinder adoptieren. In welchem Nachbarland wäre das möglich? Für viele queere Geflüchtete aus dem Gazastreifen ist Israel ein Hoffnungsort.« Für sie steht fest: »Saving Israel means saving humanity.«
Die Reaktionen in der schwarzen Community Deutschlands auf ihre Haltung waren lange zurückhaltend. »Viele schwiegen. Das hat mich enttäuscht«, so Dudley. Doch seit dem 7. Oktober 2023 spürt sie eine deutliche Veränderung: »Bei Veranstaltungen mit vorwiegend Schwarzen und People of Color erhielt mein Appell zur Solidarität mit Jüdinnen und Juden Applaus. Viele fürchten die Cancel Culture, doch sie wissen auch, dass Antisemitismus keine Option ist.«
Zum Schluss des ersten Teils des Interviews fasst Michaela Dudley noch einmal zusammen, wie eng die Kämpfe miteinander verflochten sind: Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Frauenfeindlichkeit beruhen auf denselben Mechanismen der Geringschätzung und Konstruktion von »Andersartigkeit«. Wer gegen das eine kämpft, darf beim anderen nicht schweigen.






