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Saudischer Wissenschaftler für modernere Interpretation des Islam

Der saudi-arabische Wissenschaftler Marzouq Bin Tinbak
Der saudi-arabische Wissenschaftler Marzouq Bin Tinbak (Quelle: MEMRI)

Die neuen Problemstellungen, die mit der Moderne einhergehen, erforderten eine Abkehr von der Tadition und eine neue Form der Auslegung und Interpretation der Quellen.

Der saudi-arabische Wissenschaftler Marzouq Bin Tinbak erklärte in einer am 20. Mai auf Al-Arabiya Network ausgestrahlten Fernsehsendung, der Grund dafür, dass die islamische Welt heute nichts zur Zivilisation und zum Fortschritt beitrage, liege darin, dass sie in ihrer Tradition verhaftet sei, was wiederum zu ihrer Ablehnung der Moderne führe.

»Personen, die in der Vergangenheit Fatwas [Rechtsgutachten] zu verschiedenen Themen erlassen haben, haben die Umstände ihrer Zeit und ihrer Epoche evoziert. Deswegen waren ihre Fatwas für ihre Zeitalter angemessen.

Ich sagen das nicht, um sie oder ihre Beiträge in Misskredit zu bringen. Aber die Umstände heute sind andere, die Dinge haben sich geändert. Die Antworten auf die Frage der Menschen, die heute leben, können nicht in den Fatwas von Menschen gefunden werden, die vor fünf- bis siebenhundert Jahren gelebt haben.«

Jene Rechtsgelehrten, die vor hundert Jahren ihre Fatwas erlassen haben, so fuhr Bin Tinbak in dem von MEMRI übersetzten Interview fort, hatten keine Vorstellungen vom heutigen modernen Leben und seinen Umständen. Die neuen Problemstellungen, die mit der Moderne einhergehen, erforderten neue Rechtsgutachten und eine »neue Itjtihad«, sprich: eine neue Form der Auslegung und der Interpretation der Quellen.

»Wenn wir uns an unser großes Erbe klammern, es als Erbe der Autorität anrufen und immer nur unser Väter und Vorväter sowie diesen und jenen Kalifen zitieren, dann idealisieren wir eine Vergangenheit, die uns in der Gegenwart keinen Nutzen bringt.

Das Richtige wäre, mit Respekt und Bewunderung natürlich, auf unsere Geschichte zu blicken, aber wir müssen auch darauf schauen, was wir jetzt für uns selbst tun können, für unsere Zukunft und für unsere Kinder.

Bieten wir ihnen etwas von Bedeutung? Oder präsentieren wir ihnen nur Texte aus der Vergangenheit und fordern von ihnen, sich auf diese Texte zu verlassen und stolz auf sie zu sein? Das ist die Frage. Gerade tragen wir nichts zur Zivilisation bei.«

Ob es wirklich gar nichts sei, fragte der Journalist nach, und als Bin Tinbak dies bejahte und darauf hinwies, die Muslime und Araber bildeten in allen Bereichen das Schlusslicht der modernen Welt, wollte er wissen, was der Wissenschaftler denn für den »Grund dieser Rückständigkeit« halte:

»Ich glaube, das entstammt auch aus unserem Erbe. Wir waren vom Westen geblendet, als wir mit ihm und all seiner Industrie, seinen Erfindungen und seinem Fortschritt in Berührung kamen. Und so haben wir auf unserer Erbe zurückgegriffen und geglaubt, wir könnten den Fortschritt des Westens mit dem Erbe unserer Vorväter ausstatten. (…)

Der Westen ist nun sehr hoch entwickelt. Es gibt Länder in Südostasien, deren Kulturen mit der neuen [westlichen] Zivilisation verschmolzen sind, während sie zugleich ihr Erbe erhalten haben. Diese Länder haben einen großen Fortschritt gemacht. Wir aber haben das nicht getan.«

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