Der saudische Kronprinz modernisiert den Schulunterricht: So werden die Stundenzahlen für die Fächer Mathematik, Naturwissenschaften, Englisch und Arabisch erhöht und der Religionsunterricht umgestaltet.
Das saudi-arabische Bildungsministerium hat vor Kurzem die Einführung eines neuen Lehrplans für die Schulen des Königreichs angekündigt, der unter anderem eine Reduzierung der Stunden für Religionsunterricht vorsieht. Im Rahmen der Reform wurden Koran- und Islamkunde zu einem einzigen Fach zusammengefasst und die Zahl der Unterrichtsstunden, die diesen beiden Fächern gewidmet sind, von 34 auf 15 Wochenstunden in der Mittelschule und von 38 auf 30 Wochenstunden in der Grundschule reduziert.
Außerdem, so berichtete die englischsprachige Tageszeitung Saudi Gazette am 23. August, wird in der Oberstufe Finanzerziehung als neues Fach eingeführt. Weitere Änderungen des Lehrplans wurden noch nicht bekannt gegeben, aber die in London ansässige Online-Tageszeitung Raialyoum.com berichtete, dass die Stundenzahl für Mathematik, Naturwissenschaften, Englisch und Arabisch erhöht werden soll.
Der liberale Intellektuelle Turki Al-Hamad, der als dem saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman nahe stehend gilt, nannte die Reform »eine richtige Entscheidung«: Die Islamerziehung habe sich auf das zentralen Glaubensinhalte und religiösen Rituale zu beschränken. Alles was darüber hinausgehe, sei für »normale Muslime« unnötig und nur für Leute von Belang, »die sich auf Religionsrecht spezialisieren wollen«.
Auch mehrere Journalisten lobten die Reform als Modernisierungsschritt und bezeichneten sie als »mutige Entscheidung, die schon lange notwendig war und dazu beitragen wird, eine neue Generation heranzuziehen, die das Land und die saudische Wirtschaft voranbringen« und ihnen helfen wird »im globalen Wettbewerb zu bestehen«, wie Nora Shanar es in ihrer Kolumne auf der saudischen Website Elpah.com formulierte.
»Religionswissenschaften sind ein praktischer und akademischer Bereich, der nicht immun gegen Entwicklungen ist, und eine Änderung des Lehrplans stellt keine Übertretung dar. Das liegt daran, dass die [islamische] Schari’a selbst eine lebendige Sache ist, in der [neue] Aspekte entstehen, während andere verkümmern und absterben, schrieb Mashari Al-Dhaidi am 24. August in seiner Kolumne in der Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat
Bin Salman hat den Schwerpunkt der Änderungen auf die religiöse Erziehung gelegt, da er deren Reform und den Kampf gegen den Extremismus als notwendige Voraussetzung für die Vorbereitung des Königreichs auf die Herausforderungen des modernen Zeitalters betrachtet. In einem Interview, das er im Mai 2021 anlässlich des fünften Jahrestages der saudi-arabischen »Vision 2030« mehreren saudischen Fernsehsendern gab, sagte er, es sei immer möglich, bei der Auslegung der islamischen Scharia eine unabhängige Argumentation (ijtihad) anzuwenden.