Es sind nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Interessen, welche die USA in die offenen Arme von Saudi-Arabien treiben.
Shachar Kleiman
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman erntet derzeit die Früchte seiner Geduld. Zumindest ein Ertrag, der ursprünglich für die Zeit nach einem israelisch-saudischen Normalisierungsabkommen vorgesehen war, wird dem Kronprinzen bereits jetzt zuteil, und zwar ohne Risiken einzugehen oder zu Gesten gegenüber Jerusalem gezwungen zu sein.
Der Kronprinz hat ein gutes Gespür dafür, aus welcher Richtung der Wind in der Region weht. Israel führt zwar einen gerechten Krieg gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, zahlt aber einen hohen diplomatischen Preis. Die öffentliche Meinung bezüglich Israel ist in den arabischen Staaten so feindselig wie seit Langem nicht und kein regionaler Führer ist erpicht darauf, gegen den Strom zu schwimmen.
Für bin Salman scheinen die Risiken, die er mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Reformen bereits eingegangen ist, im Moment mehr als ausreichend zu sein. Schließlich fahren die konservativen Fraktionen im Königreich schon jetzt fast wöchentlich beim Anblick von Musikkonzerten im »Land des Islams« vor Schreck zusammen. Und obendrein sind die neuen Machthaber in Washington weniger an Israel interessiert, wenn es um ihre wirtschaftlichen Interessen geht.
Geopoltische Überlegungen
Anfang vergangener Woche traf sich der amerikanische Energieminister Chris Wright mit Prinz Abdulaziz bin Salman, dem Bruder des Kronprinzen und Ölminister des Königreichs. Nach dem Treffen informierte Wright Journalisten vor Ort über ein im Entstehen begriffenes Abkommen zwischen den beiden Ländern im Energiesektor. Der Plan umfasst die Unterstützung eines zivilen saudi-arabischen Atomprojekts sowie die Zusammenarbeit im Bergbau und in der Mineralienverarbeitung. Wright nannte auch die Gründe dafür: »Unter Trumps Führung werden wir in den nächsten vier Jahren mit ziemlicher Sicherheit niedrigere durchschnittliche Energiepreise erleben als in den letzten vier Jahren.«
Doch wirtschaftliche Interessen sind nicht das Einzige, das die Amerikaner in die offenen Arme der Saudis treibt. Es gibt auch eine klare geopolitische Einschätzung, die dafür spricht. Saudi-Arabien unterhält enge Beziehungen zu Pakistan, einer großen muslimischen Nation mit einem Atomwaffenarsenal. Sicherheitsdelegationen hochrangiger Beamter beider Staaten pendeln häufig zwischen Riad und Islamabad hin und her. Darüber hinaus sucht auch die mit den USA rivalisierende Supermacht China nach neuen Möglichkeiten im Nahen Osten, insbesondere im Energiesektor. Mit anderen Worten: Mohammed bin Salman hat mehr als eine Alternative. Die Amerikaner sind sich dessen bewusst und werden wohl kaum auf die Israelis warten.
Bereits im Januar gab der saudische Ölminister die Absicht des Königreichs bekannt, aus seinen Mineralienvorkommen, darunter Uran, finanziellen Nutzen ziehen zu wollen. Er kündigte Pläne zur Anreicherung und zum Verkauf von Uran und sogar zur Herstellung von Yellowcake (Uranpulver) an, einem Material, das zur Herstellung von Brennstoff für Kernreaktoren verwendet wird. Riad betont zwar, das Ziel bestehe lediglich darin, seine Energiequellen zu diversifizieren, doch hat der Kronprinz mehr als einmal deutlich gemacht, dass sein Reich keine andere Wahl hat, als eine eigene Bombe zu entwickeln, sollte der Iran eigene Atomwaffen herstellen.
Neue US-Regierung
Der ehemalige Direktor für Energieforschung Faisal al-Faqeeh beleuchtete die langfristige Strategie Saudi-Arabiens bei einem Auftritt im saudischen Fernsehen. »Im Jahr 2016 fragte ich Mohammed bin Salman auf dem Saudi-2030-Gipfel nach der Zukunft der erneuerbaren Energien. Er erinnerte mich daran, dass das Königreich über sechs Prozent der weltweiten Uranreserven verfügt. Natürlich wollen Länder wie die Vereinigten Staaten Handelspartner beim Aufbau einer friedlichen Kernenergieinfrastruktur sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass Saudi-Arabien der größte Energieverbraucher im Nahen Osten ist und das größte Elektrizitätsunternehmen der Region besitzt. Tagtäglich wird etwa eine Million Barrel Öl verbrannt, um Strom zu erzeugen. Deshalb brauchen wir Gas, erneuerbare Energiequellen und auch Kernenergie.«
Nach Ansicht des saudischen Experten ist die Politik des Königreichs trotz des Wechsels in der US-Regierung dieselbe geblieben. Zugleich räumte er ein, dass der Führungswechsel in Washington eine positive Rolle gespielt habe. So wurden noch während des im vergangenen Jahr stattfindenden Besuchs der damaligen US-Energieministerin im Kabinett Biden, Jennifer Granholm, Kernenergieprojekte nicht einmal erwähnt und die Gespräche beschränkten sich auf Fragen der Klimakrise.
Es ist keine Überraschung, dass der neue Minister Chris Wright nun unbedingt den Energiesektor wirtschaftlich vorantreiben will. So wie viele hochrangige Persönlichkeiten in der Trump-Regierung kommt auch Chris Wright aus der Wirtschaft und war als Generaldirektor von Liberty Energy, einem der größten Öl- und Gasunternehmen der Vereinigten Staaten, tätig. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es seiner Ansicht nach so etwas wie »unsaubere Energie« nicht gibt.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)