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Wenn Parteigänger einer Terrororganisation vor Destabilisierung warnen

Von Stefan Frank

Wenn Parteigänger einer Terrororganisation vor Destabilisierung warnenDie libanesische Hisbollah ist nicht nur militärisch die wohl stärkste Terrororganisation der Welt, sie ist auch die mit der einflussreichsten politischen Lobby in den wichtigen Ländern des Erdballs. Jahrelang weigerte sich die EU, sie als Terrororganisation einzustufen. Als dies dann 2013 halbherzig geschah – unter dem Eindruck des Anschlags am bulgarischen Flughafen Burgas, bei dem fünf israelische Touristen und ein bulgarischer Busfahrer ermordet wurden, wurde die Miliz, nicht aber die gesamte Organisation auf die EU-Terrorliste gesetzt –, blieb der Schritt folgenlos: So kann sie etwa weiterhin in Berlin und anderswo Aufmärsche veranstalten und Spenden sammeln. Immer, wenn in Europa oder den USA über Sanktionen gegen sie beraten wird, treten ihre Fürsprecher auf den Plan und warnen vor der „Destabilisierung“, die dies angeblich für den Libanon bedeuten würde. „Der Libanon ist sicherlich ein instabiles Land, doch man könnte argumentieren, dass die Hisbollah zu dieser Instabilität beiträgt“, kommentiert Benjamin Weinthal, Europakorrespondent der Jerusalem Post.

Jetzt haben die Gegner von schärferen Sanktionen noch eins drauf gesetzt: Schärfere Wirtschaftssanktionen gegen die Hisbollah, die der US-Kongress derzeit plant, könnten, wenn sie umgesetzt werden, „die libanesische Wirtschaft zerstören“. Das habe eine anonyme Quelle, die der französischen Regierung nahesteht, gegenüber der in London erscheinenden arabischsprachigen Tageszeitung Al-Hayat gesagt, meldet das libanesische Nachrichtenportal Naharnet. „Die Sanktionen werden die Hisbollah nicht treffen, aber die libanesische Wirtschaft zerstören“ – diese Warnung soll Paris nach Washington gesandt haben. Die Quelle habe zudem gesagt, dass sich Europas Regierungen weigerten, der Aufforderung von US-Präsident Trump, die gesamte Hisbollah zu verbieten, nachzukommen, weil sie dann „die halbe libanesische Regierung boykottieren“ müssten, was „unpraktikabel“ sei. Die Hisbollah ist im Libanon eine legale Partei und gehört seit November 2005 der Regierung an.

„Vom Iran seit den 1980ern hochgezogen, ist die Hisbollah von einer Bande Aufständischer, die 1983 den Bombenanschlag auf die Kaserne der Beirut Marine Corps verübte, zu einem mit Waffen und Geld gut ausgestatteten terroristischen Staat im Staate angewachsen“, sagte Ted Poa, der Vorsitzende des Unterausschusses zur Terrorismusbekämpfung, am Mittwoch in einer Sitzung des Foreign Affairs Committee. Diese war anberaumt worden, um sich mit den vom Iran unterstützten Milizen zu befassen. „Ihr kluger Einsatz von Propaganda, zivilen Behörden, politischer Beteiligung und Militanz“, so Poe weiter, mache sie zu einer „dominierenden Kraft im Libanon“. „Ihre Macht unterminiert die Beziehungen zwischen den USA und Beirut und stellt für unsere Freunde in Israel eine signifikante Bedrohung dar. Mehr und mehr beobachten wir zudem, dass Einheiten der Hisbollah außerhalb des Libanon operieren und anderswo die Befehle ihrer iranischen Herren ausführen. Das reicht von der Ausbildung der Houthi-Rebellen im Jemen bis hin zum direkten Beitrag an den Massakern in Syrien und dem Erhalt des unterdrückerischen Regimes von Bashar al-Assad.“ Der Iran verfüge mittlerweile über „viele ‚Hisbollahs’“, mit denen er Einfluss auf Regierungen nehme und die Bestrebungen behindere, den IS und al-Qaeda zu bekämpfen.

 

Reich und gefährlich

Wenn Parteigänger einer Terrororganisation vor Destabilisierung warnenDer Iran, der jahrelang wirtschaftlich am Abgrund stand, schwimmt seit einiger Zeit wieder im Geld – nicht nur, dass die Sanktionen aufgehoben wurden, der frühere US-Präsident Barack Obama schickte auch riesige Summen Bargeld nach Teheran, die Angaben darüber reichen von 1,7 Milliarden bis 33,6 Milliarden. Ein Teil des Geldes ist mit Sicherheit  auch an die Hisbollah gesickert, so dass ihre Geldsorgen, von denen Zeitungen im Mai 2016 berichteten, der Vergangenheit angehören dürften. Da sie inzwischen weite Teile Syriens kontrolliert – wo sie im vergangenen Monat bereits den „Sieg“ erklärt hat – und mit iranischer Hilfe im Libanon unterirdische Raketenfabriken errichtet, ist sie trotz ihrer Verluste im syrischen Bürgerkrieg so gefährlich wie nie zuvor. Das ist der Hintergrund der vom US-Kongress geplanten Erweiterung der Sanktionen. Dazu liegen im Repräsentantenhaus und im Senat derzeit zwei identische, parteiübergreifend unterstützte Gesetzesentwürfe vor. Der eine – Resolution 3342 des Repräsentantenhauses –, richtet sich gegen Hisbollah-Mitglieder, die Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchen. Der andere – Resolution 3329 –, stellt Rekrutierung- und Finanzierungsaktivitäten für die Hisbollah unter Strafe und führt auch ihre bekannten Unterorganisationen (darunter auch den Fernsehsender al-Manar) auf.

 

„Unfair gegenüber dem Libanon“

Das Gesetz sei „unfair gegenüber dem Libanon“, klagt der libanesische Ökonom und Universitätsprofessor Louis Hobeika. Gegenüber dem Nachrichtenportal Arab News sagte er: „Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, Tatsachen zu verwerfen und darauf zu bestehen, die Hisbollah zu bestrafen, obwohl der Libanon sein Bestes versucht hat, um zu beweisen, dass er den Terrorismus bekämpft. Offensichtlich ist dies ein internes US-Problem, und der Libanon wird benutzt, um Dampf abzulassen.“ Die Sanktionen hätten einen negativen Einfluss auf Investitionen im Libanon und das Bankwesen des Landes, fürchtet der Professor. „Der Gesetzentwurf enthält Sanktionen gegen jeden, der ein Gehalt von der Hisbollah erhält, was starke Folgen für die libanesische Wirtschaft haben könnte, schreibt Arab News. Der Libanon gilt als stark abhängig von Geldflüssen von Libanesen aus dem Ausland.

Der an der Universität Lausanne lehrende marxistische Politikwissenschafter Joseph Daher schreibt in seinem Ende 2016 erschienenen Buch über die „Politische Ökonomie von Libanons Partei Gottes“, im Südlibanon entstehe „ein Dorf nach dem anderen, mit palastähnlichen Villen“. Joseph Daher ist kein prinzipieller Gegner der Terrororganisation – sie leiste „Widerstand“ gegen „israelische Aggression“, glaubt er –, wirft ihr aber vor, sich zu sehr dem „Neoliberalismus“ verschrieben zu haben. Sie besitze im Libanon zahlreiche Supermärkte, Restaurants, Bauunternehmen und Reisebüros und sei stark in den Bau von Apartmentkomplexen und touristischer Infrastruktur involviert. Er zitiert ein „prominentes Hisbollahmitglied“ mit den Worten: „Wir sind eine große, mächtige Konsumentenbewegung, die große Investoren anzieht.“

Das spricht für die These, dass Wirtschaftssanktionen gegen die Hisbollah der libanesischen Wirtschaft schaden könnten – und unterstreicht gleichzeitig, wie wichtig sie sind. Bislang zeichnet übrigens kein Schaden für den Libanon ab: Die libanesische Währung steht nicht unter Druck, der Aktienmarkt in Beirut befindet sich seit Jahren in einer Seitwärtsbewegung, und die Ratingagentur Moody‘s hat ihren Ausblick auf den libanesischen Bankensektor soeben von „negativ“ auf „stabil“ angehoben. Daran, dass der US-Kongress die neuen Sanktionen beschließen wird, gibt es keinen Zweifel; doch offenbar ist der Konsens der Insider der, dass keine gravierenden Folgen für die libanesische Wirtschaft zu erwarten sind.

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