Sammelt Erdogan Geiseln für Gefangenenaustausch?

Sammelt Erdogan Geiseln für Gefangenenaustausch?„Besonders belastend für die Festgenommenen ist die rechtliche Lage im Ausnahmezustand, den Erdogan nach dem Putschversuch vom Juli 2016 verhängt hat. Mit einem Notstandsdekret vom Freitag vergangener Woche wurde die maximale Länge der Untersuchungshaft bei Vorwürfen im Zusammenhang etwa mit Terrorismus oder mit Spionage von fünf auf sieben Jahre erhöht. Untersuchungshäftlinge wie Deniz Yücel, dem Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen werden, müssen also befürchten, im schlimmsten Fall sieben Jahre hinter Gittern zu sitzen, ohne überhaupt verurteilt worden zu sein. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit blieb ein weiteres Dekret vom Freitag vergangener Woche. Der Erlass erlaubt es der türkischen Regierung, mit Zustimmung des Präsidenten inhaftierte Ausländer in der Türkei gegen bestimmte Türken im Ausland auszutauschen, die dort verhaftet oder verurteilt wurden – ‚sofern die nationale Sicherheit und das Interesse des Landes es erfordern‘.“ (Bericht auf Deutsche Welle: „Wieder zwei Deutsche in der Türkei inhaftiert“)

„Mitte Juli dieses Jahres sagte eine Person, die auf deutscher Seite an maßgeblicher Stelle mit dem Ausbalancieren der schwierigen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei befasst ist, in einem Gespräch mit dieser Zeitung: ‚Wir haben inzwischen den Eindruck, dass die türkische Regierung den Plan verfolgt, systematisch Deutsche als Geiseln zu nehmen. Sie will offenbar eine kritische Masse aufbauen in der Erwartung, die Geiseln gegen türkische Staatsbürger austauschen zu können, die in Deutschland Asyl beantragt haben, da sie in der Türkei unter Terrorverdacht stehen.‘

Die Darstellung der türkischen Regierung als Sammlerin deutscher Geiseln war zunächst einmal nicht mehr als eine Behauptung, wenn auch von einer exzellent informierten Person und vor dem Hintergrund von einem Dutzend unter politischen Anschuldigungen verhafteter deutscher Staatsbürger. Formal ist es auch weiterhin nur eine Behauptung, doch gibt es nun seit nicht ganz einer Woche das türkische Notstandsdekret 694, das den Verdacht in ein anderes Licht taucht. Es ist ein grelles, hässliches Licht: Dekret 694 wurde am 15. August von der türkischen Regierung gebilligt und trat am vergangenen Montag formal in Kraft. Mit Artikel 74 des insgesamt mehr als 200 Paragraphen umfassenden Dekrets wird Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ausdrücklich die Vollmacht verliehen, ausländische Häftlinge in türkischen Gefängnissen gegen (türkische) Gefangene in ausländischen Haftanstalten auszutauschen, ‚wenn die nationale Sicherheit oder die Interessen des Landes dies erfordern‘.“ (Michael Martens: „Sammelt Ankara deutsche Geiseln?“)

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