Israel muss seine Systeme zur Luftraumverteidigung weiterentwickeln, um seinen Feinden einen Schritt voraus zu bleiben. Ein Überblick.
Von Yaacov Lappin
Zwischen dem israelischen Verteidigungsapparat und der radikalen Achse im Nahen Osten unter iranischer Führung ist ein Wettrüsten im Gange. Ein wichtiger Aspekt dieses Wettlaufs ist das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Entwicklern israelischer Luftverteidigungssysteme und den Konstrukteuren von immer gefährlicheren Raketen und unbemannten Flugkörpern.
Das Waffenarsenal der Hisbollah und des Iran (und in geringerem Maße auch der Hamas) umfasst Geschosse mit immer größeren Sprengköpfen und eine wachsende Zahl präziser, gelenkter Geschosse wie die Boden-Boden-Rakete Fateh 110, mit der die Hisbollah ausgestattet ist, oder die iranische Shahab-3-Rakete, die Israel von iranischem Gebiet aus erreichen kann.
Die iranische Rüstungsindustrie stellt immer ausgefeiltere unbemannte Luftfahrzeuge mit großer Reichweite her wie zum Beispiel die Drohne Shahed 197, die eine geschätzte Reichweite von rund 2.000 Kilometern hat. Der Iran rüstet sowohl sich selbst als auch seine Stellvertreter mit derartigen Waffen aus.
Letztlich besteht die iranische Strategie darin, Israel mit so vielen »Feuerbasen« wie möglich zu umgeben, um das Land vom Libanon, von Syrien, vom Irak, vom Gazastreifen und in Zukunft auch vom Westjordanland aus sowie vom Iran selbst erreichen zu können.
Auf der anderen Seite des Wettrüstens baut Israel seine Ressourcen in den Bereichen Luftangriff, Bodenmanöver, Feuerkraft und Aufklärung aus, um sich gegen diese Bedrohung zu wappnen. Auf der defensiven Seite arbeitet Israel außerdem rund um die Uhr an der Verbesserung seiner weltweit führenden mehrstufigen Systeme zur Verteidigung seines Luftraums.
Die Ingenieure der Verteidigungsindustrie und der israelischen Luftwaffe werten die Erkenntnisse über neue Bedrohungen aus und reagieren darauf, indem sie die Zielerkennungs- und Abfangfähigkeiten bestehender Systeme verbessern und gleichzeitig daran arbeiten, neue Abfangtechnologien wie Laser in Betrieb zu nehmen.
Im Weltraum
Das Abfangsystem mit der höchsten Flughöhe, das derzeit über Israel wacht, ist das von Israel Aerospace Industries hergestellte System Arrow 3. Dieses System hat die Aufmerksamkeit Deutschlands auf sich gezogen, das ernsthaftes Interesse an einem Kauf gezeigt hat – eine Folge des russischen Einmarsches in die Ukraine und der neuen Dringlichkeit in Europa, die Luftraumverteidigung zu verstärken.
Arrow 3 schießt eine steuerbare Abfangrakete ins All, die ballistische Langstreckenraketen zerstören kann, bevor sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten. Im Januar führten die Raketenabwehrorganisation des Verteidigungsministeriums, Israel Aerospace Industries, und die israelischen Streitkräfte einen wichtigen Test des Arrow 3 durch, bei dem der Radar des Systems eine virtuelle Bedrohung erkannte und Zieldaten an eine Feuerleitstelle übermittelte, welche die Daten analysierte und eine Abfangroute plante. Anschließend wurden zwei Arrow-3-Abfangraketen gestartet, die die Operation zu Ende führten.
Stresstest für die Systeme
Israel investiert so viele Ressourcen in die Luftraumverteidigung, weil es davon ausgeht, umso besser offensiv tätig werden zu können, je besser es das eigene Land, seine Städte, seine Bevölkerung und seine strategischen Einrichtungen vor den schlimmsten Schäden durch feindlichen Beschuss verteidigen kann. Deshalb misst der Generalstab der IDF der ständigen Verbesserung der Luftraumverteidigung große Bedeutung bei und unternimmt möglichst realistische »Stresstest«, um den Einsatz der Systeme gegen neue Arten von Bedrohungen zu prüfen.
Einen Monat nach der Übung im Januar gab die Israel Missile Defense Organization ein Statement ab, in dem sie erklärte, dass sie gemeinsam mit der Missile Defense Agency des Pentagons mit der Entwicklung von Arrow 4 begonnen habe, dem Nachfolger von Arrow 3.
Vertreter des Verteidigungsministeriums beschreiben Arrow 4 als einen technologischen und operativen Sprung nach vorn, der Israel auf künftige Konfliktsituationen und auf die sich ständig weiterentwickelnden Bedrohungen in der Region vorbereiten wird.
Es soll die nächste Generation von Abfangraketen mit noch nie dagewesenen Fähigkeiten sein, die sowohl im Weltraum als auch in der Erdatmosphäre manövrieren können. Das System soll in den kommenden Jahren die Arrow-2-Abfangraketen ersetzen, die in der oberen Atmosphäre operieren. Arrow 2 ist seit dem Jahr 2000 in Betrieb, Arrow 3 seit 2017.
Die zunehmende Verbreitung präzisionsgesteuerter Raketen bedeutet, dass potenzielle Angreifer eine deutlich höhere Chance haben, Ziele in Israel zu treffen. Das hat die Entwicklung zahlreicher solcher Upgrades notwendig gemacht.
Davids Schleuder
Die nächste Schicht der israelischen Luftverteidigung ist David’s Sling, hergestellt von der Firma Rafael. Dieses System ist seit 2017 in Betrieb und deckt die mittlere Schicht der Luftraumverteidigung ab – unterhalb des Bereichs, in dem die Arrow-Systeme arbeiten, aber oberhalb der Zone, in dem der Iron Dome operiert.
Das System ist darauf ausgelegt, ballistische Kurzstreckenraketen und schwere Artillerieraketen mittlerer Reichweite, die, von Syrien oder dem Libanon aus gestartet, weit im Landesinneren einschlagen können, sowie andere Arten von Bedrohungen unschädlich zu machen.
Das System kann Ziele außerhalb Israels treffen und stützt sich auf fortschrittliche Radare der Tochtergesellschaft von Israel Aerospace Industries, Elta. Es feuert Abfangraketen vom Typ Stunner (auch bekannt als SkyCeptor) ab, die gemeinsam von Rafael und dem US-Unternehmen Raytheon hergestellt werden.
Auch hier werden regelmäßig Upgrades durchgeführt. Im Dezember 2020 wurde beispielsweise eine neue Version von David’s Sling für Szenarien zukünftiger Bedrohungen getestet. Auf Basis dieser Übung entwickeln die Ingenieure weitere Neuerungen.
Der Iron Dome
Israels vierter und bekanntester Bereich der Luftraumverteidigung ist das System Iron Dome, das ebenfalls von Rafael hergestellt wird. Seit seinem ersten historischen Abfangen einer Rakete aus dem Gazastreifen im April 2011 ist es bis heute das einzige kampferprobte System der Welt, das Raketen, Artilleriegeschütze, Mörser und UAVs mit sehr kurzer Reichweite abwehren kann. Es ist auch darauf programmiert, präzisionsgesteuerte Geschosse und Marschflugkörper aufzuspüren und zu zerstören.
Im Laufe der Jahre hat Rafael Iron Dome weiterentwickelt, um gegen künftige Bedrohungen gerüstet zu sein. Dazu gehören die Ausweitung des Abdeckungsbereichs und die Fähigkeit, mit den von Rafael als »hochvolumig« bezeichneten Raketensalven umzugehen, in denen das System zeitgleich mit einer Vielzahl von Zielen umgehen muss.
Der Iron Dome hat bislang mehr als 4.000 feindliche Raketen abgefangen und wies dabei eine Effektivitätsrate von 90 Prozent auf. Er ist so programmiert, dass Raketen, die auf unbewohnte Gebiete niedergehen sollen, nicht ins Visier genommen werden.
Integration von Laserabfangtechnik
Zu guter Letzt entwickelt Israel eine fünfte Schicht der Luftraumverteidigung in Form einer bahnbrechenden Laser-Abfangtechnologie. Im Februar erklärte Ministerpräsident Naftali Bennett, dass das Lasersystem innerhalb eines Jahres zunächst versuchsweise im Süden Israels eingesetzt werden soll, bevor es seine volle Einsatzfähigkeit erreicht.
»Dies wird uns ermöglichen, Israel mittel- bis langfristig mit einem Laserwall zu umgeben, der uns vor Raketen, unbemannten Flugzeugen (UAVs) und anderen Bedrohungen schützt und dem Feind die stärkste Karte nimmt, die er gegen uns in der Hand hat«, sagte Bennett.
Israel entwickelt zusammen mit Rafael und Elbit drei Arten von Laserprogrammen, die bestehende Verteidigungssysteme ergänzen, aber nicht ersetzen sollen. Das erste ist ein bodengestützter Laser, der mit dem Iron Dome zusammenarbeiten soll; das zweite ist eine mobile Batterie, die die Streitkräfte im Feld schützt; und das dritte ist ein revolutionäres luftgestütztes System, das auf UAVs installiert werden kann und Bedrohungen aus der Luft, auch über der Wolkendecke, abfangen kann.
Im Juli 2021 rüsteten das Verteidigungsministerium und Elbit ein Cessna-Flugzeug, das in 3.000 Fuß Höhe flog, mit einem solchen Laser aus und schossen damit Drohnen ab – mit einer Erfolgsquote von hundert Prozent.
Die billigen Laser helfen, den hohen Preis von Abfangraketen zu kompensieren, können aber Boden-Luft-Raketen nicht ersetzen, da sie bei Nebel und Wolken nur begrenzt einsetzbar sind und ihre hohe Energie nur auf ein einziges Ziel konzentrieren können.
Da Israels Feinde eine wachsende Zahl präzisionsgesteuerter Raketen entwickeln, werden die Techniker von Israels mehrschichtiger Luftverteidigung weiterhin die Fortschritte der Gegner beobachten und daran arbeiten, ihnen einen Schritt voraus zu sein.
(Der Text wurde unter dem Titel »Ongoing arms race: Israel’s air-defense systems versus Iranian-led axis’s missiles« zuerst vom Jewish News Syndicate veröffentlicht. Übersetzung von Florian Markl.)