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Russland ist weiterhin an Zusammenarbeit mit dem Iran interessiert

Vize-Vorsitzender von Russlands Sicherheitsrat, Dimitri Medwedew, ließ mit einem Sager zum Iran aufhorchen
Vize-Vorsitzender von Russlands Sicherheitsrat, Dimitri Medwedew, ließ mit einem Sager zum Iran aufhorchen (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Das Interesse Russlands am Iran hat tiefe historische Wurzeln, da die Islamische Republik strategisch günstig vor Russlands Haustür liegt.

Canaan Lidor

Inmitten der hitzigen Rhetorik, die den zwölftägigen Krieg Israels mit dem Iran begleitete, stach vergangenen Sonntag eine Aussage besonders hervor: die offensichtliche Drohung des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, dem Iran Atomwaffen zu liefern. Allerdings nahm er sie nach einer Rüge des US-Präsidenten Donald Trump schnell wieder zurück. Die Drohung, die von einigen Experten abgetan, von anderen jedoch als Botschaft des russischen Präsidenten Wladimir Putin gewertet wurde, unterstreicht die potenziell entscheidende Rolle Moskaus in den internationalen Bemühungen, Teheran vom Erwerb von Atomwaffen abzuhalten.

»Die Anreicherung von Kernmaterial – und, wie wir jetzt offen sagen können, die künftige Produktion von Atomwaffen – wird fortgesetzt werden«, hatte Medwedew am 22. Juni über den Iran gesagt, einen Tag bevor die Islamische Republik und Israel unter Beteiligung der USA einen Waffenstillstand vereinbarten, der ihre erste direkte militärische Auseinandersetzung beendete. »Eine Reihe von Ländern ist bereit, den Iran direkt mit eigenen Atomwaffensprengköpfen zu beliefern«, fügte der Putin-Gefolgsmann und stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats der Russischen Föderation hinzu. Von 2008 bis 2012 diente Medwedew als Präsident, in einer Konstellation, die weithin als Platzhalter für Putin angesehen wurde.

Reaktion und Rückzieher

Medwedews Erklärung war die mit Abstand deutlichste öffentliche Unterstützung eines russischen Spitzenpolitikers für das iranische Atomwaffenprogramm und so ungewöhnlich, dass sie unmittelbar eine wütende Reaktion von US-Präsident Trump hervorrief: »Habe ich gerade den ehemaligen Präsidenten Medwedew aus Russland gehört, wie er beiläufig das ›N-Wort‹ (Nuklear!) in den Raum geworfen und gesagt hat, dass er und andere Länder dem Iran Atomwaffensprengköpfe liefern würden? Hat er das wirklich gesagt, oder ist das nur eine Erfindung meiner Fantasie? Wenn er das gesagt hat und wenn das bestätigt wird, lassen Sie es mich bitte sofort wissen«, schrieb Trump am 23. Juni auf Truth Social. »Das ›N-Wort‹ sollte nicht so beiläufig verwendet werden. Ich schätze, deshalb ist Putin ›der Boss‹.«

Der amerikanische Präsident prahlte anschließend mit der militärischen Macht der USA, insbesondere mit ihren Atom-U-Booten, einem Grundpfeiler der Doktrin der gegenseitigen gesicherten Zerstörung.

Medwedew ruderte am nächsten Tag zurück: »Russland hat nicht die Absicht, den Iran mit Atomwaffen zu beliefern, da wir im Gegensatz zu Israel Vertragspartei des Atomwaffensperrvertrags sind. Ich weiß sehr gut, was dies bedeuten würde, da ich als Präsident die Kontrolle über unsere Atomstreitkräfte hatte. Aber andere Länder könnten dies tun – und genau das wurde gesagt. Und wir sollten uns definitiv nicht darüber streiten, wer mehr Atomwaffen hat«, schrieb er auf X.

Medwedews Rückzieher deckte sich mit der Einschätzung einiger Kommentatoren, die seinen ursprünglichen Tweet als Prahlerei eines Politikers mit wenig Macht interpretierten, der nicht unbedingt Putins Meinung repräsentiert. Medwedew hat seit dem Einmarsch seines Landes in die Ukraine im Februar 2022, der einen anhaltenden Konflikt ausgelöst hat, eine Reihe provokativer Äußerungen gemacht.

Im Jahr 2023 sagte er, dass »die Niederlage einer Atommacht in einem konventionellen Krieg einen Atomkrieg auslösen könnte« – eine Bemerkung, die weithin als direkte Drohung Russlands, einer Atommacht, die auf dem konventionellen Schlachtfeld gegen die Ukraine kämpft, an die NATO-Länder interpretiert wurde, keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Auch würden Russlands Hyperschallraketen »bei Bedarf dabei helfen«, das die Ukraine aufrüstende Großbritannien zu versenken.

Unterschiedliche Einschätzung

Die Nahost-Analystin und Senior Research Fellow am Interdisciplinary Center Herzliya’s Institute for Policy and Strategy Ksenia Svetlova zählt zu jenen Beobachtern, welche die Bedeutung von Medwedews Äußerungen für nicht sonderlich hoch erachten. Auf X bezeichnete sie ihn als »Ein-Mann-Zirkusshow« in einer Position »ohne wirklichen Einfluss« und sei eine »politische Leiche«, die nicht für Putin spreche, obwohl einige »seinen Einfluss überschätzen«.

Der israelische Journalist und Experte für Außenpolitik Nadav Eyal erinnerte daran, dass manche »Leute vergessen, über wen wir hier reden. Der Mann ist nur halb gebildet. Seine Drohung zeugt nur von Frustration«, nicht von einer nuklearen Strategie oder Aktion Putins, argumentierte Eyal auf X.

Dina Lisnyansky, Dozentin für Nahostpolitik an der Universität Tel Aviv, die sich intensiv mit der tiefen Verstrickung Russlands in dieser Region beschäftigt hat, sieht die Dinge hingegen anders. »Medwedew sagt selten etwas, das Putin nicht abgesegnet hat«, erklärte sie gegenüber dem Jewish News Syndicate. »Es ist sehr wichtig, darauf zu hören, was Medwedew zu sagen hat: Er nutzt verschiedene Plattformen, um unterschiedliche Botschaften zu vermitteln, in diesem Fall X und auf Englisch. Das ist für ausländische Ohren gedacht.«

Dies sei eine Art Versprechen an den Iran und Teil einer umfassenderen Philosophie, die der russische Präsident bei zahlreichen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht habe, um ein »globales Gleichgewicht zu gewährleisten, wie Putin es genannt hat«. Wenn Medwedew tatsächlich der Hofnarr ist, so Lisnyansky, »dann ist das entscheidende Wort hier ›Hof‹, also Putins Hof, von dem aus Botschaften nach außen gesendet werden, die außerhalb dieses Hofes gehört werden sollen«.

Strategische Partnerschaft

Trotz einiger logistischer Unterstützung für das iranische Atomprogramm hat Russland die nuklearen Ambitionen der Islamischen Republik nie offen unterstützt. Zugleich hat Moskau seine Beziehungen zu Teheran aber ungeachtet des Strebens des Irans nach der Atombombe verstärkt. Die russisch-iranische Allianz vertiefte sich, als der Westen internationale Sanktionen gegen beide Länder verhängte: Gegen Russland wegen seiner Invasion in der Ukraine und gegen den Iran wegen seines Atomprogramms und seiner Unterstützung des Terrorismus.

Moskau unterzeichnete im Januar eine strategische Partnerschaft mit Teheran (in der jegliche Verpflichtungen zur gegenseitigen Verteidigung jedoch ausgeklammert wurden) und verkaufte dem Iran unter anderem seine fortschrittlichen S-400-Luftabwehrsysteme, die Berichten zufolge im vergangenen Jahr an den Iran geliefert worden sein sollen. Putin verurteilte auch die amerikanischen und israelischen Angriffe auf den Iran und bezeichnete sie als »völlig unprovoziert«.

Israel hat während des am 13. Juni begonnenen Kriegs die oberste Militärführung des Irans und den Großteil seiner Raketenabschussrampen ausgeschaltet und Hunderte strategische Ziele, darunter neun Ziele des Atomprogramms, angegriffen. Die USA bombardierten drei befestigte Atomanlagen und warfen bunkerbrechende Munition ab, die laut US-Präsident Trump die betreffenden Einrichtungen »ausgelöscht« habe. Der Iran feuerte Hunderte Raketen auf Israel ab, von denen die meisten abgefangen wurden. Diejenigen, die ihr Ziel trafen, töteten achtundzwanzig Menschen und verursachten geringfügige Schäden an der Infrastruktur.

Der Iran hat geschworen, eine Reaktivierung seiner Nuklearstandorte voranzutreiben, trotz der Drohungen von Trump und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, im Falle einer Fortsetzung der Aktivitäten erneut zuzuschlagen.

Isoliert, geschwächt und angesichts der Aussicht auf neue Sanktionen und Feindseligkeiten unter Führung der USA habe der Iran nach dem Krieg klare Anreize, seine Partnerschaft mit Russland noch weiter zu vertiefen, so Lisnyansky. Russland sei ebenfalls daran interessiert, seine Beziehungen zum Iran zu stärken, um im Rahmen der BRICS – einer zwischenstaatlichen Organisation und einem politischen Block, der Brasilien, China, Südafrika sowie Russland, den Iran und fünf weitere Länder umfasst – ein Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten und Europa zu bilden.

Die von Russland initiierte BRICS-Gruppe ist der praktische Ausdruck von Putins Philosophie des »globalen Ungleichgewichts«. Darin schuf der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Aufstieg der Vereinigten Staaten zur einzigen Supermacht der Welt ein ungesundes geopolitisches Ungleichgewicht, das ausgeglichen werden muss, so Lisnyansky.

Das Interesse Russlands am Iran als Teil dieser vermeintlichen Wiedergutmachungsstrategie hat tiefe historische Wurzeln, die mit der Tatsache zusammenhängen, dass die Islamische Republik »strategisch günstig vor Russlands Haustür liegt«, fügte die Expertin hinzu. Aus diesem Grund werde Russland keine neutrale Haltung gegenüber dem Iran einnehmen und eher versuchen, sein Engagement dort zu verstärken. »In der Weltanschauung der russischen Führungsklasse ist der Iran nicht nur ein weit entferntes, problematisches Land, sondern Teil der Nachbarschaft«, erklärte Lisnyansky.

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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