“Die Palästinenser wollen Israels Staatsgründung rückgängig machen”

Palästinenser im Gazastreifen demonstrieren für ihr „Rückkehrrecht“
Palästinenser im Gazastreifen demonstrieren für ihr „Rückkehrrecht“(© Imago Images / ZUMA Press)

Die israelische Politologin und Autorin Einat Wilf stellt ihr neues Buch „The War of Return“ vor, in dem sie darlegt, wie zentral die Forderung nach einem Rückkehrrecht für die Palästinenser ist.

Interview von Mareike Enghusen mit Einat Wilf in der Jüdischen Allgmeinen

Wie viele Menschen bin ich aufgewachsen in dem Glauben, der Konflikt drehe sich im Kern um die Aufteilung des Landes, um Grenzen, Siedlungen, das Ende der Besatzung. Und ich dachte: Sobald Israel bereit wäre, die im Sechstagekrieg von 1967 eroberten Territorien an die Palästinenser zu übergeben, gäbe es Frieden.

In den 80er- und 90er-Jahren war das eine vernünftige Annahme. Doch dann machten zwei Premierminister, Ehud Barak im Jahr 2000 und Ehud Olmert im Jahr 2008, den Palästinensern weitreichende Angebote: Beide stellten ihnen einen souveränen Staat im Westjordanland und in Gaza mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt in Aussicht – und die Palästinenser lehnten ab. Wie viele Israelis fragte auch ich mich: Was wollen sie dann?

Ich begann, mich mit Palästinensern zu treffen und zu recherchieren und stellte fest: Sie hatten es uns die ganze Zeit über gesagt, wir hatten nur nicht zugehört. Der wichtigste Punkt für die Palästinenser ist die Vorstellung, dass palästinensische Flüchtlinge und ihre Millionen von Nachkommen das Recht haben, sich in Israel anzusiedeln. In ihren Augen geht es bei dem Konflikt nicht um Israels militärische Eroberungen von 1967. Sie wollen stattdessen 1948 rückgängig machen – die Gründung Israels als jüdischer Staat. (…)

Wir haben die Geschichte des Konflikts studiert, palästinensische Deklarationen gelesen und 1700 Dokumente untersucht, die sogenannten „Palestine Papers“ über die Friedensverhandlungen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Palästinenser an ihrer Forderung nach einem Rückkehrrecht durchgängig festgehalten haben. Und nicht nur das: Sie bekräftigen sie weiterhin.

Eine der ersten Kritiken zu unserem Buch wurde von einem Palästinenser verfasst. Er ärgerte sich über unsere Behauptung, für Menschen in Israel und im Westen sei es überraschend, dass das „Recht auf Rückkehr“ im Zentrum des Konflikts steht. Faszinierenderweise bestätigte er unsere These, indem er sie mit der Erkenntnis verglich, dass „die Sonne im Osten aufgeht“.

Diese Reaktion bekomme ich immer wieder von Palästinensern. Sie sagen nie: „Das ist nicht wahr, das Rückkehrrecht ist uns gar nicht so wichtig.“ Im Gegenteil, sie fragen: „Wie konntet ihr das so lange übersehen?“ (…) Im Westen meinen viele: Ach, die Palästinenser meinen das gar nicht ernst. Ich sehe darin eine Form von Neokolonialismus. In unserem Buch begegnen wir den Palästinensern mit Respekt: indem wir ihnen zuhören und ihre Äußerungen ernst nehmen. (…)

Das Konzept eines Rückkehrrechts für Flüchtlinge ist im internationalen System nicht vorgesehen – aus gutem Grund: Dieses System basiert auf der Unantastbarkeit des souveränen Staates.

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