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Rotes Meer: Frachter im Fadenkreuz der jemenitischen Huthi

Seit über einem Jahr greifen die jemenitischen Huthi internationale Schiffe im Roten Meer an
Seit über einem Jahr greifen die jemenitischen Huthi internationale Schiffe im Roten Meer an (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Seit November letzten Jahres greifen die Huthi Containerschiffe im Roten Meer an. Die USA und ihre Verbündeten konnten zwar einige Angriffe abwehren, stoppen ließ sich die Miliz aber nicht.

Die jemenitischen Huthi verstehen ihr Handwerk. In ihrer asymmetrischen Seekriegsführung stören sie seit über einem Jahr eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten, über die zwölf Prozent des Welthandels abgewickelt werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind weltweit deutlich spürbar: Reedereien müssen sich entscheiden, ob sie ihre Schiffe weiterhin durch das Rote Meer fahren lassen und damit das Risiko von Huthi-Angriffen und die massiv erhöhten Versicherungsprämien in Kauf nehmen wollen, oder ob sie die sichere Route um Afrika herum wählen, was die Fahrt um zehn Tage verlängert und ebenfalls die Kosten in die Höhe treibt, weil erheblich mehr Treibstoff benötigt wird.

Zahlreiche Schiffseigner entscheiden sich für letztere Option: So erklärte der Energieriese BP bereits im Dezember letzten Jahres, keine Tanker mehr durch das Rote Meer schicken zu wollen. Laut Washington Post ist im Jahr 2023 der Handelsverkehr durch den Suezkanal – eine wichtige Devisenquelle für die ägyptische Regierung – so drastisch zurückgegangen, dass Kairo dadurch Einnahmen in Höhe von mindestens zwei Milliarden Dollar entgingen.

Lokaler Konflikt, globale Eskalation

Die Huthi sind eine schiitische Miliz, die Anfang der 1990er Jahre als islamistische Bewegung im Norden des Landes entstanden ist. In den 2000er Jahren führte sie eine Reihe von Kriegen gegen die Zentralregierung; gegenwärtig kontrolliert sie den Nordwesten.

Wichtigster Unterstützer der Huthi ist der Iran, der die Miliz seit Jahren mit Geld, Beratern und Waffen versorgt, darunter Langstreckendrohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen. Teherans Ziel war es zunächst, auf der Arabischen Halbinsel eine Gruppe aufzubauen, über die der Iran seinen langjährigen Rivalen Saudi-Arabien unter Druck setzen konnte.

Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel trat die Miliz offiziell aufseiten der Hamas in den Gaza-Krieg ein und greift seitdem mit Raketen und Drohnen nicht nur Containerschiffe im Roten Meer an, sondern nehmen auch Ziele in Israel ins Visier. Laut eigenen Angaben will die Miliz dadurch Druck auf Israel und die USA ausüben, um den Krieg im Gazastreifen zu beenden. 

Tatsächlich dient der Einsatz militärischer Gewalt den Huthi auch dazu, den Herausforderungen im Inland auszuweichen bzw. von ihnen abzulenken, zitiert die New York Times einen Experten der International Crisis Group. Denn als de facto Regierungsverantwortliche im Nordwesten des Landes sieht sich die Huthi-Führung zusehends den Forderungen der Bevölkerung ausgesetzt, öffentliche Dienstleistungen einzurichten oder die seit Langem ausstehenden Beamtengehälter endlich auszuzahlen. »Wir befinden uns im Krieg, um alles andere kümmern wir uns später«, lautet das Diktum.

Erfolge und Grenzen

Um die Angriffe einzudämmen, stellten die USA im Dezember 2023 eine Marine-Eingreiftruppe zusammen, an der sich unter anderen Großbritannien, Frankreich, Kanada, die Seychellen, vor allem aber Bahrain, wo sich das Hauptquartier der US-Navy im Nahen Osten befindet, beteiligten. Zwar war es ihnen gelungen, Raketen-Infrastruktur zu zerstören, zahlreiche Raketen und Drohnen abzufangen und auch einige Boote zu versenken, bevor diese kommerzielle Frachter angriffen, wie die New York Times berichtet, in Summe konnte die Angriffsrate der Rebellen aber nicht reduziert werden. 

Wie das Institute for the Study of War (ISW) berichtete, werden Waffen, Munition, Drohnen und Raketen, oft in Einzelteile zerlegt, über seit Jahren existierende Schmuggelrouten zu See und zu Land in den Jemen gebracht, was bisher nur mit sehr begrenztem Erfolg bekämpft werden konnte. Grund dafür sei nicht zuletzt, dass die USA ihren Fokus auf andere strategische Regionen wie den Indopazifik gerichtet haben. 

Der fortgesetzte Schmuggel mit großen Dhows, Fischerbooten, Frachtschiffen und Lkw habe es den Huthi ermöglicht, umfangreiche Depots militärischer Ausrüstung anzulegen, die sie gegen die globale Schifffahrt sowie die US-Streitkräfte und deren Partner einsetzen.

Huthi trotzen Luftangriffen

In den vergangenen Monaten griffen die USA und Großbritannien wiederholt Waffenlager der Huthi an. Das hat der Miliz zwar geschadet, nachhaltig stoppen konnte das ihre Angriffe auf zivile und militärische Schiffe im Roten Meer aber nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Miliz nach beinahe einem Jahrzehnt Bürgerkrieg resilient und gut organisiert ist und auch ihre unterirdische Infrastruktur ausgebaut hat, um sich vor Luftangriffen zu schützen. 

Hinzu kommt, dass sich das Einsatzgebiet der Huthi über Hunderte Kilometer entlang des Roten Meeres und des Golfs von Aden erstreckt und es daher extrem schwierig ist, jeden einzelnen Drohnen-, Raketen- und Kleinbootangriff abzuwehren, wodurch der Seeweg für die meisten Spediteure und Reedereien ein unannehmbares Risiko darstellt, so das Magazin Foreign Affairs. Diese weltweit wahrgenommene Gefahr ist zugleich der Grund für den Erfolg der Huthi, denn auch wenn neunzig Prozent ihrer Angriffe scheitern, wollen viele Unternehmer das Restrisiko nicht in Kauf nehmen.

Die Angriffe der Huthi auf Schiffe im Roten Meer sind also weit mehr als nur ein regionales Problem, da sie eine Lücke in der internationalen Sicherheitsstrategie und die Fragilität und Instabilität weltweiter Lieferketten offenbaren. Ohne eine koordinierte, langfristige Strategie, die sowohl militärische als auch wirtschaftliche und politische Hebel einsetzt, wird diese Bedrohung weiter bestehen – und mit ihr die Unsicherheit auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt.

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