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Regime und Opposition behindern Erdbebenhilfe in Syrien

Die Region Idlib im Nordwesten Syrien wurde vom Erdbeben schwer getroffen
Die Region Idlib im Nordwesten Syrien wurde vom Erdbeben schwer getroffen (© Imago Images / ZUMA Wire)

Währenddessen bemüht sich die internationale Gemeinschaft um die Öffnung neuer Hilfskorridore in den von Islamisten kontrollierten, weitgehend abgeschnittenen Nordwesten Syriens.

Nach dem Erdbeben und den schweren Nachbeben der vergangenen Woche, bei denen laut Schätzungen der UNO bis zu 50.000 Menschen ums Leben kamen, haben die USA alle Parteien in Syrien aufgefordert, den Bedürftigen unverzüglich humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. »Sämtliche humanitären Hilfslieferungen müssen alle Grenzübergänge passieren dürfen«, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses am Sonntag.

Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen mindestens 870.000 Menschen in der Türkei und in Syrien dringend warme Mahlzeiten; allein in Syrien sind Berichten zufolge bis zu 5,3 Millionen Menschen obdachlos. Nach Angaben der Türkei befinden sich 80.000 Menschen in Krankenhäusern und mehr als eine Million in Notunterkünften. Zehntausende Rettungskräfte sind trotz Minusgraden weiterhin damit beschäftigt, die zerstörten Stadtviertel zu durchsuchen, während die Zahl von aus den Trümmern geborgenen Lebenden mit jedem Tag sinkt.

Von den 3.500 gemeldeten Todesopfern in Syrien sind die meisten im Nordwesten des Landes zu beklagen, in Gebieten, die überwiegend von Rebellen kontrolliert werden. Die Region hat bisher nur wenig Hilfe erhalten, da die Fronten zum von der Regierung kontrollierten Territorium abgeriegelt sind und nur ein einziger Grenzübergang in Bab al-Hawa die Region mit der Türkei im Norden verbindet. 

Washington forderte den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad auf, der humanitären Hilfe sofort und ohne Ausnahme Zugang zu gewähren, wozu sich die syrische Regierung vergangene Woche bereit erklärte. Ein UNO-Sprecher sagte am Sonntag, die Erdbebenhilfe aus den von der Regierung beherrschten Teilen in den von der Opposition gehaltenen Norden Syriens werde auch durch »Genehmigungsprobleme« seitens der einen Großteil des Gebiets kontrollierenden Islamisten erschwert.

Die am stärksten von dem Erdbeben betroffen nordwestliche Region rund um Idlib wird größtenteils von der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) kontrolliert, die von der UNO und den Vereinigten Staaten als terroristische Organisation eingestuft wird. Eine HTS-Quelle erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die Gruppe werde keine Lieferungen aus den von der Regierung kontrollierten Teilen Syriens zulassen. »Wir werden nicht zulassen, dass das Regime die Situation ausnutzt, um demonstrieren zu können, dass es hilft«, so die Quelle.

Öffnung weiterer Grenzübergänge?

Der Leiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) traf Präsident Assad am Sonntag in Damaskus und teilte danach mit, der syrische Staatschef habe sich bereit erklärt, mehr Grenzübergänge einzurichten, um Hilfsgüter in den von Rebellen kontrollierten Nordwesten zu bringen. »Er war offen dafür, zusätzliche Grenzübergänge für diesen Notfall in Betracht zu ziehen«, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus gegenüber Reportern und erklärte, die WHO warte immer noch auf grünes Licht aus den von den Rebellen kontrollierten Gebieten, bevor sie sich auf den Weg mache.

Die USA drängen mittlerweile auf eine Abstimmung seitens des UN-Sicherheitsrats über die Öffnung weiterer Grenzübergänge zwischen der Türkei und dem von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens, damit Hilfsgüter durchgelassen werden können. Seit 2014 können die Vereinten Nationen im Rahmen eines Mandats des Sicherheitsrats Hilfsgüter über die Türkei zu den Millionen von Bedürftigen im Nordwesten Syriens transportieren, allerdings nur über den Grenzübergang Bab al-Hawa.

Der Chef der UN-Hilfsorganisation, Martin Griffiths, der sich gerade in der Türkei aufhält, bevor er Syrien besuchen wird, erklärte am Samstag gegenüber Sky News, er werde den Sicherheitsrat bitten, den Zugang für Hilfsgüter über zwei weitere Grenzübergänge zu genehmigen, da es »eine ganz klare humanitäre Notlage« gebe. Griffiths, der den Sicherheitsrat am Montag informieren wollte, sagte, »die Menschen im Nordosten Syriens sind im Stich gelassen worden und fühlten sich zu Recht im Stich gelassen«.

Diplomaten erklärten unterdessen, es sei noch kein Resolutionsentwurf beim Sicherheitsrat eingegangen, um weitere grenzüberschreitende Hilfskorridore zu genehmigen. Jede Resolution könnte durch ein Veto eines der ständigen Sicherheitsratsmitglieder vereitelt werden. So hat der syrische Verbündete Russland bereits erklärt, das bestehende Mandat für einen einzigen Grenzübergang sei ausreichend. Die syrische Regierung betrachtet Hilfslieferungen über ihre Grenze ohne ihre Zustimmung als eine Verletzung ihrer Souveränität.

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