Regime kann oder will Angriffe auf iranische Mädchenschulen nicht aufklären

Solidaritätsdemonstration mit den im Iran vergifteten Schulmädchen
Solidaritätsdemonstration mit den im Iran vergifteten Schulmädchen (© Imago Images / NurPhoto)

Während es am Mittwoch zu einer neuen Welle von Giftgasangriffen auf mindestens 26 Schulen kam, gibt es drei Monate nach dem ersten Anschlag noch immer keine Verdächtigen. 

Am Mittwochnachmittag gab Innenminister Ahmad Vahidi bei einer Pressekonferenz bekannt, dass bisher niemand für die mysteriösen landesweit stattfindenden Vergiftungen verhaftet worden sei und auch der Wirkstoff noch nicht eruiert werden konnte. Damit widersprach er der den Revolutionsgarden (IRGC) nahestehenden Nachrichtenagentur Fars, die am selben Tag über die Verhaftung dreier Personen berichtet hatte.

Zugleich war Vahidi, der von Präsident Ebrahim Raisi auf der Kabinettssitzung am Mittwochmorgen mit der dringenden Untersuchung der Vorfälle beauftragt worden war, darum bemüht, die Vorfälle herunterzuspielen. So bestritt er, dass die offenbar durch Gas verursachten Vergiftungen bei einer Schülerin Lähmungen verursacht hätten und behauptete, die Symptome seien bei über 90 Prozent der Schülerinnen durch Stress ausgelöst worden.

Am Mittwoch wurden mindestens 26 weitere Schulen angegriffen, darunter über ein Dutzend in Teheran, sechs in Ardabil, zwei in Kermanshah und eine in Isfahan. In mehreren Fällen gingen Sicherheitskräfte und Polizei mit Gewalt gegen empörte Eltern vor, die vor den Schulen Parolen gegen die Behörden skandierten. Damit kam es seit dem 30. November, als in der religiösen Stadt Qom der erste Fall einer unklaren Vergiftung gemeldet wurde, zu mehr als fünfzig Angriffen, von denen über tausend Schülerinnen betroffen waren, wobei Hunderte mit Kurzatmigkeit und anderen Symptomen wie Überlkeit und Lethargie in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten. 

Bislang gab es zahlreiche Anschläge in den im Westen des Landes liegenden Städten Qom und Boroujerd. Der erste Vorfall in Teheran wurde am Dienstag gemeldet. Die allermeisten Angriffe betrafen Mädchenschulen, Jungenschulen waren nur in einigen wenigen Fällen betroffen, darunter am Mittwoch eine Grundschule in Parand südlich von Teheran.

Regime gibt Opposition die Schuld

Zunächst spielten die Behörden Berichte über die Vergiftungen in Qom zunächst herunter und behaupteten, die Vorfälle seien auf Kinderstreiche oder andere Gründe wie zum Beispiel defekte Heizungen zurückzuführen, mussten inzwischen jedoch zugeben, dass mindestens 1.200 Schülerinnen von den mysteriösen Dämpfen betroffen waren.

Die Öffentlichkeit ist zunehmend empört, dass die Regierung bisher weder Verhaftungen vorgenommen noch Verdächtige identifiziert hat, obwohl sie für zusätzliche Sicherheit rund um die Schulen gesorgt hat. So skandierten Eltern Slogans wie »Tod dem kindermordenden Regime!« und »Tod dem Diktator!« vor einer Mädchenschule im Teheraner Vorort Teheransar. Der bekannte Journalist Abbas Abdi schrieb in einem Tweet vom Mittwoch, die Anschlagsserie wäre bereits beendet, würden die Behörden ebenso vehement nach den Verantwortlichen fahnden, wie sie die Familien der vergifteten Mädchen zum Schweigen bringen.

Während viele Iraner in den sozialen Medien die Ansicht vertreten, die Anschläge seien das Werk religiöser Eiferer, die Mädchen am Schulbesuch hindern wollten, versuchten konservative Kräfte, Regimegegner dafür verantwortlich zu machen. Die als Sprachrohr der Hardliner in der Teheraner Stadtverwaltung geltende Zeitung Hamshahri etwa nannte die Angriffe »ein giftiges Projekt« und veröffentlichte auf ihrer Titelseite suggestive Bilder von Oppositionellen wie dem ehemaligen Kronprinzen Reza Pahlavi, der Mudschaheddin-e-Khalq (MEK)-Führerin Maryam Rajavi und der Aktivistin Masih Alinejad. »Mit dem Giftanschlag auf die Studenten versuchen die Revolutionsgegner, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen«, stand zu lesen. 

Auch Regimefunktionäre sehen die MEK, die in den 1980er Jahren eine Reihe von Terroranschlägen im Iran verübt hat, als Verursacher. So meinte am Mittwoch der Abgeordnete Ahmad Rastineh, er habe »keinen Zweifel daran, dass die MEK oder andere feindliche und antirevolutionäre Gruppen [in die Vergiftungen] verwickelt sind«. Sein Kollege Mohammad-Tala Mazloumi beschuldigte ebenfalls die MEK und ähnliche Gruppen, die seiner Meinung nach darauf abzielen, die Islamische Republik und ihr Bildungssystem zu entehren und insinuierte, auch Israel könnte seine Finger im Spiel haben.

Reza Pahlavi wiederum beschuldigte am Dienstag in einem Tweet das Regime, für die systematischen Angriffe auf Mädchenschulen verantwortlich zu sein. Auch Masih Alinejad sieht die Verantwortung bei der Regierung und meinte, es räche sich an den Schülerinnen für ihre Teilnahme an den Protesten, die unter dem Slogan »Frau, Leben, Freiheit« noch immer im ganzen Land stattfinden und rief männliche Schüler und Studenten auf, am Samstag den Unterricht in ihren Schulen und Universitäten zu boykottieren, um ihre Kommilitoninnen zu unterstützen. Währenddessen erklärte in den sozialen Medien eine große Zahl an Eltern, ihre Töchter nicht mehr zur Schule schicken zu wollen, um sie vor Gefahren zu schützen.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!