Reformer, die sich nicht von Hardlinern unterscheiden

Von Alexander Gruber

„Im Februar“ habe der Iran eine „weitere Öffnung vollzogen“: Mit diesen Worten wurde in der gestrigen ZIB24 die Scharade der Parlamentswahl in der islamischen Theokratie als „weiter[er] Auftrieb“ für die „reformorientierten Kräfte“ vorgestellt – dies ungeachtet der Tatsache, dass viele der im Westen als Reformer bezeichneten Kräfte sich selbst gar nicht als solche verstehen. Doch, so wurde immerhin festgehalten, der „Iran wandelt auf dünnem Eis“, denn man müsse „auch die konservativen Hardliner im Land, die immer noch an der Macht sitzen, zufriedenstellen.“ Worin genau die „Öffnung“ bestehen soll, wenn doch die althergebrachten Parteigänger der islamischen Revolution nach wie vor das Sagen haben, darauf ging der ORF nicht ein.

Einer der genannten Hardliner sei der iranische Innenminister Abdul-Reza Rahmani-Fazli, der die antiwestlichen Provokationen durch neuerliche Raketenstarts als legitime Handlungen präsentierte. Doch nicht nur Rahmani-Fazli verteidigte die Raketenteste als notwendige Verteidigungsmaßnahme des Regimes gegen Aggressionen von außen. Dies tat auch der so gerne als Aushängeschild der Moderaten präsentierte Außenminister Mohammad Javad Zarif, der sie – nicht anders als sein Kabinettskollege bei seinem Amtsbesuch in Wien – als Antwort auf die angeblichen Drohungen durch Israel und die USA rechtfertigte.

Und auch in einer anderen Hinsicht gelang es dem ORF nicht, auch nur in Ansätzen klar zu machen, worin denn eigentlich die mittlerweile zu jedem Bericht gehörende Unterscheidung zwischen den „Reformern“ und den „Hardlinern“ bestehen soll. Vielleicht, weil es diesen Unterschied so nicht gibt?

Das jedenfalls legt der Blick auf das zweite diesbezüglich anklingende Unterscheidungsmerkmal nahe, das im Bericht erwähnt wurde. Auf Nachfrage bestätigte der iranische Innenminister, dass die letzte Woche gestarteten Raketen die Aufschrift „Israel muss von der Landkarte gelöscht werden“ getragen haben. Auch die darin zum Ausdruck kommenden Vernichtungsphantasien gegenüber dem jüdischen Staat sind keineswegs das Monopol der als „Hardliner“ Titulierten. So bezeichnete der ebenfalls stets als „Reformer“ charakterisierte Präsident Hassan Rohani Israel in der Vergangenheit wiederholt als „eiternden Tumor“, als „alte Wunde im Körper der islamischen Welt“ sowie als „großen zionistischen Satan“.

So anerkennenswert es ist, dass der ORF die antiisraelischen Vernichtungsdrohungen des iranischen Regimes zum Thema machte, so trug er doch zugleich auch zur Verschleierung des Charakters dieses Regimes bei, wenn er die so beliebte Unterscheidung von „Moderaten“ und „Hardlinern“ wiederholte, für die sich in der Politik der Islamischen Republik kaum Anhaltspunkte finden lassen.

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