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Proteste im Iran: Das Regime schlägt zurück

Solidaritätskundgebung mit den Protesten im Iran
Solidaritätskundgebung mit den Protesten im Iran (© Imago Images / ZUMA Wire)

Der Tod einer jungen Frau nach einem Verhör durch die Moralpolizei löste im Iran eine Welle von Demonstrationen aus, deren Ende nicht absehbar ist.

Als die Tragödie der 22-jährigen Mahsa Amini bekannt wurde, die vor knapp zwei Wochen in Teheran von einer Irshad-Patrouille der Gashte Ershad (Moralpolizei) wegen ihres zu leger umgelegten Kopftuchs festgenommen wurde, während des Verhörs bewusstlos zusammenbrach und drei Tage später verstarb, brach im ganzen Land ein kollektiver Proteststurm seitens der Bevölkerung aus, mit dem die Regierung in keiner Weise gerechnet hatte. Wie sollte ein diktatorisches Regime auch auf die Idee kommen, dass der Tod einer unbekannten Zivilistin ein ganzes Land auf die Straße bringen könnte?

Doch nun ist es eines Besseren belehrt worden – und schlägt mit aller Härte zurück. Um die Bevölkerung wieder zur Räson zu bringen, bietet der Staatsapparat alles auf, was ihm zur Verfügung steht. Zunächst wurden das böse Ausland und iranische Exilgruppen beschuldigt, die Demonstrationen, die Teil »der teuflischen Strategie des Feindes« seien, angefacht zu haben. Wie Präsident Ebrahim Raisi mitteilen ließ, werde er nicht zulassen, dass »Randalierer und vom Ausland bezahlte Söldner« die Sicherheit des Landes gefährden, weshalb die Armee »dem Feind die Stirn bieten« werde.

Und wie es in guten Diktaturen üblich ist, wurden zwecks Eindämmung der Aufstände sofort jegliche Kommunikationswege und -mittel unterbunden; elektronische Plattformen vom Netz genommen, Übertragungsgeschwindigkeiten verlangsamt – und Journalisten verhaftet.

Mittlerweile setzt das Mullah-Regime ein weiteres probates Propagandainstrument aus dem Reich der Autoritären ein, indem es linientreue Menschenmassen auf die Straßen schickt, die auftragsgemäß die Todesstrafe für die Demonstranten fordern. Ihre Rufe »Angreifer auf den Koran müssen hingerichtet werden!« wurden vom staatlichen TV-Sender ins ganze Land geschickt.

Drohungen, Verleumdungen, Sondergerichte

Neben der Armee beauftragte Raisi den Geheimdienst, die Polizeibehörden, das Innen- und Justizministerium und natürlich die Revolutionsgarden, »konsequent durchzugreifen«. Die örtlichen Behörden, die Raisi auf seiner Seite weiß, würden »entschlossen gegen diejenigen vorgehen, die der Sicherheit und Ruhe des Landes entgegenstehen«. Der Geheimdienst erfand seine eigene Verschwörungstheorie, indem er behauptete, bei den Protestkundgebungen mehrere Bombenanschläge vereitelt zu haben. Die Attentate seien von Anhängern der Monarchie und Mitgliedern der Volksmudschaheddin geplant gewesen, die Tatverdächtigen festgenommen worden.

Asisiollah Maleki, Polizeichef der Provinz Gilan, erklärte gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA, bei den Demonstrationen wären zahlreiche Waffen, Munition und Sprengstoffe sichergestellt worden. Stolz verwies Maleki auf die Verhaftung von »739 Krawallmachern, unter ihnen auch sechzig Frauen«, die für die Verletzung von über hundert Polizisten verantwortlich seien und große Schäden an öffentlichen Gebäuden angerichtet hätten.

Am Montag gab das Innenministerium die Einrichtung spezieller Sondergerichte bekannt, die mit ziemlicher Sicherheit die vielen tausend inhaftierten Iraner und Iranerinnen zu besonders langen Haftstrafen verurteilen werden. Sie sollen dem Revolutionsgericht der Islamischen Republik unterstehen, und es ist nicht zu erwarten, dass die Urteile milde ausfallen werden. Denn auf die »Anführer der vom Ausland angeheuerten Unruhestifter« soll keinerlei Rücksicht mehr genommen werden«, zitierte die Nachrichtenagentur Tasnim den Teheraner Justizchef Ali Alghassimehr. »Die Justizbeamten sollen mit ihnen genauso wie mit Vergewaltigern und Schwerverbrechern umgehen“, so der Polizeichef wörtlich.

Internationale Reaktionen

Wurde der Tod von Mahsa Amini von der internationalen Beobachtungsbühne anfangs praktisch ignoriert und damit genauso gleichmütig hingenommen wie von der iranischen Regierung selbst, steigert sich seit dem Wochenende die politische Aufregung im Westen von Tag zu Tag.

Namens der Europäischen Union verurteilte Josep Borrell, Leiter der EU-Außenpolitik, das brutale Vorgehen der iranischen Regierung und stellte die Verhängung neuer Sanktionen in den Raum. »Für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ist der weit verbreitete und unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen gewaltlose Demonstranten nicht zu rechtfertigen und nicht hinnehmbar«, erklärte er. Welche Maßnahmen dafür infrage kommen, will Borrell gemeinsam mit allen EU-Außenministern demnächst klären. Ganz oben auf der Tagesordnung steht für Borrell der freie Zugang zum Internet und den sozialen Netzwerken, die vom iranischen Regime mittlerweile großteils gesperrt wurden.

Verschärfte Sanktionen gegen den Iran forderte auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: »Wir werden im EU-Kreis jetzt sehr schnell über weitere Konsequenzen sprechen müssen, dazu gehören für mich auch Sanktionen gegen Verantwortliche«, sagte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

In den USA arbeitet die Regierung von Joe Biden schon daran, die iranischen Internetsperren – unterstützt von Softwarekonzernen und Computerfirmen – zu durchbrechen. Zugleich fordern einige Politiker den Rückzug der USA aus den Verhandlungen über den Atomdeal mit dem Iran. Zu ihnen gehört auch die republikanische Senatorin Marsha Blackburn, die ihr Unverständnis via Twitter äußerte: »Die iranische Regierung hat eine Frau ermordet, weil sie kein Kopftuch trug. Wie kann Joe Biden immer noch auf ein Atomabkommen mit einem Terrorregime drängen?«

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