„Freiheit und Sicherheit sind ein hohes Gut. Can Dündar, 55 Jahre alt, schulterlanges, graues Haar, grauer Bart, Brille, weiß das zu gut. Er ist aus der Türkei geflohen, nach Europa, dort, wo er Freiheit und Sicherheit findet. Wo genau er lebt, sagt er lieber nicht. Auf jeden Fall wird er auf absehbare Zeit nicht wieder in sein Heimatland zurückkehren. Deshalb gebe er seinen Posten als Chefredakteur der oppositionsnahen Zeitung Cumhuriyet auf, wie er in seiner Kolumne schreibt. Der Weg in die Heimat versperrt, der Job weg – Dündar zahlt einen hohen Preis dafür, dass er einfach nur seine Arbeit als Journalist getan hat. In seinem am Donnerstag auf Deutsch erscheinenden Buch ‚Lebenslang für die Wahrheit‘ beschreibt er, was ihm widerfahren ist in den vergangenen Monaten und Jahren. (…)
Das Buch zeugt von Haltung und journalistischem Mut. Es ist ein zeitgeschichtliches Dokument und zugleich eine finstere Momentaufnahme vom Zustand der Türkei. Dündar hat es im Gefängnis geschrieben. ‚Aufzeichnungen aus dem Gefängnis‘ lautet deshalb der Untertitel. Denn er und der Cumhuriyet-Ankara-Büroleiter Erdem Gül wurden, wie vorausgesehen, angeklagt. Erdogan persönlich stellt Strafanzeige, fordert lebenslange Haft und tritt als Nebenkläger auf. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Spionage und Verrat von Staatsgeheimnissen vor. (…) Dündar wurde im Mai 2016 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, er floh im Juli ins Ausland. (…) Und die Geschichte ist für Dündar noch längst nicht zu Ende. Am Samstag wollte Dündars Frau Dilek Dündar von Istanbul nach Berlin fliegen, um ihren Mann dort zu treffen, rechtzeitig zur Buchvorstellung in Deutschland. Die Polizei am Istanbuler Atatürk-Flughafen verweigerte ihr die Ausreise und zog ihren Pass ein. Nun kann sie die Türkei nicht mehr verlassen. Was sie mit den Vorwürfen gegen Dündar zu tun hat? Nichts.“