Präsidentenwahl im Libanon scheitert erneut

Wegen der vielen Proteste in Beirut ist das Parlamentsgebäude großräumig abgesperrt
Wegen der vielen Proteste in Beirut ist das Parlamentsgebäude großräumig abgesperrt (© Imago Images / Hans Lucas)

Am Donnerstag ist es dem Parlament zum dritten Mal in Folge nicht gelungen, einen neuen Präsidenten für das Land zu wählen. Das Land droht in ein konstitutionelles Vakuum zu stürzen.

Bei den libanesischen Präsidentschaftswahlen am Donnerstag stimmten 55 Abgeordnete für weißes Papier, indem sie einen leeren Wahlzettel abgaben. Damit machten die ungültigen Stimmen die Mehrheit aus, da Michel Moawad nur 42 Stimmen erhielt, während die Verfassung vorsieht, ein Kandidat müsse 85 Stimmen erhalten, um Präsident zu werden. Da es in der Sitzung also nicht gelang, ein Staatsoberhaupt zu wählen, berief Parlamentspräsident Nabih Berri für kommenden Montag eine vierte Sitzung ein.

Am 6. Oktober hielt das libanesische Parlament die erste Sitzung zur Wahl des Präsidenten ab. Damals gaben 66 Abgeordnete einen leeren Wahlzettel ab, während der von der Partei der Libanesischen Kräfte und anderen Blöcken unterstützte Kandidat Michel Moawad 36 Stimmen erhielt. Eine Woche drauf, am 13. Oktober, kam die Sitzung, in der der zweite Wahlgang hätte durchgeführt werden sollen, gleich gar nicht zustande, weil das erforderliche Quorum nicht erreicht wurde: nur 71 von 128 Abgeordneten waren im Plenarsaal erschienen.

Nationale und internationale Gründe

Obwohl sein Name bei jeder Abstimmung auftaucht, hatte Michel Moawad bisher keine Chance, die Wahl zu gewinnen, da die Hisbollah seine Kandidatur ablehnt und die Partei der Libanesischen Kräfte auffordert, die Kandidatur ihres Vertreters zurückzuziehen. Der Prozess der Präsidentenwahl im Libanon ist aus mehreren Gründen kompliziert, vor allem, weil es keinen nationalen Konsens zwischen den politischen Blöcken über einen Kandidaten gibt und die Wahl darüber hinaus auch von regionalen Interessen und Einflüssen abhängt, die nur schwierig ins Gleichgewicht gebracht werden können. Hinzu kommt, dass die derzeitigen internationalen Krisen das Interesse der regionalen und großen Mächte an der Entscheidung über die libanesische Präsidentschaft schwinden lassen.

Bei den Präsidentschaftswahlen davor scheiterte das libanesische Parlament in 44 Sitzungen daran, einen Kandidaten mit der entsprechenden Mehrheit auszustatten, bevor sich die Parteien unter internationalem Druck darauf einigten, im Jahr 2016 Michel Aoun zum Präsidenten des Landes zu ernennen.

Der libanesische Abgeordnete Ali Fayyad antwortete auf die Frage, wie wahrscheinlich es sei, bei der Sitzung am kommenden Montag ein Einvernehmen zu erzielen: »Das nationale Interesse erfordert es zwar, dass eine Einigung zur Wahl des Präsidenten der Republik zustande kommt, aber wenn ein solcher Konsens nicht erreicht wird, wiederholt sich das Szenario der heutigen Sitzung wahrscheinlich.«

Gelingt es dem libanesischen Parlament nicht, sich bis zum 31. Oktober auf einen Kandidaten zu einigen, wird das Land in ein verfassungsrechtliches Vakuum geraten, da das Präsidentenamt nach diesem Datum vakant wird. Darüber hinaus haben sich die Parlamentsblöcke auch noch nicht auf die Bildung einer neuen Regierung einigen können, welche die derzeitige geschäftsführende Regierung ablösen soll, was die Krise des Landes weiter verschärft.

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