Die Palästinensische Autonomiebehörde droht ihren eigenen Bürgern mit Sanktionen, sollten sie vom nahe gelegenen israelischen Ramon-Flughafen anstatt wie bisher von Jordanien aus ins Ausland fliegen.
Israel kündigte an, Westbank-Palästinensern Flüge über den zweiten internationalen Flughafen seines Landes zu ermöglichen. Die Ankündigung stieß in Jordanien auf Unmut und ließ die Palästinensische Autonomiebehörde Gift und Galle gegen Israel spucken. Für die eigenen Bürger hatte die palästinensische Leitung, sollten sie Israels Angebot tatsächlich nutzen, Drohungen im Stil eines totalitären Regimes parat.
Die Angelegenheit entwickelte sich im Handumdrehen zum regionaltypischen Drei-Länder-Schlamassel zwischen Israel, Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Zugegeben, Israels Offerte an palästinensische Flugreisende war nicht uneigennützig und die jordanische Ablehnung ist wirtschaftlichen Erwägungen geschuldet. Doch die Statements der palästinensischen Leitung in der Angelegenheit schlagen dem Fass den Boden aus.
So verkündete der Pressesprecher des PA-Verkehrsministeriums Musa Rahal:
»Unsere nationale Pflicht gebietet uns, den Ramon-Flughafen nicht zu nutzen.«
Der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde Mohammed Shtayyeh wiederum statuierte:
»Will die Besatzung Palästinensern Erleichterungen gewähren, dann sollte sie uns einen [internationalen] Flughafen Jerusalem eröffnen lassen.«
Die Ausgangslage
Der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen rückte in den vergangenen Jahren immer näher an Israels einzigen internationalen Flughafen heran. Als der Krieg im Sommer 2014 den Luftverkehr über den im Landeszentrum gelegenen Ben-Gurion-Flughafen schwer beeinträchtigte, hätte Israel bereits ein »zweites Tor zur Welt« gebraucht. Damals war der Ilan- und Asaf-Ramon-Flughafen im Süden des Landes allerdings noch im Bau.
Im März 2019 nahm Israel den Flugverkehr von diesem Flughafen endlich auf, dessen Bau in der Region des Timna-Nationalparks vor den Toren von Eilat am Roten Meer ein 400 Mio. Euro verschlingendes Großprojekt war. Die noch ausbaubaren Kapazitäten des Ramon-Flughafens von bis zu zwei Millionen Passagieren jährlich wurden bislang wegen der Covid-Pandemie nicht annährend ausgeschöpft. Das begann sich jedoch im Sommer 2022 zu ändern. Parallel dazu kündigte Israel an, dass im Westjordanland lebende Palästinenser diesen zweiten israelischen Flughafen als Sprungbrett ins Ausland nutzen können.
Palästinensische Reisemöglichkeiten
Im Westjordanland lebende Palästinenser können über den Ben-Gurion-Flughafen ins Ausland reisen. Aus Sicherheitsgründen ist dafür eine nicht einfach zu ergatternde Genehmigung erforderlich. Eine weitere Möglichkeit ist eine Überlandreise nach Jordanien, um vom Queen-Alia-Flughafen in Amman ins Ausland zu gelangen.
An der Allenby-Brücke sind mehrere Grenzkontrollposten zu passieren. Das bedeutet, jedes Mal den Geldbeutel öffnen zu müssen für Passagierschein und Visum, ist überdies zeitaufwendig und kompliziert, denn dieser israelisch-jordanische Grenzübergang operiert nicht rund um die Uhr. Da kaum kalkulierbar ist, wie lange es letztlich dauert, einen gebuchten Flug zu erreichen, planen viele Palästinenser eine Übernachtung in Amman ein.
Zum Reiseaufkommen über diesen Grenzübergang im Jordan-Tal liegen stark variierende Zahlen vor. Einige Quellen geben jährlich rund 500.000 passierende Palästinenser an, andere verweisen auf bis zu zwei Millionen. Viele reisen mit einem Touristenvisum ein, um in Jordanien zu verweilen, doch über die Hälfte beantragt Transitvisa, um ins Ausland weiterzureisen.
Die Fahrtzeit aus dem Westjordanland zum Ramon-Flughafen beträgt nur wenige Stunden, obschon auch hier Kontrollzeiten beim Übergang auf israelisches Hoheitsgebiet einzuplanen wären. Aufgrund eines geplanten Transfernetzwerks zu Flügen, die türkische Fluggesellschaften zwei Mal wöchentlich speziell für Reisende aus dem Westjordanland andachten, würden zeitliche Ungewissheiten jedoch wegfallen.
Jordanische Ablehnung der israelischen Pläne
Als Israels Premier Yair Lapid im Juli 2022 in Amman König Abdullah II. Israels Pläne zum Ramon-Flughafen vortrug, wurde Jordaniens Ablehnung schnell deutlich. Bereits mit Baubeginn 2013 hatte Jordanien seinen Unmut über das Ramon-Projekt kundgetan. Die Start- und Landebahnen liegen in unmittelbarer Nähe des jordanischen Hoheitsgebietes, sodass das haschemitische Königreich die Gefahr einer Missachtung seines Luftraumes gegeben sieht.
Im Zuge des israelischen Angebots an palästinensische Reisende wurde in Jordanien nun erneut Ablehnung laut. Jeder palästinensische Transitreisende gibt durchschnittlich rund 350 Jordanische Dinar (fast 500 Euro) im Land aus, und bei rund 45 Prozent der Kunden jordanischer Reisebüros handelt es sich um im Westjordanland lebende Palästinenser.
Jordanien sah große finanzielle Einbußen auf sich zukommen. Somit darf nicht verwundern, dass man aus Jordanien hörte, Palästinenser über den Ramon-Flughafen reisen zu lassen, »kommt einem Betrug und einem Messer im Rücken Jordaniens gleich« und setze Jordanien »enormen wirtschaftlichen und sozialen Gefahren« aus.
Palästinensisches Machtwort
Israels Angebot, den Ramon-Flughafen nutzen zu können, löste bei palästinensischen Einwohnern des Westjordanlands großes Interesse aus. Palästinensische Reisebüros berichteten über Dutzende Anrufe täglich. Das rief natürlich sofort die PA auf den Plan. Im selben Atemzug, in dem PA-Funktionäre ausführten, Israel untergrabe mit seinen Plänen die »Prinzipien der palästinensischen Souveränität«, um sich der Welt »als Helfer der Palästinenser« zu präsentieren, wobei es im Grunde doch ausschließlich die wirtschaftliche Rettung seines Ramon-Flughafens im Sinn habe, hagelte es Drohungen an Reiseinteressierte aus den eigenen Reihen.
Sie sollten sich auf »Strafmaßnahmen« vorbereiten. Wenngleich PA-Gremien keine offiziellen Beschlüsse fassten, drang zumindest eine angedachte Sanktion an die Öffentlichkeit: Wer über den Ramon-Flughafen reist, werde seinen Reisepass nicht verlängern können, ließ man durchblicken. Die Leidtragenden des Tunnelblicks, den die PA grundsätzlich gegenüber Israel an den Tag legt, wären also wieder einmal die eigenen Bürger und Bürgerinnen.
Allein diese von der PA in den Raum gestellte Strafmaßnahme reflektiert Herrschaftsansprüche, wie totalitäre Regime sie erheben, denen Pluralismus, Handlungs- und Entscheidungsfreiraum des individuellen Bürgers ebenso wie Freizügigkeit ein Dorn im Auge sind.
Fazit
Die türkischen Fluggesellschaften machten in Anbetracht der Wortgefechte auch schnell einen Rückzieher. Dem sollte Israel durchaus Gutes abgewinnen, denn statt zur Abwicklung von Flügen speziell für Einwohner des Westjordanlands – wie es die türkischen Pläne vorgesehen hatten und mit denen sich Israel wohl den üblichen Vorwurf der Ausgrenzung, Separierung und Apartheid eingefangen hätte –, kam es nun dazu, dass am 22. August israelische und palästinensische Passagiere Seite an Seite an Bord eines Fluges saßen, den die israelische Arkia Airlines vom Ramon-Flughafen nach Zypern anbot.
Die Fortsetzung einer solchen Normalisierung wird es vorerst nicht geben, jedenfalls nicht in naher Zukunft, denn Israel stornierte seinen Ramon-Plan für die Bewohner des Westjordanlands. Zwar hatte die Abwicklung dieses ersten Flugs gezeigt, dass alles reibungslos funktionieren kann und die palästinensischen Reisenden mit Zeitersparnis und Kosten-Leistungsverhältnis zufrieden waren, doch große Massen Reisender würden nicht nur logistische Fragen aufwerfen. Damit in Zusammenhang stehende Sicherheitsbedenken hatte nicht nur Eilats Bürgermeister Eli Lankri im Namen der Einwohner von Israels südlichstem Ferienresort immer wieder vorgebracht.
Israel ist immer wieder mit Boykottmaßnahmen konfrontiert. So erging es auch dem israelischen Konzern SodaStream, wobei sich allerdings unter Beweis stellte, dass gegen Israel gerichtete Boykottmaßnahmen letztlich ein Schuss ins eigene (palästinensische) Knie sein können. Nach dem Standortwechsel aus der Westbank ins israelische Kernland floriert die Firma weiterhin und hat sogar noch mehr Angestellte als früher, darunter allerdings nicht mehr weit über tausend Palästinenser aus dem Westjordanland, sondern vielmehr arabische Bürger der israelischen Negev-Region.
Auch wenn der Ramon-Flughafen zur Rentabilität mehr Passagiere bräuchte, bringt die Beförderung von Palästinensern u. a. wegen der Sicherheitsfreigabe vorab und dem Transfer zum Flughafen einen erheblichen Mehraufwand mit sich.
Vielleicht sollte sich Israel das Leben leichter machen und zustimmen, den am Rand von Jerusalem im PA-Hoheitsgebiet liegenden Flughafen Qalandia zu reaktivieren. Man müsste sich keine antisemitisch angehauchten Unterstellungen bezüglich Profitgier anhören, hätte weniger Verwaltungsaufwand und könnte höchst gespannt darauf warten, was die PA zu sagen hat, wenn ihr Flughafen genauso wie der Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv zur Zielscheibe von Raketen aus dem Gazastreifen wird – in Reichweite läge er nämlich allemal.