Palästinensische Angriffe auf Christen werden einfach ignoriert

In Bethlehem ist der Anteil der Christen von achtzig auf zwölf Prozent gesunken
In Bethlehem ist der Anteil der Christen von achtzig auf zwölf Prozent gesunken (© Imago Images / Xinhua)

Im heurigen Jahr wurden vermehrt Anschläge auf christliche Einrichtungen verübt, die Täter werden jedoch nie belangt.

Khaled Abu Toameh

Eine Reihe von gewalttätigen Vorfällen in Bethlehem, dem Geburtsort Jesu, und den nahe gelegenen Städten Beit Jala und Beit Sahour haben die Christen um ihre Sicherheit und Zukunft unter der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) besorgt gemacht. Viele Christen, die in diesen Gemeinden leben, beklagen sich darüber, dass die PA nicht genug unternimmt, um diejenigen zu bestrafen, die Kirchen und Geschäfte in christlichem Besitz angreifen. Bei den Tätern handelt es sich um Muslime, die in der Region Bethlehem die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen.

Christen im Fadenkreuz

Anfang dieses Jahres wurde der palästinensische evangelische Pastor Johnny Shahwan von den PA-Sicherheitskräften unter dem Vorwurf der »Förderung der Normalisierung« mit Israel verhaftet

Die Verhaftung erfolgte, nachdem Shahwan, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Beit Al-Liqa (Haus der Begegnung) in Beit Jala, auf einem Foto mit Rabbi Yehuda Glick, einem ehemaligen Mitglied des israelischen Parlaments zu sehen war. Beit Al-Liqa ist ein christliches Gemeinde- und Ausbildungszentrum. Das Zentrum, das beschuldigt wird, den Rabbiner zusammen mit einer Gruppe deutscher Touristen beherbergt zu haben, wurde auf Anordnung der Palästinensischen Behörde für eine Woche geschlossen.

Nachdem besagtes Foto in den sozialen Medien aufgetaucht war, feuerten Unbekannte Schüsse auf das Zentrum ab. Es wurde niemand verletzt, und es wurde kein Schaden gemeldet. Einigen Berichten zufolge wurde der Pastor mehr als ein Monat lang in palästinensischem Gewahrsam gehalten, um ihn vor Palästinensern zu schützen, die sein Leben bedrohten.

Bei einem anderen Vorfall Anfang des Jahres attackierte eine große Gruppe maskierter muslimischer Männer mit Stöcken und Eisenstangen die christlichen Brüder Daoud und Daher Nassar, während diese auf ihrem Land arbeiteten. Bshara Nassar, der Sohn von Daher, kommentierte: »Ich bin besonders erschüttert, dass dieser [Angriff] von einer Gruppe maskierter Palästinenser aus dem nahe gelegenen Dorf Nahalin verübt wurde. Dies spiegelt sicherlich nicht das palästinensische Volk wider und wir sind uns nicht sicher, was ihre Motive sind und wer dahintersteckt. Aber es ist wirklich hart zu sehen, wie unsere palästinensischen Brüder die Familie angreifen. Die Familie fordert Gerechtigkeit und dass die Verantwortlichen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.«

Anfang Oktober gaben Bewaffnete Schüsse auf das Bethlehem Hotel ab, weil es in einem seiner Tagungsräume jüdische Symbole ausgestellt hatte. Die Bewaffneten beschuldigten das in christlichem Besitz befindliche Hotel, »die Normalisierung mit Israel zu fördern«, weil in dem Raum Pappmachemodelle eines Davidsterns und einer Menora angebracht waren. Das palästinensische Tourismusministerium ordnete die Schließung des Saals an und erklärte, es habe eine Untersuchung zu den Behauptungen eingeleitet, dass das Hotel eine jüdische Feier ausrichten wollte.

Der erschrockene Manager des Hotels, Elias al-Arja, wies die Behauptungen zurück. Er sagte dem palästinensischen Radiosender Mawwal, eine Gruppe von Touristen von den Philippinen wollte eine christliche religiöse Konferenz in dem Versammlungsraum abhalten. »Wir erlauben Juden nicht, hierher zu kommen«, sagte al-Arja. »Wir veranstalten keine Feste zu jüdischen Feiertagen.«

Die regierende Fatah-Partei, an deren Spitze der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, steht, verurteilte in einer Erklärung den Versuch, in dem Hotel eine »zionistische Feier« zu veranstalten und nannte dies einen »Angriff auf Bethlehem und einen Verrat an den Traditionen und Werten des Heiligen Landes«.

Der jüngste Anschlag auf Christen fand Ende Oktober statt, als Dutzende von muslimischen Männern Steine auf die orthodoxe Kirche der Vorväter in Beit Sahour warfen und dabei mehrere Christen verletzten. Die Bewohner der christlichen Stadt forderten die Palästinensische Autonomiebehörde auf, alle Beteiligten zu verhaften. Sie erklärten, die Attacke auf die Kirche sei eine auf die gesamte Stadt. Nach dem Vorfall läuteten die Kirchenglocken um Hilfe, und einige in den sozialen Medien kursierende Videos zeigten, wie die Angreifer das Gebäude mit Steinen bewerfen.

Der griechisch-orthodoxe Erzbischof Atallah Hanna verurteilte die Tat als »schockierend« und »entsetzlich« und fügte hinzu: »Der Angriff auf die Kirche ist ein krimineller Akt par excellence. Die Kirche ist kein Ort für Abrechnungen und Hassbekundungen von Menschen, die ihre Menschlichkeit und ihren patriotischen Sinn verloren haben.«

Shadi Khalloul, ein prominenter Verfechter christlicher Rechte, äußerte sich ebenfalls zu dem Anschlag: »Der muslimische arabische Stamm der Atamra hat gestern Abend die christliche Kirche in Bet Sahour bei Bethlehem angegriffen. Haben Sie jemals gesehen, dass ein Christ eine Moschee in Städten mit christlicher Mehrheit im Nahen Osten angegriffen hat? Natürlich nicht. Das zeigt den Unterschied zwischen Kultur, Glauben, Respekt und Anerkennung, die wir haben.«

Auch die Versammlung der katholischen Ordinarien des Heiligen Landes verurteilte den Anschlag. »Eine Gruppe von Männern griff nach einer Schlägerei zwischen einigen jungen Männern die Kirche in Beit Sahour an«, so die Gruppe. »Wir verurteilen diesen Anschlag und fordern, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Angreifer so schnell wie möglich vor Gericht stellt. Andererseits sprechen wir all jenen unsere Anerkennung aus, die aus verschiedenen Glaubensrichtungen und Familien an den Ort des Geschehens gekommen sind und ihr Bestes getan haben, um die Kirche zu schützen. Wir hoffen, dass es in Zukunft keine ähnlichen Vorfälle mehr geben wird und fordern alle auf, Gotteshäuser von Streitigkeiten fernzuhalten.«

Passive Autonomiebehörde 

Wie in früheren Fällen hat es die Palästinensische Autonomiebehörde versäumt, echte Maßnahmen zu ergreifen, um diejenigen zu bestrafen, die Christen oder christliche heilige Stätten in der Region Bethlehem angreifen. Im April 2002 stürmten mehrere Bewaffnete die Geburtskirche in Bethlehem. Drei Mönchen, die von den Bewaffneten als Geiseln gehalten wurden, gelang es, durch ein Seitentor aus der Kirche zu fliehen. Sie erzählten israelischen Armeeoffizieren, dass die Bewaffneten Gold und andere Gegenstände, darunter Kruzifixe und Gebetsbücher, gestohlen hätten.

Solche Vorfälle sind der Hauptgrund dafür, dass sich viele Christen in den von der PA kontrollierten Gebieten im Westjordanland nicht mehr sicher fühlen. Die Zahl der Christen ist in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen: von achtzehn Prozent der Bevölkerung im Jahr 1948 auf nur noch zwei Prozent im Westjordanland, im Gazastreifen und in Israel. In Bethlehem ist ihr Anteil von achtzig auf zwölf Prozent gesunken. Viele sind in die USA, nach Kanada und Europa gezogen.

Die Angriffe von Muslimen auf Christen werden von der internationalen Gemeinschaft und den Medien in der Regel ignoriert, die sich nur dann zu Wort melden, wenn sie einen Weg finden, Israel die Schuld geben zu können.

Beunruhigend ist auch, dass die Führer der christlichen Gemeinschaft im Westjordanland zögern, die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre muslimischen Nachbarn für die Angriffe verantwortlich zu machen. Sie haben Angst vor Vergeltung und ziehen es vor, der offiziellen Linie zu folgen und Israel allein für das Elend der christlichen Minderheit verantwortlich zu machen.

Leider kann man davon ausgehen, dass sich die Notlage der palästinensischen Christen angesichts des Schweigens der internationalen Gemeinschaft und der allzu berechtigten Angst vor Vergeltung, die ihre eigenen Führer belastet, nur noch verschärfen wird.

Khaled Abu Toameh ist preisgekrönter Journalist mit Sitz in Jerusalem. Der Artikel erschien ursprünglich beim Gatestone Institute.

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