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Palästinenser: Wann Selbstmordanschläge schlecht sind

Von Khaled Abu Toameh

Die islamistische Palästinenserbewegung Hamas bekommt etwas von ihrer eigenen Medizin zu schmecken – in Form eines Selbstmordanschlags auf ihre Mitglieder im Gazastreifen.

Während der vergangenen zwei Jahrzehnte war die Hamas für Dutzende von Selbstmordanschlägen verantwortlich, bei denen Hunderte Israelis verstümmelt und getötet wurden, insbesondere während der Zweiten Intifada von 2000 bis 2006. Die Hamas ist bekannt für ihre Selbstmordanschläge und bejubelt die Täter als „Helden“ und „Märtyrer“. Für die Hamas sind Selbstmordattentate ein nobler Akt, sofern sie von ihren Mitgliedern verübt werden und die Opfer Juden sind.

In ihren eigenen Worten verteidigen die Führer und Sprecher der Hamas ihre Selbstmordanschläge gegen Israel weiterhin als „legitimes Mittel des Widerstands“ gegen Israel. Die jüngsten Ereignisse jedoch dürften, was Selbstmordanschläge betrifft, einen schalen Geschmack bei der Hamas hinterlassen haben.

Am 17. August kam Nidal Al-Ja’fari, ein Mitglied der Kassam-Brigaden – dem militärischen Flügel der Hamas – ums Leben, als sich ein Selbstmordattentäter an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten in die Luft sprengte. Der Selbstmordattentäter wurde als Mustafa Kallab identifiziert, Mitglied einer Gruppe von Dschihadisten, die der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verbunden ist. Nach Angaben der Hamas zündete Kallab den Sprengstoffgürtel, den er trug, als er und ein weiterer Dschihadist versuchten, vom Gazastreifen aus nach Ägypten zu gelangen. Der getötete Hamas-Sicherheitsoffizier, Al Ja’fari, war Teil einer Grenzsicherheitspatrouille, die die Dschihadisten abfing und versuchte, sie vom Eindringen nach Ägypten abzuhalten. Es war das erste Mal, dass sich ein Selbstmordattentäter jemals ein Mitglied der Hamas zum Ziel genommen hatte.

Eyad Al-Bazm, ein Sprecher der Hamas, sagte, der Vorfall habe sich am frühen Morgen des 17. August zugetragen, als eine Einheit der Hamas zwei Verdächtige bemerkte, die versuchten, vom Gazastreifen aus auf die ägyptische Halbinsel Sinai vorzudringen. Als die Hamas-Soldaten sich den Verdächtigen näherten, brachte Kallab einen Sprengstoffgürtel zur Explosion, den er um den Körper trug. Dabei kam Al-Ja’fari ums Leben.

Jetzt, wo es eigene Opfer zu beklagen gibt, sieht die Sache ein bisschen anders aus. Die islamistische Bewegung, die es nicht gewohnt ist, von Selbstmordattentätern ins Visier genommen zu werden, wählte starke Worte, um den Terrorangriff und dessen Hintermänner zu verurteilen. Dabei ist es die gleiche Hamas, die Selbstmordanschläge und andere Terrorangriffe auf Israel für gewöhnlich bejubelt und glorifiziert. Der Sprecher der Hamas, Fawzi Barhoum, verurteilte den Selbstmordattentäter als „Gesetzlosen“ und sagte, seine Bewegung werde mit Entschlossenheit und Macht gegen jene vorgehen, „die von den Werten und Traditionen des palästinensischen Volkes abweichen.“ Andere Hamasführer nannten den Selbstmordattentäter einen „ideologischen Abweichler“.

Interessanterweise bezeichnen mehrere Fraktionen der Palästinenser, die regelmäßig Messer- und Autoangriffe sowie Selbstmordattentate beklatschen, den Angriff vom 17. August an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten als „feigen Terroranschlag“. Der IS hat den Selbstmordanschlag, bei dem der Hamas-Offizier getötet wurde, für sich reklamiert. Aber diese Aussage hält die palästinensische Manipulationsmaschinerie nicht davon ab, mit dem Finger auf Israel zu zeigen – auch wenn es keinerlei Beweise gibt. Diese falsche Anschuldigung ist ein hervorragendes Beispiel des palästinensischen Modus Operandi – um jeden Preis von verstörenden Wahrheiten ablenken.

In diesem Fall lenkt die Hamas die Aufmerksamkeit von der Tatsache ab, dass schon seit langem Dschihadisten des IS unter ihrer Herrschaft im Gazastreifen tätig sind. Tatsächlich sind viele der IS-Dschihadisten ehemalige Mitglieder der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad. Das Auftauchen IS-orientierter Gruppen im Gazastreifen ist schon lange ein offenes Geheimnis. Das ist die unbequeme Wahrheit, an deren Vertuschung die Hamas in den vergangenen Jahren hart gearbeitet hat.

Verständlicherweise verursacht der Hamas die Anwesenheit von IS-Kämpfern im Gazastreifen – einzeln oder in Gruppen – Unbehagen, besonders angesichts ihrer laufenden Anstrengungen, Legitimität und Anerkennung bei der internationalen Gemeinschaft zu erringen. In den vergangenen Monaten hat die Hamas versucht, sich als „moderate“ Bewegung darzustellen, die die Zwei-Staaten-Lösung akzeptiert. Zur Unterstützung ihres Images hat die Hamas jüngst ein „Grundsatzdokument“ veröffentlicht, das angibt, die Bewegung sei bereit, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von vor 1967 zu akzeptieren. Nicht erwähnt wird jedoch, dass diese Akzeptanz nicht die Akzeptanz des Existenzrechts Israels einschließt. Mit anderen Worten sagt die Hamas, dass sie einen künftigen palästinensischen Staat im Westjordanland, Gazastreifen und Ostjerusalem als Ausgangsbasis für die Zerstörung Israels nutzen wird.

Einige politische Berater und Journalisten, die hartnäckig an einem illusionären Traum festhalten, haben das Hamas-Dokument als Zeichen der „Mäßigung“ und des „Pragmatismus“ fehlinterpretiert und fälschlicherweise argumentiert, die islamistische Bewegung sei bereit, in einen Friedensprozess mit Israel einzutreten. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Der Hamasführer Mahmoud Zahar könnte in diesem Punkt nicht deutlicher sein: er hat wiederholt die Behauptung bestritten, seine Bewegung habe ihre Ideologie und ihren Traum, Israel zu zerstören, begraben und zur Bekräftigung erklärt, das eigentliche Ziel bleibe, „ganz Palästina zu befreien, vom (Mittel-) Meer bis zum Fluss (Jordan).“

Timing ist alles – und das Timing des Selbstmordanschlags vom 17. August ist für die Hamas denkbar schlecht. Vor dem Hintergrund von Berichten, dass Dschihadisten über den Gazastreifen in den Sinai eindringen, um Anschläge auf die ägyptische Armee zu verüben, hat die Hamas große Anstrengungen unternommen, ihre Beziehungen zu Ägypten zu verbessern.

Doch nun ist die Wahrheit ans Licht gekommen: Dieser Selbstmordanschlag belegt recht überzeugend, dass die Anschuldigungen aus Ägypten nicht unbegründet sind. Kallab war Teil einer Gruppe Dschihadisten, die auf dem Weg waren, sich dem IS und anderen islamistischen Terrorgruppen im Sinai anzuschließen, die im Lauf der letzten Jahre eine ganze Welle von Terrorangriffen gegen die ägyptische Armee durchgeführt haben. Hier sei anzumerken, dass die Hamas die Anwesenheit des IS im Gazastreifen stets geleugnet hat. Die Hamas hat auch geleugnet, dass Dschihadisten aus dem Gazastreifen an den Terroranschlägen im Sinai beteiligt waren. Nun muss man abwarten, wie die Ägypter auf die Lügen der Hamas reagieren.

Der beispiellose Selbstmordanschlag, der die Hamas kalt erwischt hat, lässt offenbar werden, was der Gazastreifen wirklich ist: eine Brutstätte für Dschihadisten und andere islamistische Terroristen. Und die Verurteilung der Dschihadisten als „ideologische, religiöse und moralische Abweichler“ durch die Hamas liegt jenseits der Grenzen der Ironie. Andererseits kann die Hamas den Selbstmordanschlag nutzen, um zu versuchen, die Ägypter davon zu überzeugen, dass man es mit den Bemühungen ernst meint, Terroristen vom Eindringen nach Ägypten über den Gazastreifen abzuhalten.

Die Hamas und die IS-orientierten Gruppen und Personen im Gazastreifen sind aus ein und demselben Holz geschnitzt. Sie alle fördern und predigen extremistische islamistische Lehren. Kallab und die IS-Dschihadisten im Gazastreifen sind Abkömmlinge der Schule der Hamas, die die Herzen und Köpfe so vieler Palästinenser vergiftet hat. Die Hamas ist, wie wir alle wissen, Selbstmordanschlägen keineswegs abgeneigt. Nur wenn der Bumerang zurückkommt, werden die Anschläge plötzlich zu „feigem Terror“ von „Gesetzlosen“ und „intellektuell, religiös und moralisch abartigen“ Terroristen.

Die Hamas, der islamische Dschihad und der IS mögen in vielen Fragen uneins sein, aber die Frage der Attacken auf Juden und „Ungläubige“ gehört nicht dazu. In dieser Hinsicht pflegt man barbarische Eintracht.

Khaled Abu Toameh, ein preisgekrönter Journalist, lebt in Jerusalem. Artikel zuerst erschienen bei Gatestone Institute.

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