Thomas von der Osten-Sacken über Trumps Kurswechsel gegenüber Syrien und die neue Rolle der absoluten Monarchien am Golf.
Im Mena-Watch-Talk spricht Osten-Sacken, Geschäftsführer der seit den 1990er Jahren im Nordirak tätigen Hilfsorganisation Wadi, über die jüngsten außenpolitischen Schritte von US-Präsident Donald Trump im Nahen Osten. Mit ihnen wurden lange geltende Regeln außer Kraft gesetzt, ohne dass die neuen Regeln schon wirklich klar sind.
Neue Allianzen, alte Prinzipien ad acta gelegt
Am 13. Mai 2025 kündigte Donald Trump in Riad überraschend an, die US-Sanktionen gegen Syrien aufheben zu wollen. Einen Tag später traf er sich mit dem syrischen Interimspräsidenten Ahmed al-Sharaa – einem Mann, der einst wegen seiner al-Qaida-Mitgliedschaft jahrelang in einem US-Gefängnis im Irak inhaftiert war. Trumps Schritt bedeutet eine De-facto-Anerkennung der neuen syrischen Regierung. Die Sanktionen des amerikanischen Caesar Acts haben zuvor wirtschaftliche Aktivitäten in Syrien weitgehend unterbunden. Ihre Aufhebung oder auch nur Aussetzung bedeutet eine politische Kehrtwende. Zugleich markiert sie das Ende klassischer US-Nahostpolitik: Demokratieförderung und Nation-Building spielen unter Trump keine Rolle mehr.
Nach Trumps Ankündigung gilt al-Sharaa nun nicht mehr nur als ehemaliger Milizenführer, sondern als legitimer Staatschef. Das stärkt seine Position auch in den internen politischen Auseinandersetzungen um die Zukunft Syriens – zu Lasten jener Kräfte, die auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Föderalismus setzen.
Für die Golfstaaten und die Türkei ist Syrien ein hochattraktives Investitionsziel. Nach Jahren der Isolation und Zerstörung bietet das Land enormes wirtschaftliches Potenzial – vom Wiederaufbau der Infrastruktur bis zur Energieversorgung. Trump macht mit seinem Schritt deutlich: Wer investiert, muss keine US-Strafen mehr fürchten.
Regionale Verschiebungen
Durch Trumps Kurswechsel in Sachen Syrien gerät Israel ins Hintertreffen. Die Trump-Regierung scheint israelischen Interessen weniger Gewicht beizumessen, sowohl in Bezug auf Syrien, als auch im Hinblick auf den Iran oder die Huthi-Milizen im Jemen. Die Rückendeckung, die sie sich die israelische Regierung nach Trumps Wiederwahl erhofft hat, bleibt aus. Stattdessen richtet sich der US-Fokus auf wirtschaftlich attraktivere Partner wie Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei.
Der größte Verliere ist das iranische Regime. Das von ihm aufgebaute Bündnis existiert praktisch nicht mehr: Die Hamas ist weitgehend zerstört, die Hisbollah im Libanon massiv unter Druck, das Assad-Regime gestürzt, übrig sind nur mehr die Huthi-Milizen im Jemen und die pro-iranischen Milizen im Irak. Gelingt der wirtschaftliche Wiederaufbau in Syrien, wird es für das iranische Regime schwieriger werden, durch eine gezielte Destabilisierung des Landes verloren gegangenen Einfluss zurück zu gewinnen.
Arabische Autokratien als neue Gewinner
Die großen Gewinner dieser Entwicklung sind die autokratischen Golfstaaten. Sie können ihre Vision eines wirtschaftlich florierenden, politisch aber durch und durch autoritären Nahen Ostens umsetzen – nunmehr mit Unterstützung der USA. Die absoluten Monarchien am Golf haben über die Demokratisierungsbewegungen gesiegt, von denen sie sich massiv bedroht gesehen haben. Für Thomas von der Osten Sacken ist klar: » Der Nahe Osten wird arabischer werden. Die Rolle, die die Golf-Staaten politisch wie ökonomisch spielen, wird wachsen.« All jenen, die für gesellschaftliche Transformationen in Richtung mehr Demokratie eintreten, stehen damit noch schwierigere Zeiten bevor.
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